Zerreißproben. Группа авторов

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Zerreißproben - Группа авторов Schriften zur Rettung des öffentlichen Diskurses

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und Matchmaker wiedergewinnen konnte. Das wohl überraschendste Wahlergebnis bestand vielmehr darin, dass sich die Liberalen unter den Erstwählern den höchsten Stimmenanteil aller Parteien sichern konnten – was gegen den Tenor der Leitmedien eher einen liberalen als grünen Aufwind verheißt. Der Wunsch nach mehr persönlichen Freiheiten während der Corona-Krise soll dabei eine maßgebliche Rolle gespielt haben. War dies angesichts der Berichterstattung zur Krise wie auch zur FDP zu erwarten? Dass die Zustimmung zu den Grünen dagegen von in Umfragespitzen fast 30 Prozent auf am Ende dann doch nur 15 wie ein Soufflé in sich zusammenfiel, wirft zumindest die Frage auf, welchen Beitrag eine phasenweise euphorische journalistische Begleitmusik zum Höhenflug leistete.

      Der Band gliedert sich in drei Abschnitte. Der erste, »Liberalismusschwund und Liberalitätsverluste« erörtert aktuelle Herausforderungen für den liberalen öffentlichen und medialen Diskurs – von links, rechts, oben und unten. Hier werden sie herausgearbeitet, die Zerreißproben.

      Der zweite Abschnitt, »Liberaler Journalismus, liberale Journalisten?« fokussiert darauf aufbauend auf die Medien, den Journalismus und die Journalisten. Er beleuchtet die (begrenzten) verfügbaren Erkenntnisse zu politischen Haltungen im Berufsfeld und lädt profilierte Journalistinnen und Journalisten dazu ein, Zerreißproben aus der Innensicht zu reflektieren.

      Der dritte Abschnitt schließlich, »Parteien, Liberalität und Medien«, wendet sich der Politik zu, den Parteien und auch ihrem Verhältnis zum Journalismus. Dabei nimmt die FDP relativ viel Raum ein, reklamiert sie doch traditionell den Liberalismus für sich. Doch auch die Bedeutung von Liberalismus und Liberalität für Union, Grüne, Sozialdemokraten und Linke werden kritisch diskutiert – mal von innen, mal von außen, mal von erfahrenen etablierten Politikern und Beobachtern, mal vom Nachwuchs.

      Erster Abschnitt:

      Liberalismusschwund und Liberalitätsverluste

      Die Publizistin und Politikwissenschaftlerin Ulrike Ackermann eröffnet die Debatte mit einem sorgenvollen Blick auf den Liberalismus unter Druck. Sie beschreibt, wie eine zunehmend hitzige Rechts-Links-Konfrontation die politische Mitte verunsichert. Dies gilt nicht zuletzt für lautstarke Kulturkämpfe, in denen liberale Grundwerte kaum noch in Erscheinung zu treten scheinen. Dabei droht, so ihr Argument, die liberale Erfolgsgeschichte der westlichen Zivilisation aus dem Auge verloren zu gehen.

      Thomas Petersen, Projektleiter am Institut für Demoskopie Allensbach, kann daran anknüpfen und, basierend auf einem reichhaltigen demoskopischen Datenschatz, zeigen, wie spannungsvoll – und oft auch konfus – das Verhältnis der Deutschen zum Liberalismus ist. Viele schmücken sich gerne mit dem Prädikat ›liberal‹, doch was darunter verstanden wird, variiert zum Teil dramatisch. Einen eher schweren Stand hat dabei der Wirtschafts- oder gar ›Neoliberalismus‹.

      Was verbirgt sich hinter diesem polarisierenden Schlagwort eigentlich? Jan Schnellenbach, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Brandenburgischen Technischen Universität, versucht sich an einer Differenzierung: Jenseits des häufig floskelhaften Schimpfworts kann demnach eine neoliberale ökonomische Denktradition unterschieden werden von einer politischen Praxis, die mal mehr, mal weniger dieser Denktradition verhaftet ist, aber ihre Bezeichnung teilt. Schnellenbach zeigt sich optimistisch: ein moderner Neoliberalismus muss kein Schimpfwort bleiben.

      Josef Joffe, Mit-Herausgeber der Zeit, bringt gleich zwei der im Band behandelten Zerreißproben auf den Punkt. Der Wirtschaftsliberalismus wird demnach durch eine allzu große Begeisterung für einen allumsorgenden Wohlfahrtsstaat unter Druck gesetzt, der Gesellschaftsliberalismus dagegen durch eine illiberale ›woke‹ Identitätspolitik. Der Journalismus könnte dem Liberalismus durchaus eine Stütze sein – wenn er sich nicht in Echokammern verläuft.

