Kommunikationswissenschaft. Roland Burkart

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Kommunikationswissenschaft - Roland Burkart

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die zwischen Menschen ablaufen, wenn sie im Hinblick auf den jeweiligen Gegenstand handeln.

      So ist z. B. ein Stuhl nicht von sich aus ein Stuhl. Ein Kleinkind lernt die Bedeutung eines Stuhls erst dann kennen, wenn andere Personen im Hinblick auf diesen Stuhl handeln. Indem sie z. B. darauf sitzen, definieren und interpretieren sie erst die Bedeutung des Gegenstandes Stuhl für das Kleinkind.43

      Ein Zeichen, das als Symbol fungiert, repräsentiert also nicht bloß einen bestimmten „Gegenstand“, sondern auch eine bestimmte Beziehung zu eben diesem Gegenstand. Es symbolisiert somit immer auch eine subjektiv erfahrene Wirklichkeit, die für verschiedene Menschen nicht unbedingt die gleiche sein muss. Aufgrund unzähliger (sozialer) Interaktionen blickt ja jeder einzelne Mensch auf eine mehr oder weniger große Anzahl subjektiver Definitions- und Interpretationsleistungen zurück. Gleichsam als Summe dieser Erfahrungen verfügt jeder Mensch über einen bestimmten (subjektiven) Vorrat an Symbolen – genauer: Er verfügt über abrufbare (d. h. im Bewusstsein aktualisierbare) Bedeutungskonglomerate.

      Wenn Menschen nun im Prozess der kommunikativen Interaktion im Hinblick aufeinander kommunikativ handeln, dann streben sie danach – entsprechend der allgemeinen Intention ihres Handelns –, Bedeutungen „miteinander zu teilen“. Zu diesem Zweck verwenden sie Zeichen (in der Regel) in ihrer Symbolfunktion. Erst dadurch eröffnet sich für die Kommunikationspartner die Chance, wechselseitig vorrätige Bedeutungen im Bewusstsein zu aktualisieren. Wenn zwei Menschen miteinander kommunizieren (wollen), dann treten sie also symbolisch vermittelt zueinander in Beziehung.

      Die jeweils versuchte symbolisch vermittelte Interaktion setzt allerdings – mit Blick auf das oben (Kap. 2.3) diskutierte konstante Ziel von Kommunikation (Verständigung) – voraus, dass im Bewusstsein beider Kommunikationspartner dieselben (bzw. ähnliche) Bedeutungen aktualisiert werden können. Gelingende menschliche Kommunikation verlangt also einen Vorrat an Zeichen, die für die jeweiligen Kommunikationspartner dieselben (bzw. ähnliche) „Objekte“ (Zustände, Vorstellungen, Anschauungen, Ideen etc.) symbolisieren. Symbole, die dieses leisten, nennt G.H. Mead „signifikante Symbole“.

      Ein signifikantes Symbol ist demnach ein Zeichen, das eine dahinterstehende Idee (d. h. einen bestimmten Vorstellungsinhalt) ausdrückt und diese Idee auch im Bewusstsein des/der jeweiligen Kommunikationspartner wachruft (vgl. Mead 1968: 85). Im Anschluss an Mead lässt sich Kommunikation daher als „gemeinsame Aktualisierung von Sinn“ (Luhmann 1971: 42) begreifen. Vorausgesetzt wird also eine mehr oder weniger „gemeinsam zugrunde gelegte Sinnstruktur“ (ebd.: 43).

      Wie kann es aber – so ist hier zu fragen – angesichts des engen Zusammenhanges von persönlicher Erfahrung und Symbolbildung überhaupt zur Entstehung derartiger signifikanter Symbole kommen, wenn sie bei verschiedenen Menschen stets Unterschiedliches aktualisieren?

      Man darf an dieser Stelle nicht unter dem (vermeintlichen) Deckmantel symbolischinteraktionistischen Denkens einem extremen Subjektivismus das Wort reden. Es wäre wohl eine Fehlinterpretation des theoretischen Ansatzes, wollte man aus diesem ableiten, der Symbol- bzw. Bedeutungsvorrat eines Individuums sei ausschließlich (!) „individualistisch“ und besitze mit ebendem eines anderen Menschen so gut wie überhaupt keine Ähnlichkeiten. Sicher trifft es zu, dass jeder von uns „seine“ Symbole bzw. deren Bedeutungsinhalte aus einem ganz persönlichen, subjektiven Erlebnis- und Erfahrungszusammenhang heraus entwickelt. Genauso sicher scheint aber auch zu sein, dass diese (unsere persönliche) Erlebniswelt viele Gemeinsamkeiten mit derjenigen unserer Mitmenschen aufweist. Sozialisationsinstanzen (wie Familie, Schule, Freundeskreis Arbeitsplatz bis hin zu diversen Medien) sorgen ja für weitreichende Ähnlichkeiten in der Denk- und Erfahrungswelt einer mehr oder weniger großen Sozietät.

