El Niño de Hollywood. Oscar Martínez
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Es war egal. Die Sinnlosigkeit des Krieges tat der Begeisterung keinen Abbruch, mit der General Medrano und seine Nationalgarde in San Salvador empfangen wurden, nachdem die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wie eine Mutter, die von ihren ungezogenen Kindern genervt ist, den Feindseligkeiten ein Ende gesetzt hatte. Der General führte den Triumphzug in Galauniform, Gewehr über der Schulter, auf einem schwarzen Maulesel an. Zu seinen und seiner Männer Ehren wurde die Straße, durch die sie zogen, auf den pompösen Namen getauft, den sie bis heute trägt: Bulevar de los Héroes (»Boulevard der Helden«). Es ist eine der wichtigsten Verkehrsadern der salvadorianischen Hauptstadt.
Daraufhin wurde General Chele Medrano zum starken Mann des Militärs und zum wichtigen Beschützer der Kaffeeplantagenbesitzer. Er modernisierte den Repressionsapparat und ergriff effektive Maßnahmen gegen mögliche Aufstände. Gardisten und Polizisten kannten sich bereits mit Folter aus. Sie hatten sie jahrzehntelang im Einsatz gegen die gewöhnliche Kriminalität angewendet, waren Experten darin, Banditen, Mörder und kleine Diebe unter Druck zu setzen. Fußtritte, die »Kalkkapuze« und natürlich der gefürchtete Wassereimer, der an die Hoden gehängt wurde, das waren ihre Methoden.
Doch diese Maßnahmen reichten in den Siebzigerjahren nicht mehr aus, um die aufständischen Gruppen zu bekämpfen. General Medrano wusste das, er war bei den US-amerikanischen Militärs in Asien in die Schule gegangen und hatte viel gelernt. Er war es, der den ersten richtigen militärischen Geheimdienst gründete: die Agencia Nacional de Seguridad Salvadoreña (ANSESAL). Und er schuf ein Netz von Informanten unter den Bauern, den Ohren der Armee: die Organización Democrática Nacionalista (ORDEN). An die Spitze des neu gegründeten Geheimdienstes stellte er einen Mann seines Vertrauens, einen jungen Offizier, der mit ihm gegen die Honduraner gekämpft und sich durch seine Intelligenz und seine große Brutalität hervorgetan hatte. Es handelte sich um den dreißigjährigen Roberto D’Aubuisson.
Gemeinsam bekämpften sie die Anfänge der Guerilla. Die Informationen der ANSESAL führten sie zum Aufenthaltsort Hunderter organisierter Bauern, der Priester der Basisgemeinden (das Modell der neuen, gerade in Mode gekommenen Theologie der Befreiung für ganz Lateinamerika), der Gewerkschaftsführer und linken Ideologen, die man später ermordet auf irgendwelchen Feldwegen fand, mit durchgeschnittener Kehle, die Atemwege verstopft von Kot und Urin, woran sie erstickt waren. Die Mission von General Chele Medrano und damit die der Streitkräfte war es, mit den Worten eines Guerilleros jener Jahre, »das Kind in der Wiege zu ermorden«. Mit dem Kind war die revolutionäre Bewegung gemeint. Und mit »ermorden« genau das. Doch das Kind wuchs heran, ging in die Berge und lud sein Gewehr.
Im März 1980 gab es eine winzige Hoffnung auf eine politische Lösung. Ein Jahr zuvor hatte eine Gruppe junger Militärs einen Staatsstreich verübt und eine revolutionäre Regierung aus Ökonomen, Doktoren, Politikern und Militärs gebildet. Der damalige Erzbischof von San Salvador, Monseñor Óscar Arnulfo Romero, forderte die Massen auf, Ruhe zu bewahren. Er hatte Vertrauen zu der bürgerlich-militärischen Junta. Und die Massen hatten Vertrauen zu diesem außergewöhnlichen Erzbischof, der zu ihnen in die Gemeinden und Siedlungen kam und von der Kanzel der Kathedrale der Hauptstadt herab die staatlichen Übergriffe verurteilte.
