Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz. Eva-Maria Kremer

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Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz - Eva-Maria Kremer Heidelberger Kommentar

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Schuldner offenkundig mittellos ist. Im Übrigen geht es auch darum, unbillige Härten zu vermeiden. Das ist durch § 5 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 258 AO vorgeschrieben. Die Billigkeitsentscheidung hat möglichst allen Umständen des Falles gerecht zu werden. Sie soll sowohl für die Gläubigerbehörde als auch für den Schuldner eine sachlich und persönlich vertretbare Lösung erreichen. Dadurch wird die formale Strenge des Vollstreckungsrechts ausgeglichen. Eine spezialgesetzliche Billigkeitsregelung enthält § 12 Abs. 2 S. 3 BBesG (BVerwG U 27.1.1994 – 2 C 19/92, juris = BVerwGE 95, 94; BVerwG U 28.2.2002 – 2 C 2/01, juris Rn. 20 ff. = BVerwGE 116, 74 (77 f.); BVerwG U 26.4.2012 – 2 C 15/10, juris = NVwZ-RR 2012, 930; OVG Berlin-Brandenburg U 12.3.2009 – 4 B 43/08, juris = NVwZ-RR 2009, 731).

      Als innerdienstliche Verfügung hat die Vollstreckungsanordnung demzufolge die Wirkung, dass die Anordnungsbehörde sich dazu entschließt und es zulässt, die Vollstreckung einzuleiten.

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      Eine solche Vollstreckungsanordnung gibt es nur im Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes und im darauf verweisenden Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung vom 21.4.2016 (GVBl. 2016, 218). – So ist auch die in Bayern gemäß Art. 24 VwZVG bezeichnete Vollstreckungsanordnung ein nach außen wirkendes Ersuchen an das Finanzamt, die Vollstreckung durchzuführen.

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      Gemäß § 66 Abs. 5 S. 2 AufenthG kann eine Kostenschuld „ohne vorherige Vollstreckungsanordnung“ vollstreckt werden. Davon sind der Ausländer und andere Kostenschuldner betroffen. Die Rechtsnatur dieser Vollstreckungsanordnung ist nicht klar erkennbar. Nach hiesiger Ansicht handelt es sich um eine behördeninterne Angelegenheit im Sinne des § 3 Abs. 1.

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      Für das Vollstreckungsrecht des hoheitlich tätigen Staates gilt der Grundsatz der Selbsttitulierung. Das bedeutet: Im Gegensatz zum zivilgerichtlichen Zwangsvollstreckungsverfahren ist für die Vollstreckung einer öffentlich-rechtlichen Geldforderung ein vollstreckbarer Titel nicht erforderlich. Denn im Verwaltungsvollstreckungsverfahren sind Staatsgewalt und Gläubiger identisch; die Behörde ist mit einschneidender Rechtsmacht ausgestattet. Sie bescheinigt sich – richterähnlich – selbst die Vollstreckbarkeit ihrer Forderung. Hier gilt also der Grundsatz der Selbstvollstreckung (BVerwG U 14.3.2006 – 1 C 11/05, juris = BVerwGE 125, 110). Der Leistungsbescheid ist der Vollstreckungstitel. Das verpflichtet die Behörde naturgemäß zu besonderer Sorgfalt (vgl. BGH U 25.1.1980 – V ZR 161/76, juris = NJW 1980, 1754).

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      Anders ist es, wenn gemäß § 169 VwGO zugunsten der öffentlichen Hand vollstreckt werden soll. Hier ist ein Titel nach § 168 VwGO erforderlich. Denn der Vorsitzende des Verwaltungsgerichts des ersten Rechtszuges schafft nicht in eigener Machtvollkommenheit selbst einen Titel. Er vollstreckt vielmehr aus einem bereits vorhandenen (Rn. 76; § 4 Rn. 9). Im Übrigen müssen auch hier die sonstigen Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung gemäß § 3 Abs. 2 vorliegen. Ferner muss der Schuldner nach § 3 Abs. 3 besonders gemahnt worden sein. Gemäß § 171 VwGO ist eine Vollstreckungsklausel nicht erforderlich.