      So werden verschiedene Personen in unserer modernen (hochtechnisierten) Gesellschaft mit dem Symbol „Auto“ wohl ähnliche Objektvorstellungen verbinden. Dieses (sprachliche) Symbol wird im Bewusstsein verschiedener Individuen also mehr oder weniger ähnliche Bedeutungsinhalte aktualisieren; es kann somit (für die Mitglieder derartiger Gesellschaften) als ein signifikantes Symbol bezeichnet werden.

      Was jedoch von der symbolisch-interaktionistischen Position für das menschliche Kommunikationsgeschehen abgeleitet werden soll, ist die Einsicht, dass unterschiedliche Erlebnisdimensionen in ein und derselben Realität existieren. Der Umstand, dass Menschen – wenigstens innerhalb eines bestimmten raumzeitlichen Kontinuums – unter ähnlichen sozioökonomischen Bedingungen leben, impliziert nämlich keineswegs, dass sie die „Objekte“ dieser gemeinsamen Realität auch identisch erleben. Im Gegenteil: Ein und dasselbe Objekt bzw. dessen Symbol kann im Bewusstsein verschiedener Menschen auch verschiedene Erlebnisdimensionen aktualisieren. Je unähnlicher die Erfahrungsbereiche von Personen sind, desto unähnlicher werden wohl auch die jeweils individuell aktualisierbaren Erlebnisdimensionen sein (und umgekehrt).

      Um das Auto-Beispiel weiterzuführen: Man kann ein Auto als bloßes „Fortbewegungsmittel“ erleben; man kann darin ein „hochentwickeltes technisches Industrieprodukt“ sehen; es kann als „Sport-“ oder „Freizeitgerät“ empfunden werden; man kann es als „Statussymbol“, sogar als „Fetisch“ betrachten; man kann es aber auch als ein die Luft verschmutzendes und den Klimawandel beschleunigendes Fortbewegungsmittel entlarven. Das sind unterschiedliche (und sicher nicht alle) Möglichkeiten, das reale Objekt „Auto“ in unseren technisierten und umweltsensiblen Gesellschaften zu erfahren bzw. zu erleben.

      Erlebnisdimension meint also nichts anderes als die Qualität der persönlichen Erfahrung, die im Umgang mit einem „Objekt“ der Realität gewonnen wird und die sich schließlich zu einer subjektiven Bedeutung eben dieses „Gegenstandes“ im Bewusstsein verfestigt. Bedeutung kann in diesem Sinn als die Summe aller Erfahrungsqualitäten in Form mental gespeicherter Erlebnisdimensionen betrachtet werden.

      Wenn nun also Menschen im Prozess der kommunikativen Interaktion symbolisch vermittelt zueinander in Beziehung treten, dann aktualisieren sie ja genaugenommen jeweils bestimmte Erlebnisdimensionen, die in ihrem eigenen Bewusstsein „gespeichert“ sind. Indem sie Symbole benützen, rufen sie ihr individuelles Erfahrungsrepertoire wach, das durch die jeweiligen Symbole repräsentiert wird. Nur dann, wenn wenigstens Teile dieser gespeicherten Erlebnisdimensionen im Bewusstsein beider Kommunikationspartner vorhanden sind, kann Kommunikation gelingen bzw. Verständigung zustande kommen.

      Abb. 4: Verständigung als Schnittmenge von Bedeutungsvorräten (eigene Darstellung)

      Abb. 4 veranschaulicht eine derartige Kommunikationssituation. Zwei Kommunikationspartner·innen (A und B) treten durch ihr wechselseitig aufeinander gerichtetes kommunikatives Handeln zueinander in Beziehung. Sie verwenden ein ihnen gemeinsam zur Verfügung stehendes Medium (z. B. die Sprache) und versuchen, durch den Gebrauch von Zeichen bzw. Symbolen bestimmte Bedeutungen „miteinander zu teilen“. Dabei aktualisieren sie im Bewusstsein jeweils subjektiv vorhandene Bedeutungsvorräte in Form gespeicherter Erlebnisdimensionen. Im angenommenen Fall sind die aktualisierten Bedeutungsvorräte (A und B) einander ähnlich, denn die „Mengen“ der auf beiden Seiten vorhandenen Erlebnisdimensionen überschneiden sich teilweise. In diesem Bereich kommt es daher zur Verständigung zwischen A und B. Derjenige Teil an Bedeutungsvorräten, der sich außerhalb der gekennzeichneten „Schnittmenge“ befindet, soll die extrem subjektspezifischen Erfahrungsqualitäten andeuten,

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