Doch El Salvador ist ein Land abrupter Wendungen. Was heute eine glatte, gerade Straße ist, kann morgen eine Piste voller Schlaglöcher und enger Kurven sein, die das Lenkrad zittern lässt. Eine dieser überraschenden Wendungen ging mit General Chele Medrano vor sich. Er verliebte sich in ein Hippie-Mädchen, eine hübsche, reiche junge Frau, die, einen Joint in der Hand, in ihrem offenen Mercedes-Benz durch die Straßen von San Salvador fuhr. Sie war die Tochter von Ernesto Interiano, einem berüchtigten Banditen der Dreißigerjahre, den die Regierung von General Maximiliano Hernández Martínez ermorden ließ, demselben General, der die aufständischen Ureinwohner im Westen hatte umbringen lassen. Das Hippie-Mädchen hieß Miriam Interiano. General Medrano verließ die Armee, gab sich dem Boheme-Leben und Miriam Interiano hin und wurde schließlich vor seinem Haus in San Salvador von der Guerilla aus dem Hinterhalt ermordet. So endete der kurvige Lebensweg des gefürchteten Generals, aber nicht der seines Vertrauten.
Die Verantwortung für die Organisation des Kampfes gegen die Aufständischen ging wie selbstverständlich auf Roberto D’Aubuisson über, General Chele Medranos Musterschüler. Er hatte seine militärische Laufbahn als Mayor, einem mittleren Rang auf der Befehlsebene, inzwischen beendet. Nach dem Staatsstreich und der Einsetzung der bürgerlich-militärischen Junta 1979 war er überzeugt, dass das Ganze eine Verschwörung der Kommunisten war, um die Macht an sich zu reißen. Tatsächlich roch für Mayor D’Aubuisson damals alles, einschließlich gewisser politischer Maßnahmen der Vereinigten Staaten, nach Kommunismus. In D’Aubuissons fiebrigem Hirn verband sich vor allem eine Person mit dem ungebremsten Vormarsch der »kommunistischen Banden«: Erzbischof Romero.
Mit der Kugel, die am Nachmittag des 24. März 1980 während der Totenmesse für Doña Sara Meardi aus dem Gewehr eines Mörders kam, starb die Hoffnung auf eine politische Lösung des offenen sozialen Konflikts. Romero wurde ermordet, als er die Hostie über seinen Kopf erhob und sagte: »Möge dieser geschändete Leib und dieses für die Menschen vergossene Blut uns nähren, damit wir unseren Leib und unser Blut dem Leiden und dem Schmerz opfern, wie Christus es getan: nicht um seiner selbst willen, sondern um unserem Volk Gerechtigkeit und Frieden zu bringen. So lasset uns denn im Glauben und in der Hoffnung vereinen und für Doña Sarita und für uns beten.« In diesem Moment fiel der Schuss.
Während der Totenmesse für Erzbischof Romero schossen die Streitkräfte des Staates, wie zur Besiegelung der Kriegserklärung, erbarmungslos auf die Tausenden von Trauergästen, die sich vor der Kathedrale der Hauptstadt versammelt hatten. Der Krieg hatte begonnen. Die Ruhe vor dem Sturm war beendet. Die Salvadorianer waren bereit, zu kämpfen. Und El Salvador stürzte sich in den Abgrund.
So wie die Ermordung des Erzherzogs von Österreich, Franz Ferdinand, durch die Hand eines Extremisten im Jahre 1914 den ersten großen Krieg in Europa ausgelöst hatte, löste die vom Gefolgsmann der Rechten, Roberto D’Aubuisson, angeordnete Ermordung Monseñor Romeros die Katastrophe in El Salvador aus. Die Guerillagruppen stellten ihre Differenzen zurück und schlossen sich zu einer gemeinsamen Volksbefreiungsfront zusammen, dem Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional (FMLN). Der Staat seinerseits wurde von der neuen US-Regierung unter Präsident Ronald Reagan mit Waffen versorgt und rüstete damit fünf Eliteeinheiten aus, die von US-amerikanischen Militärberatern zu Tötungsmaschinen ausgebildet wurden. Zu Männern, die, was Gewalt betrifft, Rambo in den Schatten stellten.
Der Geheimdienst und die politische Repression blieben in den Händen der Nationalgarde und der beiden Polizeiverbände, doch den eigentlichen militärischen Kampf führte, zum ersten Mal, die salvadorianische Armee.
Der Norden des kleinen Landes wurde fast vollständig zum Rückzugsgebiet der Guerilla. Das Landesinnere war ununterbrochen umkämpft. Nur der Westen, der schmerzgeplagte, blutige Westen der Plantagenbesitzer El Salvadors, hielt sich weitgehend aus dem Konflikt heraus. Das Trauma, das die Gesellschaft nach dem Massaker an den Ureinwohnern