      Der Gerichtsvorsitzende vollstreckt nur aus den gerichtlichen Titeln des § 168 VwGO. Das ergibt sich aus den §§ 169, 170, 172 VwGO. Er vollstreckt also weder einen Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) noch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (§§ 54, 61 VwVfG). Die Vollstreckung richtet sich allein gegen Private. Der Titel muss gemäß § 56 VwGO zugestellt sein.

II. Zu Absatz 2

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      Die Einleitung der Vollstreckung ist nur dann zulässig und rechtmäßig, wenn alle drei im Gesetz aufgestellten Voraussetzungen vorliegen. Diese stimmen mit den Voraussetzungen für den Beginn der Vollstreckung nach § 254 Abs. 1 S. 1 AO i.V.m. § 5 Abs. 1 VwVG überein.

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      Durch den Leistungsbescheid wird der Schuldner mit genauer Angabe der Höhe und des Grundes der geschuldeten Leistung unmissverständlich zur Zahlung aufgefordert. Bei ihm handelt es sich regelmäßig um die hoheitliche Entscheidung einer Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalles mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen, mithin um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG. Selbstverständlich ist materielle Vorbedingung für den Erlass eines Leistungsbescheides, dass die Verwaltungsbehörden auf Grund obrigkeitlicher Gewalt entscheiden darf. Denn die Vollstreckungsgewalt der Behörde entspricht ihrer Verfügungsgewalt (BVerwG U 21.9.1966 – 5 C 155/65, juris Rn. 25 = BVerwGE 25, 72 (77 f.)). Maßgebend ist also, dass die Behörde einen Verwaltungsakt erlassen darf.

      Diese zuständige Behörde darf aber eine juristische Person des Privatrechts nicht ohne gesetzliche Grundlage ermächtigen, an ihrer Stelle den Leistungsbescheid zu erlassen. Er wäre nichtig (VGH Kassel B 17.3.2010 – 5 A 3242/09.Z, juris = NVwZ 2010, 1254).

      Steht der Gläubigerbehörde außer einer Hauptforderung auch eine Nebenforderung zu, kann sie einen gemeinsamen Leistungsbescheid erlassen. Will sie aber wegen der beiden Forderungen getrennt vollstrecken, dann muss sie für ihre Forderungen getrennte Leistungsbescheide erlassen (vgl. VG Lüneburg U 14.4.2010 – 3 A 91/08 –, juris = NVwZ-RR 2010, 590).

      Nach § 254 Abs. 1 S. 1 AO gehört zu den Voraussetzungen für den Beginn der Vollstreckung ein Leistungsgebot. Dessen Legaldefinition besagt, dass der „Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden“ sein muss. Leistungsgebot ist eine andere Bezeichnung für den Leistungsbescheid. Auch das Leistungsgebot ist ein Verwaltungsakt (BFH U 22.10.2002 – VII R 56/00, juris = NJW 2003, 1070; OVG Münster B 6.10.1993 – 3 A 2828/88, juris = NVwZ-RR 1994, 414).

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      Ein Festsetzungsbescheid, der lediglich feststellt, dass eine Zahlungsverpflichtung in bestimmter Höhe besteht, ist kein Leistungsbescheid. Denn er ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt im Sinne von § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO, der noch keine Zahlungsforderung enthält (vgl. VG Gera B 6.5.2004 – 5 E 71/04, juris = NVwZ-RR 2005, 5; Bader/Funke-Kaiser, § 80 Rn. 32).

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      Hat ein Vorverfahren stattgefunden, ist Voraussetzung für die Einleitung der Vollstreckung entsprechend § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Leistungsbescheid in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. So kann der Widerspruchsbescheid

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