Kommunikationswissenschaft. Roland Burkart

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Kommunikationswissenschaft - Roland Burkart

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Abb. 7 zeigt, ist es gerade für das persönliche Gespräch charakteristisch, dass die Partner·innen ständig ihre Rollen als Sprecher·innen und Zuhörer·innen wechseln. Seit Maletzke (1963: 21 ff.) bezeichnet man diesen Vorgang als gegenseitige Kommunikation im Unterschied zur einseitigen Kommunikation (etwa einem Vortrag), wo ein derartiger Rollentausch nicht stattfindet.49 Ein Gespräch zwischen Menschen stellt sich somit als eine Wechselrede zwischen den jeweiligen Kommunikationspartner·innen dar, die mit dem gegenseitigen Tausch der Rollen Kommunikator·in und Rezipient·in verbunden ist. Es ist evident, dass dieser Rollentausch zugleich auch ein Wechseln der kommunikativen Handlungsform darstellt: Sobald ein·e Kommunikationspartner·in die Rolle de·r Rezipient·in mit der Rolle de·r Kommunikator·in tauscht, wechselt er·sie von der Verstehens-Handlung in die Mitteilungs-Handlung (und umgekehrt).

      Mit Blick auf das hier interessierende Feedbackprinzip wird also deutlich, dass der Wechsel von der Verstehens- in die Mitteilungshandlung (in der gegenseitigen Kommunikation) als explizite Ergänzung der (ohnehin stets vorhandenen) impliziten Reziprozität von Kommunikation begriffen werden kann.

      Eng verbunden mit dieser Reziprozität ist noch ein weiteres Kennzeichen von Kommunikation, das unter der Bezeichnung Reflexivität (Rückbezüglichkeit) firmiert. Dazu muss man sich vergegenwärtigen, dass nicht nur die wahrnehmbaren Handlungen der Kommunikationspartner·innen den Kommunikationsprozess steuern, sondern darüber hinaus auch die (wechselseitig) vorhandenen (oder auch unterstellten) Erwartungen ebendieser Kommunikationspartner·innen.

      So erwartet die Dozent·in, sobald sie im Hörsaal mit ihrer Vorlesung beginnt, dass die Hörer·innen ihr bzw. ihren Inhalten Aufmerksamkeit widmen – und im Gegenzug erwarten die Hörer·innen von der Dozent·in, dass sie diese (angekündigte) Vorlesung auch hält.

      Die Reflexivität entsteht nun dadurch, dass sich die wechselseitigen Erwartungen der jeweiligen Kommunikationspartner·innen miteinander verschränken. „Der Partner reagiert nicht mehr allein auf die Wahrnehmungen des anderen, sondern steuert sein Handeln auch durch die Antizipation des Handelns des anderen – er orientiert sich nämlich an sogenannten Erwartungs-Erwartungen: Er handelt (kommuniziert) so und so, weil er glaubt, dass der andere glaubt, dass er glaubt, diese oder jene Gründe dafür zu haben. Oder: A nimmt wahr, dass B wahrnimmt, wie A wahrnimmt“ (Merten 1977: 63).

      Die im Hörsaal versammelten Studierenden (A) erwarten also von der Dozent·in (B) nicht bloß, dass sie mit ihrer Vorlesung beginnt, sondern sie (A) erwarten ebenfalls, dass die Dozent·in (B) erwartet bzw. unterstellt, dass die Studierenden (A) genau dies auch von ihr (B) erwarten.

      Diese Reflexivität von Kommunikation (hier: in ihrer sozialen Dimension)50 mutiert bei öffentlichen, über Massenmedien vermittelten Aussagen schließlich zu einer „Reflexivität des Wissens“ (Merten 1977: 147): Jeder Rezipient einer massenmedial verbreiteten „Aussage weiß dann, dass nicht nur er, sondern auch andere diese Aussage rezipiert haben, jeder weiß also, was die anderen wissen können oder sogar: dass sie wissen können, dass er weiß, was sie wissen“ (Merten ebd.). Themen, die via Massenkommunikation publiziert worden sind, können als bekannt gelten, d. h., „es kann vorausgesetzt werden, dass sie als bekannt bekannt sind“ (Luhmann 1996: 29). – Diese „Unterstellung universeller Informiertheit“ (Luhmann 1981: 314) scheint im 21. Jahrhundert mit der Vervielfachung der Kanäle sowie der explosionsartig vermehrten onlinebasierten Informationsquellen paradoxerweise zu schwinden (vgl. etwa Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2009). Darauf wird weiter unten (Kap. 5.2) näher eingegangen.

