Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz. Eva-Maria Kremer

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Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz - Eva-Maria Kremer Heidelberger Kommentar

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früher im Strafgesetzbuch als „Übertretungen“ enthalten und in den weggefallenen §§ 360 bis 370 StGB als Straftatbestände ausgewiesen. Das führte zu dem untragbaren Zustand, dass unzählige redliche Menschen „vorbestraft“ waren.

      Daraus ergibt sich, dass der Bußgeldbescheid kein Verwaltungsakt nach der Legaldefinition in § 35 VwVfG sein kann (umstritten, vgl. Engelhardt/App/Schlatmann, § 1 Rn. 6). Ein solcher Verwaltungsakt ist nämlich die rein wertneutrale Regelung eines Falles ohne Bezug zu einem etwaigen schuldhaften Verhalten des Betreffenden. Eingriffe und Zwangsmaßnahmen sind also von jeglicher Schuld unabhängig (§ 6 Rn. 266; § 9 Rn. 16 f.).

      Im Gegensatz dazu ist ein Fehlverhalten des Betreffenden die gesetzliche Grundlage eines Bußgeldbescheides (§ 1 OWiG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehört zwar zum Wesen der Ordnungswidrigkeit, „dass der Schuldvorwurf die Sphäre des Ethischen nicht erreicht“ (BVerfG B 4.2.1959 – 1 BvR 197/53, juris = BVerfGE 9, 167, 171). Folglich ist das Verwaltungsunrecht nicht kriminell. Aber es ist doch Unrecht. Es enthält nämlich laut vorstehender Entscheidung des BVerfG einen „Schuldvorwurf“. Das ist der Unterschied zum Verwaltungsakt des § 35 S. 1 VwVfG im Bereich des allgemeinen Verwaltungsrechts.

      Rechtlich ist der Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde ein Justizverwaltungsakt spezialgesetzlicher Natur. Denn die Behörde erlässt ihn gemäß § 46 OWiG auf dem Gebiet der Strafrechtspflege. Aus § 71 Abs. 1 OWiG folgt, dass der Bußgeldbescheid den Rang eines Strafbefehls hat. Über seine Rechtmäßigkeit entscheidet nach § 23 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz und § 68 OWiG das ordentliche Gericht. Diese Kompetenz liegt mithin nicht bei dem Verwaltungsgericht; für dieses Gericht gelten vielmehr die §§ 40 Abs. 1, 42, 68 ff. VwGO.

      Des Weiteren ist diese Rechtslage auch für den Fall von Bedeutung, dass der Vollstreckungsschuldner analog § 5 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 256 AO Einwendungen erheben sollte. – Insoweit wird auf die Erläuterungen in § 5 Rn. 20 Bezug genommen.

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      Ferner ist die Disziplinarentscheidung der Verwaltungsbehörde und des Verwaltungsgerichts über die Kürzung der Dienstbezüge des Beamten ein Leistungsbescheid im Sinne des § 3 Abs. 2 Buchst a. Hier besteht folgende Rechtslage:

      Gemäß § 33 BDG kann die Verwaltungsbehörde eine entsprechende Disziplinarverfügung erlassen. Sie ist ein Verwaltungsakt allgemeiner Art. Für die Vollstreckung aus diesem Leistungsbescheid finden die Regelungen des § 3 also unmittelbar Anwendung.

      Das Disziplinarrecht der Bundesländer entspricht allgemein dem Recht des Bundes (vgl. VGH Mannheim B 18.11.2009 – 16 S 1921/09, juris = NVwZ-RR 2010, 277).

      Anders ist es im Bereich der Disziplinargerichtsbarkeit. Zunächst kann das Verwaltungsgericht nach § 59 BDG einen Disziplinarbeschluss fassen. Sodann kann es gemäß § 60 BDG durch Disziplinarurteil erkennen. Die disziplinargerichtliche Entscheidung hat unmittelbar eine Minderung des gesetzlichen Anspruchs auf Besoldung zur Folge und modifiziert den Grundsatz des § 2 Abs. 1 BBesG einengend, dass die Besoldung ausschließlich durch Gesetz bestimmt wird (BVerwG U 28.2.2002 – 2 C 2/01, juris Rn. 11 = BVerwGE 116, 74 (75)). Also ist eine solche Gerichtsentscheidung in ihrer rechtlichen Gestaltungswirkung ein sogleich vollstreckungsfähiger Leistungsbescheid, wie ihn § 3 Abs. 2 Buchst. a voraussetzt. Das ist ein Rechtsakt besonderer Art (sui generis).

