El Niño de Hollywood. Oscar Martínez
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу El Niño de Hollywood - Oscar Martínez страница 13
»Als ich nach Los Angeles kam, traf ich als Erstes auf die MS in der Gegend um den Lafayette Park. Aber die Leute gefielen mir nicht, ich weiß nicht … Alle hatten lange Haare, waren schmutzig, besoffen. Alle hatten T-Shirts von Black Sabbath oder Metallica an, und das gefiel mir nicht. ›Los, komm zu uns, schließ dich an. Wir bieten dir Schutz‹, sagten sie zu mir, aber mir gefiel das nicht. Sie waren immer zugedröhnt, rauchten Crack.«
Richard kam Anfang der Achtziger nach Los Angeles. Er hatte den Comandos Urbanos der Guerilla angehört, doch der Mord an Romero, die Intensivierung des Krieges und die Bildung der fünf Eliteeinheiten durch die Reagan-Administration jagten ihm Angst ein. Er war damals gerade mal siebzehn Jahre alt und folgte seinen Onkeln und Cousins in den Norden. Nach seiner enttäuschenden Erfahrung mit den Mareros der Mara Salvatrucha Stoner suchte er einen anderen Baum, an den er sich anlehnen konnte. Er fand ihn schnell. In der Gegend um den Shatto Park stand jene kräftige Eiche, die seinem Leben mehr als zwanzig Jahre lang Schatten spenden sollte: die homeboys vom Barrio 18.
VIERTES KAPITEL
Willkommen im System El Sur
In den Achtzigerjahren war Los Angeles eine komplexe Stadt. Sie umfasste das wohlhabende angelsächsische Beverly Hills ebenso wie das gewalttätige Viertel der Schwarzen und Latinos. Hier die friedliche Ruhe eines Brunchs in der Sonne, dort das Blut und der Schmutz brutaler Kämpfe in allen Gassen.
Immer mehr Salvadorianer kamen in die Stadt. Tag für Tag strandeten hier Hunderte von ihnen, die schmutzigen Rücken mit dem Staub des sich ausweitenden Bürgerkriegs bedeckt. Sie waren immer mehr durch Gewalt geprägt. Viele von ihnen waren Deserteure, die es vorzogen, in den Norden zu flüchten, von dem sie wenig wussten, anstatt in den Bergen El Salvadors in bewaffneten Auseinandersetzungen, die sie mal mehr, mal weniger verstanden, zu sterben.
Mit dem Barrio 18 betrat Richard eine neue, alles verschlingende und gewalttätige, aber faszinierende Welt. Die Welt der Banden des Systems El Sur. Dort, wo er herkam, wusste man, was man zu tun hatte, wenn man einen Feind sah. Man legte sein Gewehr an, zielte und schoss. In der Welt des El Sur war das anders. Jeder Straßenzug, jedes Viertel der Latinos wurde von einer Gang kontrolliert, die im Allgemeinen den Namen des jeweiligen Viertels trug: Hawaian Gardens 13, White Fence 13, Florencia 13, La Puente 13, Varrio Nuevo Estrada, Artensia 13, Pacoimas 13 … Allesamt hispanische Viertel, allesamt im Krieg. Es gab auch Gangs mit anderen Namen wie die Crazy Riders 13, die Verrückten mit ihren Macheten und Äxten, oder die imposante, uralte Gang Playboy 13, elegante, aber grausame Männer, die schmalkrempige Hüte, Krawatten, zugeknöpfte Hemden und glänzende Schuhe trugen und mit Baseballschlägern die Normandie Avenue verteidigten. Mexikanische Auswanderer, pachucos, die sich untereinander erkannten, indem sie die Spitzen von Zeige- und Mittelfinger und Daumen aneinanderlegten und dabei Ringfinger und kleinen Finger wie Kaninchenohren abspreizten. Aber alle spielten dasselbe Spiel.
Das mit der 13 ist nichts anderes als eine Anspielung. Sie steht für die Mexican Mafia und ihr allmächtiges Komitee. Das M ist der dreizehnte Buchstabe des Alphabets. Um anzuzeigen, dass sie dem System El Sur angehören, verwenden die Mareros die 13 in ihrem Namen.
Wenn Richard von jenen Jahren spricht, rutscht er nervös auf seinem Stuhl hin und her und vermischt englische und spanische Wörter miteinander. All das faszinierte ihn. An einem Tag waren die Mitglieder einer bestimmten Bande seine Todfeinde, und am nächsten Tag, in einer kalifornischen Strafanstalt, waren sie seine Verbündeten im Kampf um den Gefängnishof gegen die Schwarzen. Wenn man jung ist, ist Geschwindigkeit verlockend. Aber immer auch gefährlich.
