Im Dialog mit dem Körper. Susanne Kersig

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Im Dialog mit dem Körper - Susanne Kersig

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geschieht: Es wird entweder stärker, nimmt ab oder verwandelt sich in ein anderes Empfinden.Im Deutschen wurde der Begriff Felt Sense (etwa: »gefühlte Bedeutung«) beibehalten, da es sich um ein Kunstwort von Eugene Gendlin handelt, das deutlich mehr bezeichnet, als Sprache aussagen kann, und sich insofern schlecht übersetzen lässt.

      3 Wir begrüßen und benennen das, was wir wahrnehmen, und verweilen dann absichtslos dabei. Vielleicht tritt als Felt Sense ein Druck in der Magengegend auf. Diesen »Druck« nennt man einen Griff. Damit haben wir schon etwas vom Felt Sense, aber noch nicht seine ganze Bedeutung.

      4 Jetzt vergleichen wir die von selbst auftauchenden Symbole (Worte, Bilder, Gefühle, Körperempfindungen oder Bewegungen) mit dem inneren Erleben. Aus dem Wort »Druck« wird vielleicht eine Steinplatte, die erdrückend wirkt. Im Spüren und Symbolisieren findet der Kernprozess des Focusings statt.

      5 Wenn es stockt, können wir Fragen stellen, z. B.: Passt diese Steinplatte zu irgendetwas in meinem Leben? Gibt es etwas, das sich so ­erdrückend anfühlt wie diese Steinplatte? Plötzlich taucht die Erinnerung an eine kranke Schwester auf, auf die wir Rücksicht nehmen mussten. Wir erkennen, dass wir uns innerlich Heilung nicht vollständig erlauben, um die Schwester nicht noch mehr in den Schatten zu stellen. Diese Erkenntnis führt zu einer Erleichterung – dem Felt Shift. Wir atmen auf, die Steinplatte ist kaum noch spürbar. Ein Felt Shift ist ein körperlich gefühltes Aha-Erlebnis. Wenn aus dem Felt Sense eine Symbolisierung aufgetaucht ist, die zu unserem inneren Erleben passt, eine neue Erkenntnis oder Einsicht, atmen wir auf und der Felt Sense verändert sich fühlbar.

      6 Zum Schluss schauen wir, was es braucht, um die neue Erkenntnis anzunehmen und vor möglichen kritischen Stimmen zu schützen.

      Anwendungsmöglichkeiten von Focusing

      Das Focusing ist eine Methode der Therapie und Selbsthilfe, die man

       mit sich alleine durchführen kann. Dies ist die schwierigste Anwendungsform, denn hierbei muss man gleichzeitig focussieren und sich selbst begleiten. Die Gedanken können leicht abschweifen. Deshalb kann es hilfreich sein, sich während des Prozesses Stichworte zu machen.

       zu zweit, als partnerschaftliches Focusing: machen kann. Man schließt sich dabei mit einer Person zusammen, die möglichst ein wenig Focusing gelernt hat oder einfach eine gute Zuhörerin ist und durch ihre Aufmerksamkeit den Prozess begleitet. Dies ist die häufigste Anwendungsform des Focusings.

       als Form der Psychotherapie oder Beratung professionell anwenden kann: Hierzu braucht es eine Therapieausbildung in Focusing. Wie Sie einen geschulten Focusing-Therapeuten oder eine Therapeutin, finden lesen Sie bitte im Anhang des Buches.

       mit vielen anderen Methoden, wie zum Beispiel Homöopathie, Osteopathie, Kunsttherapie oder Alexandertechnik gut verbinden kann.

      Die vorgeschlagenen Körperdialoge können Sie also entweder allein durchführen oder mithilfe eines (Focusing-) Partners oder eines gelernten Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin. Je nachdem, wie gut Sie sich selbst oder wie gut Ihr Partner bzw. Ihre Therapeutin zuhören und begleiten können, wird Ihr Prozess an Tiefe gewinnen. Für den Kernprozess »Focusing über ein Symptom« in Kapitel 8 empfehle ich auf alle Fälle, sich kompetent begleiten zu lassen. Dieser Prozess ist in der Regel zu komplex, um ihn allein durchzuführen.

      Da das Focusing ein natürlicher Prozess ist, können Sie die Körper­dialoge oder Elemente aus den Körperdialogen auch mit anderen Methoden, die Sie bereits kennen, verbinden. Voraussetzung ist, dass Sie die Haltung der inneren Achtsamkeit und Absichtslosigkeit dabei nicht verlassen und dass Sie aus dem eigenen Felt Sense heraus handeln, wie ich es in Kapitel 10 näher erläutert habe.

      Unser Körper: Maschine oder wissender Organismus?