      Nach § 8 Abs. 2 BDG beginnt die Kürzung der Dienstbezüge in allen vorstehenden Fällen mit dem Kalendermonat, der auf den Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung folgt. Bei der Disziplinarverfügung der Verwaltungsbehörde ist das die Unanfechtbarkeit dieses Verwaltungsaktes. Bei dem Disziplinarbeschluss und dem Disziplinarurteil des Verwaltungsgerichts ist das die Rechtskraft dieser Entscheidung. Gemäß § 59 Abs. 2 BDG steht der rechtskräftige Beschluss einem rechtskräftigen Urteil gleich.

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      Eine Vollstreckungsmaßnahme ohne Leistungsbescheid ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht nach § 125 Abs. 1 AO offensichtlich nichtig, sondern nur rechtswidrig (BFH U 22.10.2002 – VII R 56/00, juris = NJW 2003, 1070). Sie ist also wirksam. Aber sie ist anfechtbar und kann vom Gericht aufgehoben werden. Der Betroffene muss sich wehren. Die Vollstreckungsmaßnahme kann auch nicht dadurch „geheilt“ werden, dass nachträglich ein Leistungsbescheid für die bereits durchgeführte Handlung erlassen wird. Hier muss vielmehr ein neuer Leistungsbescheid erlassen und damit die Vollstreckungsgrundlage für eine etwa notwendige Vollstreckung geschaffen werden. Das gilt auch für § 44 Abs. 1 VwVfG.

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      Bei einem Darlehen der öffentlichen Hand kann in folgenden Fällen kein Leistungsbescheid ergehen:

      Die Behörde bewilligt ein zinsloses Darlehen zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft (BVerwG U 8.9.2005 – 3 C 50/04, juris = NJW 2006, 536): Hierbei kommt nach dem Willen der Behörde und des Antragstellers die Zwei-Stufen-Theorie zur Anwendung. Das bedeutet: Zunächst bewilligt die Behörde das Darlehen durch Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG). Sodann wird das Darlehen auf Grund eines zivilrechtlichen Darlehensvertrages ausgezahlt. Infolgedessen kann das Darlehen bei Unwirksamkeit des Bewilligungsbescheides nicht nach § 49a VwVfG durch Verwaltungsakt zurückgefordert werden. Ein Leistungsbescheid gemäß § 3 Abs. 2 Buchst a ist also ausgeschlossen.

      Die Behörde bewilligt ein Darlehen zum Bau eines Familienheims (BVerwG U 25.10.1972 – 8 C 179/71, juris = BVerwGE 41, 127): Der Streit zwischen dem öffentlichen Darlehensgeber und dem Darlehensnehmer über die Pflicht zur sofortigen Rückzahlung nach Kündigung des Darlehens ist eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit. Auch in diesem Fall kommt die Zwei-Stufen-Theorie zur Anwendung.

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      Als Grundverwaltungsakt kann der Leistungsbescheid selbst noch keine Maßnahme der Vollstreckung, sondern ausschließlich deren Voraussetzung sein. „Der Leistungsbescheid ist, wie sich aus § 3 Abs. 2 Buchst. a VwVG ergibt, Voraussetzung, nicht aber Maßnahme der Vollstreckung.“ (So: BVerwG U 28.6.1968 – 7 C 118/66, juris = NJW 1969, 809. Ebenso: BFH B 4.7.1986 – VII B 151/85, juris = NVwZ 1987, 535).

      Auch seinem Wesen nach kann ein Leistungsbescheid keine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung sein. Denn er ist nur die Grundlage für die Vollstreckung wegen Geldforderungen. Darum heißt es in § 3 Abs. 2, dass der Leistungsbescheid Voraussetzung für die Einleitung der Vollstreckung ist (vgl. OVG Münster B 29.11.1966 – 7 B 455/66, juris = NJW 1967, 1980; OVG Münster B 26.9.1983 – 4 B 1650/83, juris = NJW 1984, 2844; OVG Bautzen B 21.2.2003 – 4 BS. 435/02, juris = NVwZ-RR 2003,

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