El Niño de Hollywood. Oscar Martínez

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El Niño de Hollywood - Oscar Martínez

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stürzte sich El Salvador, jetzt ohne einen Monseñor Romero, der den Konflikt und das Morden hätte stoppen können, in einen totalen Krieg, in eine Orgie von so maßloser Gewalt, dass es zwölf Jahre brauchte, um den Brand zu löschen. Zwei Monate vor seiner Ermordung hatte Monseñor Romero die Oligarchie El Salvadors davor gewarnt, was kommen würde. Wie ein Prophet hatte er bei einer Messe in San Salvador gesagt: »Wer sich weigert, die Ringe von seinen Fingern abzustreifen, läuft Gefahr, dass ihm die Hand abgehackt wird. Und wer sich weigert, aus Liebe und sozialer Gerechtigkeit anderen etwas abzugeben, läuft Gefahr, dass man es ihm mit Gewalt entreißt.« Von 1980 bis 1992 wurden in El Salvador viele Hände abgehackt, fielen zahlreiche Ringe ab, wurde viel Blut vergossen. Der Tod von Monseñor Romero, dem prophetischen Bischof, war vielleicht am schwersten zu vergessen.

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      Anfang der Achtzigerjahre hatte die Mara Salvatrucha 13 Paten. Zwei gewissenlose Paten. Mit zeitlichem Abstand betrachtet, erscheint alles höchst merkwürdig, um nicht zu sagen, unglaublich. Die beiden Paten wussten nicht, dass sie welche waren, und wären erstaunt, wenn sie heute sähen, welches Monster sie herangezüchtet haben. Der erste hieß Ronald Wilson Reagan, der zweite 18th Street Gang oder Barrio 18.

      1981, ein Jahr nach Ausbruch des Krieges in El Salvador, wurde Ronald Reagan zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. In seiner Jugend war er ein Frauenschwarm in Hollywood gewesen, der in den Dreißiger- und Vierzigerjahren durch Westernfilme der Warner Bros., in denen er Herzen brach und sich mit brutalen Cowboys anlegte, berühmt geworden war. Er wuchs in Los Angeles auf und war Gouverneur des reichen Staates Kalifornien gewesen. Von seiner Präsidentschaft erwartete man sich Stärke. Seinem Vorgänger, dem Demokraten Jimmy Carter, wurde vorgeworfen, eine allzu nachgiebige Außenpolitik gegenüber dem Vormarsch des Kommunismus in Lateinamerika vertreten zu haben. Reagan dagegen hatte vor, sich wie sein Filmheld George Custer in Santa Fe Trail (»Land der Gottlosen«) zu verhalten und den Abschaum zu beseitigen, der den Lebensstil des Durchschnittsamerikaners sowohl innerhalb als auch außerhalb der Landesgrenzen, vor allem in Zentralamerika, bedrohte. Er versorgte General Efraín Ríos Montt, den guatemaltekischen Diktator, der Dutzender von Massakern an den Ureinwohnern beschuldigt wurde, mit Waffen und Militärberatern. In El Salvador unterstützte er trotz des brutalen Mordes an Romero die Militärregierung, indem er Waffen lieferte und die Ausbildung der fünf Eliteeinheiten finanzierte, die die Guerilla bekämpfen sollten. Es war, als werfe man eine brennende Zigarette in trockenes Heu. Eine Apokalypse. Der Krieg wurde mit einer solchen Brutalität geführt, dass er Tausende Salvadorianer außer Landes trieb. Die meisten von ihnen flüchteten nach Kalifornien, nach Los Angeles, wo sie zu jenen stießen, die bereits in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre, als der Bürgerkrieg sich am Horizont abzuzeichnen begann, fortgegangen waren.

      Frisches, aggressives Fleisch, um die Mara Salvatrucha zu mästen. Die Bestie.

      Die Massen neuer Flüchtlinge und Deserteure sahen sich Reagans Innenpolitik gegenüber, der zweiten Säule seiner Präsidentschaft. In seinen Reden pflegte er Drogen als den Feind Nr. 1 zu bezeichnen. Und die sollten in Kalifornien, wo er fünf Jahre lang Gouverneur gewesen war, zu einem immer größeren Problem werden.

      Ab 1982 wurden insbesondere die Banden und Gangs der Lateinamerikaner verfolgt, die sich dem Drogenhandel widmeten. Dazu kam, dass die Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles kurz bevorstanden, eine gute Gelegenheit, im schwelenden Konflikt zwischen den beiden großen Weltmächten des Kalten Krieges zu glänzen. Die Straßen mussten vom Abschaum gesäubert werden, er sollte in den Gefängnissen verschwinden.

      Hunderte Bandenführer wurden verhaftet, ganze Gangs zerschlagen. Das komplizierte Ökosystem der großen Banden geriet durch die neue Politik der Vereinigten Staaten durcheinander. Die Mara Salvatrucha Stoner stieß in diese Lücke. Und Reagan ebnete ihr den Weg. Einerseits sorgte er für einen konstanten Zustrom gut ausgebildeter und immer aggressiverer Mitglieder aus El Salvador, andererseits holte er die mächtigsten Rivalen von der Straße. Mit einem so großzügigen Paten war es nur eine Frage der Zeit, bis die Bestie dick und fett wurde.