      Ergänzend dazu appellieren Claus Leggewie, Inhaber der Ludwig Börne-Professur der Justus-Liebig-Universität Gießen, und der Publizist und langjährige Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament Daniel Cohn-Bendit in ihrem Beitrag an die Bedeutung von Offenheit und Liberalität als Haltung. Gerade neue soziale Bewegungen können ihre Ziele oft nur erreichen, wenn sie für Bündnispartner empfänglich sind. Allzu schnell verschlossene Türen dürften dagegen einem zügigen gesellschaftlichen Fortschritt eher abträglich sein.

      Mit Liberalität und Offenheit befasst sich auch die Ökonomin Margit Osterloh – insbesondere im Kontext der Covid-19-Pandemie. Im Schatten des Corona-Virus habe sich eine zweite Gefährdung aufgebaut: das Autoritätsvirus – eine eigenwillige Lust auf Bevormundung und autoritäres ›Durchregieren‹. Während wir bei der Durchimpfung gegen Covid-19 inzwischen rasante Fortschritte verzeichnen dürfen, stehe zu befürchten, dass Liberalitätsverluste als Corona-Kollateralschäden uns in westlichen Demokratien, in der Politik, der Wissenschaft und den Medien, noch länger begleiten werden.

      Dies ergänzt Heribert Prantl, langjähriges Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, indem er genauer auf die Gefährdungen unserer unter dem Pandemieregime herausgeforderten Grundrechte und die damit einhergehenden Liberalitätsverluste hinweist. Prantl sieht dabei die Rolle des Journalismus sehr eindeutig: stets auf der Seite der Grundrechte, auch – oder gerade – wenn es unbequem ist.

      Nach diesen beiden eher pessimistischen Beiträgen schließt der Ökonom Bruno Frey den ersten Teil des Buches mit einem wohltuend optimistischen Ausblick für den Liberalismus ab. Er macht deutlich, dass materieller Wohlstand zwar das Wohlbefinden der meisten Menschen steigert, aber eben keineswegs alleine. Ein hoher Grad persönlicher Freiheit und ein von Liberalität geprägtes politisches und gesellschaftliches Umfeld sind ebenfalls wesentliche Voraussetzungen für unser Glück. Dies macht den Einsatz für Liberalismus und Liberalität umso wichtiger.

      Zweiter Abschnitt:

      Liberaler Journalismus, liberale Journalisten?

      Der zweite Abschnitt lenkt den Blick noch gezielter auf den Journalismus und die Journalisten. Den Anfang macht Beatrice Dernbach, Professorin für Praktischen Journalismus an der Technischen Hochschule Nürnberg, die Liberalität als grundlegenden journalistischen Wert charakterisiert und erläutert, inwiefern der Journalismus auf einem liberalen Fundament ruht. Dies impliziert keine Parteilichkeit, und immer wieder geraten liberale Normen auch unter ökonomischen Druck. Doch das Bewusstsein für das liberale Fundament des Journalismus sollte dabei nicht verlorengehen.

      Christian Hoffmann, Professor für Kommunikationsmanagement und politische Kommunikation an der Universität Leipzig, wirft, daran anschließend, einen Blick auf politische Einstellungen im journalistischen Berufsfeld, die deutlich nach links tendieren. Doch wie wirkt sich das auf die Berichterstattung aus? Der Autor betont den Wert politischer Perspektivenvielfalt für den Journalismus.

      Einen Kontrapunkt dazu setzt das Autorengespann aus Uwe Krüger, auch Universität Leipzig, Holger Pötzsch, Arctic University of Norway, und Hendrik Theine, Wirtschaftsuniversität Wien. Sie sehen eine Gefahr für journalistische Perspektivenvielfalt nicht etwa in zu homogen linken Einstellungen im Berufsfeld, sondern vielmehr in einer zu starken Wirkmächtigkeit des Neoliberalismus – insbesondere in den Produktionsstrukturen und -anreizen des Journalismus.

      Ganz anders Ulf Poschardt, Chefredakteur der Welt-Gruppe. Er beklagt in seinem Metier einen Schwenk »weg von der Beschreibung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Realitäten hin zur Forderung moralischer Standards«. Wenn Gesinnung Recherche schlägt, sei das »auf kurze Sicht sehr preiswert«, aber auf die Dauer werde damit der Ast abgesägt, auf dem alle Journalisten sitzen – die Glaubwürdigkeit.

      Jochen Bittner, Co-Leiter des Ressorts ›Streit‹ der Zeit, warnt daran anknüpfend vor allem vor dem normativen Furor der in Teilen des Journalismus populären Identitätspolitik.

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