El Niño de Hollywood. Oscar Martínez

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу El Niño de Hollywood - Oscar Martínez страница 14

Автор:
Серия:
Издательство:
El Niño de Hollywood - Oscar Martínez

Скачать книгу

Mitglieder des Barrio 18 waren Salvadorianer. Einige von ihnen hatten bereits einen angesehenen Rang in der Organisation erreicht. Sie luden sie zu ihren Festen ein und zeigten ihnen, wie sich ein Mitglied des Systems El Sur zu verhalten hatte. Sie erzählten ihnen im Flüsterton von den großen Herren der M und davon, wie sie den kalifornischen Süden aus dem Gefängnis heraus kontrollierten.

      So wuchsen die Mareros im Schatten des Barrio 18 heran. Aber noch waren sie so etwas wie eine wilde, ungeschliffene Version jener Organisation.

      El Burro (»Der Esel«), ein altes Mitglied der Mara Salvatrucha 13, erzählt, dass seine erste Begegnung mit den Mitgliedern des Barrio 18 nicht so verlief, wie es in den Berichten der Bandenmitglieder normalerweise dargestellt wird. El Burro war bei einer Schießerei dabei, die sich die Mareros mit einer Gruppierung oder Zelle des Barrio 18, die unter dem Namen Tiny Winos bekannt war, in der Nähe eines Platzes lieferten. Es ging um die Kontrolle des Drogenhandels in diesem Gebiet. Niemand wurde verletzt, aber seit jenem Tag im Jahre 1984 gingen die Mara Salvatrucha und der Barrio 18 auf Distanz. Wie zwei Brüder, die miteinander im Streit liegen. Dabei wussten im Grunde beide, dass sie sich für den Rest ihres Lebens nicht mehr aus dem Weg gehen konnten. Zum endgültigen Bruch sollte es erst Jahre später kommen.

      »Wir haben an Quantität gewonnen, aber an Qualität verloren«, sagt drei Jahrzehnte später eine Frau Anfang fünfzig in einem Café in einer der exklusivsten Gegenden von San Salvador. Sie war eine der wenigen Frauen auf der Befehlsebene innerhalb der Organisation gewesen. Obwohl sie voller Respekt von der Mara Salvatrucha 13 und ihrem Aufstieg spricht, hält sie sich heute von dem Bandenleben und seinen Gefahren fern. Damit das so bleibt, werden dies die einzigen Zeilen in diesem Buch sein, die von ihr handeln.

      »Als wir ins System El Sur aufgenommen wurden, gewannen wir an Respekt, mussten aber eine Menge Dinge opfern. Ich war nicht einverstanden, und viele andere meiner Generation auch nicht. Aber wir mussten akzeptieren, was die Mehrheit wollte.«

      Nach und nach landeten Mareros in den kalifornischen Strafanstalten. Dort stellten sie fest, dass ihre Kühnheit, die sie draußen auf der Straße gezeigt hatten, ihnen im Gefängnis nichts nutzte. Sie hatten mit keiner Bande des Sur ein festes Bündnis, nur das, was von ihrer Freundschaft mit dem Barrio 18 übrig geblieben war. Und offiziell waren sie nie dem System El Sur beigetreten. Mit anderen Worten, sie standen nicht unter dem Schutz der Mexican Mafia. Sie mussten die Schikanen der anderen Sureños ertragen und waren gegen die Banden der Schwarzen auf sich allein gestellt – auf den Fluren, den Gefängnishöfen und den Sportplätzen des gesamten kalifornischen Strafvollzugs. Und sie verloren fast immer, auch wenn sie es heute nicht gerne zugeben. Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Zahl 13 am Ende ihres Namens zu akzeptieren und nach und nach ihre Vergangenheit als satanische Rocker zu vergessen. Um 1983 waren sie unter dem inzwischen berühmten Namen Mara Salvatrucha 13 praktisch im System El Sur angekommen, obwohl sie – Gesetz der Straße – offiziell erst ein Jahrzehnt später zu einer Bande des Systems ernannt wurden.

      »Die, die aus dem Gefängnis kamen, waren nicht mehr so wie wir«, sagt ein altes Mitglied jener Jahre. »Sie hatten keine langen Haare und kleideten sich nicht mehr schwarz. Sie waren jetzt cholos: rasierte Schädel, Ohrringe, weite Hosen und weiße Hemden, Gefängnis-Tattoos. Anders eben. Sie hörten nicht mehr Black oder Death Metal. Sie waren jetzt fast wie die Mexikaner, die chicanos, cholos. Wie welche vom Sur eben.«

      Doch in der Mara Salvatrucha wird alles mit Blut besiegelt. Die romantische Vergangenheit der MSS, als sie noch auf Friedhöfen Leichen ausgegraben und zum dröhnenden Heavy Metal Grabsteine geklaut hatten, musste endgültig begraben werden.