      »Ich habe Körperingenieurs-Wissenschaft studiert«, seufzt unser Nachbar, ein junger, engagierter, vom Medizinbetrieb jedoch desillusionierter Psychiater und lässt die Schultern hängen. Das Modell des Körpers als einer Maschine beeinflusst immer noch unser vorherrschendes Medizinsystem. Der Philosoph René Descartes (1556 -1650) schrieb in seiner Abhandlung über den Menschen, der Mensch gleiche einer Maschine, sein Herz zum Beispiel wie ein Ofen funktioniere. Dieses Maschinenparadigma durchdringt unser medizinisches Verständnis vom Körper, Krankheit und Heilung erstaunlicherweise bis heute. Es hat in der westlichen Medizin ein enormes Detailwissen hervorgebracht sowie eine Akut-Medizin, die teilweise hervorragende Heilungserfolge vorweisen kann, von denen wir alle profitieren. Eine Schattenseite dieses Körperverständnisses ist aber, dass das große Detailwissen nicht wieder zu einem ganzheitlichen Bild zusammengefügt wird. Der Mensch wird häufig nicht in seiner körperlich, geistigen und sozialen Gesamtheit gesehen, er steht paradoxerweise auch gar nicht immer im Mittelpunkt der Behandlung.

      Bei einem solchen Körperverständnis findet außerdem die wichtigste Heilkraft, die wir haben, die Kraft zur Selbstheilung und das innere Wissen um Heilung, zu wenig Beachtung. Eine Maschine kann sich nicht selbst heilen, sie muss von außen geheilt bzw. repariert werden. Obwohl dieses reduzierte Körperverständnis einerseits durch das Fachgebiet der Psychosomatik und andererseits durch die Erkenntnisse der Neurowissenschaften auch wissenschaftlich als überholt gilt, sind immer noch weite Teile unseres Medizinbetriebs davon durchdrungen. Aus meiner Sicht liegt dies auch daran, dass die Pharmaindustrie, die Hersteller medizinischer Geräte und viele Klinikbetreiber an dem vorherrschenden Körpermodell und der daraus resultierenden Medizin großen Profit ziehen und ihre wirtschaftlichen Interessen machtvoll in der Gesundheitspolitik geltend machen.

      Die psychosomatische Medizin vertritt seit Jahrzehnten ein ganzheitlicheres Verständnis des Körpers, des Menschen und seiner Erkrankungen. Sie hat auch die subjektive Seite einer Erkrankung, die Gegenstand dieses Buches ist, in die Medizin eingeführt. Sie steht für eine patientenorientierte, integrierte Medizin, bei der der Mensch und nicht die Krankheit im Mittelpunkt steht. Ihr Ziel, eine solche Medizin flächendeckend zu etablieren, ist bislang nur in Ansätzen gelungen. Wichtig ist, dass man heutzutage mit dem Begriff »psychosomatisch« nicht mehr meint, eine Krankheit sei seelisch bedingt. Dies würde dem alten Leib-Seele-Dualismus und einem einfachen Ursache- Wirkungsdenken entsprechen. Stattdessen geht man bei der Krankheitsentstehung von einem hochkomplexen Zusammenspiel verschiedener Faktoren aus.

      Das ganzheitliche Verständnis der psychosomatischen Medizin wird nun von den Erkenntnissen der modernen Neuro- Wissenschaften bestätigt. Diese zeigen, dass Körper und Geist nicht zweierlei, sondern eins sind, verschiedene Seiten der gleichen Medaille. Durch bildgebende Verfahren, die uns seit den 90er Jahren erlauben, einen Blick in unser inneres Gehirn zu werfen, wissen wir, dass Gedanken Einfluss auf das Gehirn und den Körper haben. Mentale Aktivitäten wie zum Beispiel Kopfrechnen, Meditation oder Imaginationen korrelieren unmittelbar mit materieller, neuronaler Aktivität im Gehirn. Was durch unseren Geist strömt, verändert auch die »Hardware« unseres Gehirns. Wenn zum Beispiel Probanden eine Fingerübung auf einer Klaviatur einüben, dann vergrößern sich die für diese Finger zuständigen Areale im Gehirn. Dies geschieht erstaunlicher Weise auch dann, wenn die Fingerübungen nur in der Vorstellung durchgeführt werden! (Rüegg 2010) Auch Fühlen und Denken sind untrennbar miteinander verbunden. Ein Lächeln, das wir bewusst entstehen lassen, führt zu einer freundlicheren inneren Stimmung und freundlicheren Gedanken. Eine bestimmte Art zu atmen beruhigt unseren Gemütszustand. Wir können also allein durch Vorstellungsbilder Körperfunktionen positiv beeinflussen. Hinzu kommt, dass wir in einer sich ständig wechselseitig prägenden Interaktion mit unserer Umwelt stehen.

      Es liegt nahe, dass wir Körper, Geist und letztlich auch Umwelt nicht mehr getrennt voneinander denken und behandeln, sondern als Einheit. ein Paradigma vom Körper, das ihn in seiner Gesamtheit betrachtet

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