Die Salvadorianer eroberten mehrere der Stadtviertel, in denen niemand bruncht. Viele von denen, die in eine Bande des El Sur eintraten, schlossen sich dem Barrio 18 an, dessen Geschichte in die Fünfzigerjahre zurückgeht und dessen Arm bis ins mächtige Komitee der Mexican Mafia reicht, wo er mehr als ein Mitglied sitzen hat. Die Salvadorianer traten trotz des Widerstands der Mexikaner und chicanos in Hunderte hispanischer Gangs des Systems El Sur ein. Aber ihre eigentliche Heimat blieb die Mara Salvatrucha, die Organisation der Zentralamerikaner, gebildet von ihnen und für sie, um sich zu verteidigen.
Schnell begriffen sie die Grundzüge des Spiels, aber nicht seine Feinheiten. Sie kamen aus einem brutalen Land. Sie kannten kein Maß. Es war, als würde man einem Neandertaler das Boxen beibringen.
»Die Crazy Riders 13 zum Beispiel wurden richtig gefährlich, als die Salvadorianer hinzukamen. Bewaffnet mit langen Macheten und ausgestattet mit großen Kanthölzern zum Schärfen der Klingen, fuhren sie auf einem Pick-up durch die Gegend. Sie waren verrückt, in der Mehrzahl handelte es sich um Indios aus San Miguel [einem Department im Osten El Salvadors]«, erzählt Richard, der Ex-18er.
Das musste auch der Salvadorianer Juan feststellen, als er Mitglied der Shalimar 13 werden wollte, einer kleinen Gang in Orange County. Man sagte ihm, er solle ein paar Mitglieder der Alley Boy 13 umbringen, und gab ihm eine Pistole. Doch als der Junge aus Ilobasco, einem der vom Krieg am schwersten betroffenen Gebiete in El Salvador, schießen wollte, stellte er fest, dass die Waffe nicht geladen war. Es war nur ein Test, dem sich alle unterziehen mussten, die in die Gang aufgenommen werden wollten, und seine neuen Freunde warteten lachend in einem Wagen auf ihn, um ihn fortzubringen, bevor die Feinde Jagd auf ihn machten. Aber als Juan sah, dass er seinen Gegnern ausgeliefert war, zog er die Pistole, die ihm sein Onkel geschenkt hatte, und schoss einigen von ihnen in den Kopf. Später, im Wagen, schob er den Pistolenlauf einem seiner entsetzten Freunde in den Mund und warnte sie davor, jemals wieder so einen Blödsinn zu veranstalten. Und in den zehn Jahren, die Juan der Anführer dieser Gang war, kam es tatsächlich nie wieder vor. Juan wurde 2010 nach El Salvador abgeschoben, und dort, in seinem Geburtsort Ilobasco, erzählte er seine Geschichte. Die Tätowierungen am ganzen Körper, einschließlich dem Gesicht, hinderten ihn daran, in Frieden zu leben. Die Polizei verfolgte ihn, auch die MS-13 und der Barrio 18 waren hinter ihm her. Er ging schließlich illegal in die USA zurück, allerdings nicht nach Kalifornien, sondern in einen Bundesstaat, wo es »weniger gewalttätig« zuging.
Mitte der Achtzigerjahre erhöhten die Salvadorianer ihren Einsatz im großen Spiel des Systems El Sur. In Los Angeles war der Tod ein extremer Vorfall, aber dort, wo diese Jungen herkamen, gehörte er zum Alltag.
Bald genügten den Mareros die Auseinandersetzungen mit den Partygangs und den kleinen, fast bandenmäßig organisierten Gruppen nicht mehr. Sie waren dabei, in eine andere Liga aufzusteigen. Im Osten von Los Angeles forderte eine Gang namens La Raza Loca die langhaarigen, ganz in Schwarz gekleideten und immer im Rudel auftretenden Jungen heraus. Das war ein Fehler. Nur wenige von ihnen kamen mit dem Leben davon. In einem anderen Bezirk, in der Nähe des San Fernando Valley, lockte die MS eine komplette Gang in einer verlassenen Fabrik in den Hinterhalt. Die Mareros wandten Methoden der von den durch Reagan geschaffenen Eliteeinheiten an. Sie verprügelten ihre Opfer die ganze Nacht hindurch und zwangen sie dann, in die Mara einzutreten. Einige kamen zu den Mareros der Gegend um den Lafayette, andere zu denen von der Berendos und wieder andere zu denen von der Leeward. Und auch die Gang Boulevard Hollywood bekam einige ab. Alle diese Zellen wollten ihre Reihen erweitern, um innerhalb des Systems El Sur stärker zu werden. Um mehr Schlachten zu gewinnen, musste man mehr Soldaten haben.
Sie vertrieben die Drogendealer aus ihren Gebieten und überfielen die Autodiebe. Während die Salvadorianer, die anderen Banden des Systems El Sur beigetreten waren, das System zu verstehen versuchten, machten sich die Mitglieder der Mara Salvatrucha Stoner gar nicht erst die Mühe. Sie glaubten, dass der kalifornische Süden sich ihnen anpassen musste, nicht umgekehrt.
Der riesige und allseits respektierte Barrio