      Ende 1985 ermordeten hommies der Crazy Riders 13 in einer Gasse, die die 6th Street mit der Avenue Virgil verbindet, ein Mitglied der MS. Der Junge, dessen Tod den Zorn der Salvadorianer heraufbeschwor, hatte einen düsteren Namen, der an die Stoner-Vergangenheit erinnerte: Black Sabbath. Er starb im Krankenhaus, vor den weinenden Augen seiner homeboys. Es war der erste hommie, den sie beweinen mussten. Das war ihr Eintrittspreis, ihr Blutzoll. Die Stoner waren gestorben, und die Mara Salvatrucha 13 trat blutend dem System El Sur bei. Sie hatten jetzt einen Toten zu rächen, eine Münze, mit der sie das Spiel des Sur spielen konnten.

      Die Männer und Frauen, die diese Geschichten erzählen, haben sie persönlich erlebt. Die meisten von ihnen fühlen sich nur noch emotional oder durch alte Freundschaften mit der Bande verbunden. In beliebten Cafés im Zentrum von San Salvador oder beim Bier an einer Theke in Dallas, Texas, erzählen sie unter Tränen von ihrem früheren Leben. Sie sind keine Mitglieder der Mara Salvatrucha 13 mehr, aber sie waren es, und wenn sie über die Bande sprechen, tun sie das so respektvoll wie jemand, der über seine Familie spricht. Einige sind Lehrer an Primarschulen, andere Klempner. Und es gibt welche, die preisen die Tugenden Gottes in Kirchen der Pfingstler in den vergessenen Vierteln von San Salvador oder Guatemala-Stadt. Sie enthüllen uns die Geheimnisse der MS und bitten als Gegenleistung nur darum, ihr eigenes Geheimnis nicht zu verraten. Ihre Namen werden auf diesen Seiten nicht genannt werden.

       Die Fulton Locos Salvatrucha, die Gang von El Veneno

      Im San Fernando Valley, etwa vierzig Autominuten nördlich vom Stadtzentrum von Los Angeles, gibt es eine Straße. Sie ist keine Hauptstraße und auch nicht sehr lang. Auf beiden Seiten stehen meist billige Wohnhäuser, und von ihr gehen kleinere Nebenstraßen aus, die teils zu anderen Straßen führen, teils an einer Mauer enden. Die Straße heißt Fulton Street. Mitte der Achtzigerjahre wurden die Nebenstraßen von den salvadorianischen Banden kontrolliert. Was dort mit den jungen Salvadorianern passierte, sollte viele Jahre später für das Schicksal von Miguel Ángel Tobar auf den Kaffeeplantagen des ländlichen Atiquizaya entscheidend werden.

      Zu jener Zeit waren die Siedlungen der Hispanos im San Fernando Valley bereits ein brodelnder Schmelztiegel. Angelockt von den niedrigen Preisen fern des Stadtzentrums, zogen Hunderte salvadorianischer Familien in die neue Gegend, darunter auch einige Bandenmitglieder, die im Zentrum gekämpft hatten. Andere beschlossen erst im Valley, sich der Mara Salvatrucha anzuschließen.

      Hier zu leben bedeutete, ein paar Stufen auf der Statusleiter der illegalen Einwanderer aufzusteigen. Nur wer im Stadtzentrum zu Geld gekommen war, konnte ins Valley ziehen, und die Reichsten konnten sich sogar ein Haus mit Hinterhof leisten. Einige machten einen Stand auf einem der Flohmärkte, den berühmten swap meets, auf. Dort verkauften sie Schmuggelware, geklaute Artikel und T-Shirts mit kleinen Fehlern, die in den Vergnügungsparks der Universal Studios in Hollywood nicht verkauft werden konnten, weil sie den Anforderungen nicht genügten.

      Die Salvadorianer aus dem Valley gehörten, wenn man so will, der Mittelschicht an. Natürlich im Rahmen der miserablen Lebensumstände der Migranten jener Jahre. Die Jugendlichen gründeten ihre eigenen Gangs. Nur dass sie im Gegensatz zu den wilden Stonern weder Leichen auf Friedhöfen ausgruben noch Die Bestie verehrten. Sie gründeten low rider-Clubs und nannten sich Mini Toy, die Abkürzung für Mini Toyota. Bei diesen Autos handelte es sich um Statussymbole und Prestigeobjekte, wahre mobile Werbeflächen. Je tiefer der Wagen lag und je auffälliger er war, umso höher war das Prestige des Besitzers und des Fahrers.

      Die Mitglieder jener Gangs erinnern sich an das cruising als einen wahren Karnevalszug bunt lackierter, getunter Autos, an deren Steuer dunkelhäutige Fahrer saßen. Es war, als befände man sich im Videoclip von »La Raza« des Rappers Kid Frost.

      Die Mehrheit von ihnen waren Mexikaner oder chicanos, doch die Salvadorianer hatten sich inzwischen einen Platz in der Szene erkämpft. Ihre Autos waren vielleicht nicht so auffällig, aber sie griffen zu anderen Methoden. Die Mini Toy und ähnliche car gangs der Salvadorianer fingen an, die anderen Gangs zu bekämpfen. In Windeseile verabschiedeten sie sich von Knüppeln, Ketten, Macheten und Äxten. Die bunten Lackierungen der Autos hatten nichts mit Gewalt zu tun, aber jene vom System vergessenen Jungen

Скачать книгу