      Doch die Mareros waren noch sehr ungezähmt. Auch wenn sie den Soundtrack der Stadt verstanden hatten, verstanden sie noch nicht ihren Text und ihr Thema. Sie waren eine gesetzlose Bande. Sie nahmen sich, was sie wollten, durchquerten feindliches Gebiet und vertrauten den Macheten und Äxten, die sie in ihren weiten Hosen mit sich herumtrugen. Den Menschen misstrauten sie. Regelmäßig trafen junge Deserteure der Guerilla oder der Armee aus El Salvador ein und wurden freudig willkommen geheißen, wie Helden. Sie brachten den Jungs auf den Straßen von LA neue Methoden bei, den Feind zu bekämpfen und in einen Hinterhalt zu locken. Sie kannten sich mit Strategien aus und waren brutal wie nur wenige Männer auf der Welt, wie kein mexikanisches Bandenmitglied jener Jahre sein konnte. Die militärische Ausbildung der salvadorianischen Streitkräfte, die Reagan finanziert hatte, trug am Ende zur Effizienz der MSS bei.

      Doch die Stadt verstanden sie immer noch nicht. Der höchst undurchsichtige Krieg, den die chicanos, die Amerikaner mexikanischer Abstammung, gegeneinander führten, war ein Mysterium, das die Mareros noch nicht durchschaut hatten. Bis zu einem gewissen Punkt konnten sie den Krieg der chicanos gegen die Banden der Schwarzen, die berüchtigten Gangs Bloods und Crips, verstehen. Sie waren anders, und das war ein ausreichender Grund für die Gewaltorgie. Sie verstanden auch, warum die chicanos sie, die Salvadorianer, die in ein bereits besetztes Gebiet gekommen waren, hassten. Was sie aber nicht verstanden, war, warum sich die chicanos gegenseitig abmurksten, um sich danach zu verbünden, wieder zu trennen und schließlich wieder zu verbünden. Eine scheinbar chaotische Abfolge von Konfrontationen und Bündnissen. Wie Baseball und das undurchschaubare Spiel four corners war auch dieses Spiel ein Mysterium, und die Stadt weigerte sich einstweilen noch, es ihnen zu erklären. Noch waren sie ein Zwischending zwischen einer Gruppe gewaltbereiter Freunde und einer kalifornischen Bande.

      Der Anthropologe Abner Cohen zitiert in einem seiner Werke ein Sprichwort arabischer Bauern, um das System von Bündnissen und Aggressionen zu erklären. Es fasst alles in einem Satz zusammen, den man sehr gut auch auf das System der lateinamerikanischen Banden ein Jahrhundert später anwenden kann: »Ich gegen meine Brüder. Mein Bruder und ich gegen meine Cousins. Mein Cousin, mein Bruder und ich gegen den Fremden.«

      So war es. So ist es. Die Banden der chicanos können sich noch so brutal untereinander bekämpfen, aber sobald sie in den Strafvollzug kommen, wo die mächtigen Banden der Schwarzen, Asiaten und Weißen auf sie warten, schließen sie sich zu einer gemeinsamen Front zusammen, die sie El Sur nennen. Dieses System bedarf eines Führers, und der heißt Mexican Mafia. Dabei handelt es sich um eine Art Zentralkomitee sämtlicher mexikanischer Banden im Süden Kaliforniens. Eine aus verschiedenen Banden zusammengesetzte übergeordnete Struktur, gebildet aus deren Anführern. Im System El Sur sind Hunderte von Banden zusammengeschlossen, aber nur einige wenige haben einen Vertreter in der Mexican Mafia oder der M, wie sie auf den Straßen von denen genannt wird, die sich trauen, ihren Namen auszusprechen.

      Die M ist per definitionem eine Bande im Strafvollzug. Aus den Haftanstalten heraus legen sie die Rechte und Pflichten der mexikanischen Gangs fest. Sie bestimmen die Regeln, stellen einen Verhaltenskodex auf: Du sollst nicht aus einem Fahrzeug heraus töten. Du sollst kein Bandenmitglied angreifen, das mit seiner Familie unterwegs ist. Du sollst keinem Faustkampf ausweichen. Du sollst Blau tragen, nie Rot. Du sollst Abgaben an die M entrichten, in welcher Form auch immer die M sie von dir einfordert.

      Wenn ein Mitglied die Regeln und Gesetze nicht befolgt, macht die M seine gesamte Gang dafür verantwortlich. Bei einem schwerwiegenden Vergehen kann sie sogar »grünes Licht« geben, das heißt, die Todesstrafe verhängen. Von dem Moment an sind alle Banden des Systems El Sur verpflichtet, diese eine Bande zu bekämpfen. Zahlreiche Gangs wurden durch die Zähne des Systems El Sur zerfleischt, weil sie schwere Verstöße gegen den von der M aufgestellten Verhaltenskodex begangen hatten.

      Richard,

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