BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil. Harm Peter Westermann
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Das zentrale allgemein-zivilrechtliche Benachteiligungsverbot findet sich in § 19 AGG. Die Reichweite des Benachteiligungsverbots hängt vom Diskriminierungsverbot ab: In allen von § 2 Abs. 1 Nr 5-8 AGG genannten Schuldverhältnissen ist eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft unzulässig. Wer etwa in Münster einen Kiosk betreibt, darf niemandem den Verkauf einer Flasche Limo wegen seiner ethnischen Herkunft verweigern. Bei den übrigen Diskriminierungsgründen schränkt § 19 Abs. 1 AGG das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot auf bestimmte Vertragstypen ein.
§ 19 Abs. 1 AGG erfasst erstens Massengeschäfte – also Schuldverhältnisse, die „typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen“ (§ 19 Abs. 1 Nr 1 2. Alt. AGG). Als Beispiele führt die Gesetzesbegründung Freizeiteinrichtungen wie Badeanstalten oder Fitnessclubs auf, die üblicherweise jedem offenstehen.[45]
Zweitens geht es um massengeschäftsähnliche Geschäfte, „bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen“ (§ 19 Abs. 1 Nr 1 2. Alt. AGG). Ein wichtiges Beispiel ist die Wohnraumvermietung oder die Gewerbemiete, wenn große Wohnungsanbieter eine Vielzahl von Wohnraum anbieten.[46] Wenn ein Vermieter dagegen nur eine Wohnung zu vermieten hatte, greift die Norm nicht ein, weil die Person des Mieters hier eine wichtige Rolle spielt.[47] § 19 Abs. 5 S. 3 AGG bietet ein praktisch wichtiges Regelbeispiel zur Konkretisierung des § 19 Abs. 1 AGG: In der Regel kann § 19 Abs. 1 Nr 1 AGG nur erfüllt sein, wenn der Vermieter insgesamt mehr als 50 Wohnungen vermietet.[48]
Drittens sind Versicherungsgeschäfte erfasst (§ 19 Abs. 1 Nr 2 AGG).[49] Ausgenommen sind gem. § 19 Abs. 4 AGG familienrechtliche und erbrechtliche Schuldverhältnisse. Auch im Anwendungsbereich des § 19 AGG können Ungleichbehandlungen aber gerechtfertigt werden. Zunächst ermöglicht § 5 AGG eine Rechtfertigung durch positive Maßnahmen, die bestehende Diskriminierungen verhindern oder beseitigen sollen.[50] Klassisches Beispiel für eine solche unterschiedliche Behandlung wäre etwa der bevorzugte Vertragsschluss mit Frauen zur Erzielung einer angemessenen Ratio der Geschlechter, etwa in einem Fitnessclub.
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Nach § 20 Abs. 1 AGG ist das Benachteiligungsverbot nicht verletzt, wenn ein sachlicher Grund für die Benachteiligung wegen Religion, Behinderung, Alters, sexueller Identität oder des Geschlechts vorliegt. Benachteiligungen wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft sind allerdings nicht erfasst. § 20 Abs. 1 S. 2 AGG beinhaltet Regelbeispiele für das Vorliegen sachlicher Gründe, § 20 Abs. 2 AGG eine Sonderregel für Versicherungsverträge.
3. Gleichbehandlung außerhalb gesetzlich und richterrechtlich anerkannter Tatbestände?
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Traditionell wird bzw wurde der Gleichbehandlungsgrundsatz als rechtfertigungsbedürftige Einschränkung der Privatautonomie verstanden.[51] Wie oben gezeigt,[52] ist diese Annahme spätestens seit dem Inkrafttreten des AGG zu kurz gegriffen. Denn der Grundsatz der Gleichbehandlung ist durch weitreichende Diskriminierungsverbote gesetzlich anerkannt. Umgekehrt nehmen manche sogar an, dass sich aus dem AGG und den weiteren Diskriminierungsverboten ein einheitlicher Gleichbehandlungsgrundsatz im Privatrecht entwickelt habe, der jede Ungleichbehandlung grundsätzlich rechtfertigungspflichtig werden lässt.[53] Ein einheitlicher Gleichbehandlungsgrundsatz im Privatrecht wäre in der Tat ein bedeutsamer Schritt hin zu einer toleranteren, inklusiveren Gesellschaft. Allerdings sollte in der praktischen Rechtsanwendung aus Gründen der Rechtssicherheit Gleichbehandlung nur mit großer Zurückhaltung über die gesetzlich normierten (vor allem im AGG) und richterrechtlich anerkannten Tatbestände hinaus eingefordert werden. Andernfalls wäre die Sicherheit der Rechtsanwendung gefährdet.
Teil I Grundlagen › § 1 Ziele und Prinzipien des Schuldrechts › V. Vertrauensschutz
V. Vertrauensschutz
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Auch der Vertrauensschutz gehört zu den Prinzipien des allgemeinen Schuldrechts.[54] Manchmal ist das Vertrauensprinzip ausdrücklich im Gesetz angesprochen. Das bekannteste Beispiel aus dem Allgemeinen Teil ist § 122, der das Vertrauen des Anfechtungsgegners auf die Wirksamkeit des Vertrags durch einen Schadensersatzanspruch schützt. Auch die in § 179 geregelte Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht schützt das Vertrauen desjenigen, der auf die Vertretungsmacht vertraut hat. Im allgemeinen Schuldrecht greifen die §§ 284 und 311 das Vertrauensprinzip explizit auf. § 284 schützt den Gläubiger in seinem Vertrauen auf den Leistungserhalt: Wenn dieses Vertrauen zu letztlich vergeblichen Aufwendungen geführt hat, kann er unter Umständen Aufwendungsersatz verlangen.[55] Und nach § 311 Abs. 3 S. 2 kann ein Schuldverhältnis insbesondere dann einem Dritten gegenüber begründet werden, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat.[56]
Im Fall 1 zeigt sich die Wirkweise des § 311 Abs. 3 S. 2, der zu Ansprüchen aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 führen kann. Der Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 setzt zunächst ein Schuldverhältnis voraus. Das könnte sich aus § 311 Abs. 3 ergeben. V hat sich als Auto-Expertin bezeichnet und unter Berufung auf diese Sachkenntnis die Funktionstüchtigkeit der Bremsen behauptet. Dadurch hat sie iSd § 311 Abs. 3 S. 2 in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen und den Vertragsschluss zwischen K und S erheblich beeinflusst. Somit liegt zwischen V und K ein Schuldverhältnis aus §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 3 vor. V hat K gegenüber auch fahrlässig die Pflicht zur Aufklärung über die defekten Bremsen verletzt (vgl §§ 241 Abs. 2, 276 Abs. 2). K kann daher von V Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 3 verlangen.
Teil I Grundlagen › § 1 Ziele und Prinzipien des Schuldrechts › VI. Treu und Glauben (§ 242)
1. Treu und Glauben als allgemeines Rechtsprinzip
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Ein weiteres wichtiges Prinzip des allgemeinen Schuldrechts ist der Grundsatz von Treu und Glauben. Er hat in § 242 eine Regelung für den Inhalt der Schuldverhältnisse gefunden. Weit über den konkreten Regelungsgehalt des § 242 hinaus gilt Treu und Glauben als tragendes Rechtsprinzip nicht nur des gesamten Bürgerlichen Rechts, sondern auch des