      1Es wird daher hier weder ein Überblick noch eine synoptische Darstellung bisheriger Definitionsversuche gegeben. Diesbezüglich Interessierte seien neuerlich auf die profunde (und immer noch informative) Analyse von Klaus Merten (1977) verwiesen, der dort (insbes. S. 42–89) 160 unterschiedliche Definitionen von Kommunikation anführt und miteinander vergleicht.

      2Dieses „schizophrene Dilemma“ im Watzlawick’schen Sinn entsteht aus der praktisch „unmöglichen Aufgabe, jede Mitteilung zu vermeiden und gleichzeitig zu verneinen, dass … [dieses, RB] Verneinen selbst eine Mitteilung ist“ (ebd.). Für psychopathologische Kontexte „gestörter“ Interaktion, mit denen Paul Watzlawick in seiner Rolle als Psychotherapeut zu tun hatte, ist ein derart weit gefasster Kommunikationsbegriff wohl angemessen. Außerhalb derartiger Situationen gilt er jedoch nur fallweise – wenigstens nicht axiomatisch (wie mir Watzlawick selbst in einem persönlichen Gespräch in den späten 1970er Jahren in Wien attestierte).

      3Zielorientiert ist freilich das Verhalten aller Lebewesen (Tiere und Menschen). Die hier mitzudenkende Intentionalität menschlichen Handelns bedeutet jedoch darüber hinaus, dass die jeweils angestrebten Ziele auch bewusst verfolgt werden (können), während die Zweck- und Zielgerichtetheit tierischer Verhaltensweisen als überwiegend instinktgebunden gilt (vgl. dazu etwa Darlington 1971, Leroi-Gourhan 1980, Lorenz 1973, Riedl 1980).

      4Kommunikation zwischen (und mit) Tieren hebt sich hier bereits durch die Einführung des Handlungsbegriffes ab: Tiere haben kein „Bewusstsein“ im menschlichen Sinn – d. h., sie verfügen nicht über die Möglichkeit zur Selbstreflexion und verhalten sich daher instinktgebunden. Animalische Kommunikation verharrt damit auf der Stufe sozialen Verhaltens. Der aktuelle Stand der Forschung besagt noch immer, dass nur der Mensch über jene Fähigkeit zur Metakommunikation verfügt, die untrennbar mit Bewusstsein und Sprache verbunden ist (vgl. dazu z. B. Bouissac 1993, 2010; Claessens 1970, Tomasello 2011).

      5Erhellend ist, wenn man an die etymologische Bedeutung von „Kommunikation“ erinnert: Das lateinische Verbum „communicare“ wird mit „etwas gemeinsam machen“, „mit jemandem teilen“, „teilnehmen lassen“, „mitteilen“ oder „Anteil haben“ übersetzt. Ganz in diesem ursprünglichen Sinn will auch hier „kommunikatives Handeln“ verstanden werden: Ein kommunikativ handelnder Mensch will (mindestens einen) andere(n) an seinen zu vermittelnden Bedeutungen „Anteil haben“ lassen. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass der hier verwendete Begriff des „kommunikativen Handelns“ zwar nicht im diametralen Widerspruch zum Begriffsverständnis in der „Theorie des kommunikativen Handelns“ von Jürgen Habermas (1981) steht, sich aber nicht vollkommen mit diesem deckt. Auf die Habermas’sche Theorie wird weiter unten (insb. Kap. 8.3.2.2 und 8.4.2) noch ausführlich eingegangen.

      6Diese Behauptung soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein Idealzustand angesprochen ist, an den man sich bestenfalls annähern kann, der aber (wahrscheinlich) niemals vollkommen realisierbar ist (vgl. dazu auch: Burkart 2013a). Dies wird an mehreren Stellen des vorliegenden Buches deutlich werden (v. a. mit Blick auf die individuelle Interpretationsbreite von Symbolen).

      7Die Implikationen eines derartigen Anspruchs – insbesondere für sprachliche Kommunikation – werden weiter unten (Kap. 3.1) ausführlich diskutiert.

      8In sprachlicher Hinsicht ist damit die kommunikative Kontaktfunktion („phatische“ Sprachfunktion) angesprochen – vgl. dazu weiter unten Kap. 3.1.

      9Der Terminus „analytische Trennung“ will darauf verweisen, dass es sich bei der Differenzierung der beiden Ebenen kommunikativer Intentionalität um ein „künstliches“ – zum Zweck der Analyse vorgenommenes – Auseinanderteilen von Merkmalen handelt, die in der (kommunikativen) Realität stets gemeinsam auftreten.

      10Es gibt durchaus unterschiedliche

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