Essentielles Sein. A.H. Almaas

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Essentielles Sein - A.H. Almaas

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und jetzt ist da eine andere Erfahrung. Was läßt euch denken, daß sie das ist, was ihr seid? In ein paar Augenblicken werdet ihr wieder etwas anderes erfahren.

      Zum Beispiel sagt ihr vielleicht: „Ich bin zur Zeit wirklich unglücklich“ oder „Ich bin wütend“. Was meint ihr? Sind diese Aussagen korrekt? Gibt es ein „Ich“, das diese Dinge fühlt? Ja, euer Körper hat Gefühle und Empfindungen von Unglücklichsein, und euer Kopf (mind) hat Vorstellungen und Assoziationen von Unglücklichsein, aber warum glaubt ihr, daß ihr selbst unglücklich seid? Vielleicht denkt ihr, daß ihr eure Gefühle seid. Seid ihr wirklich wütend oder seid ihr einfach einer Wut im Körper und in eurem Geist (mind) gewahr? Spekuliert nicht, schaut einfach das an, was da ist.

      Wir sehen also, daß ihr zu verschiedenen Zeiten einmal euren Körper, dann ein Gefühl, dann einen essentiellen Aspekt für euch selbst haltet. Euer Identitätsgefühl verändert dauernd sein Etikett. Wofür ihr euch haltet, verändert sich dauernd. Der Inhalt verändert sich, aber ihr sagt immer „ich“, als wäre das „Ich“ ein einziges Ding.

      Ist es möglich, des ganzen Prozesses gewahr zu sein? Ist es möglich, der Tatsache gewahr zu sein, daß ich jetzt mit meinem Körper identifiziert bin, jetzt mit einem Gedanken, jetzt mit einer Erinnerung, jetzt mit meinem Gefühl - des Prozesses der Verschiebung des Festmachens der Identität mal an diesem und mal an jenem gewahr zu sein? Wenn es das ist, was wir tun, warum es dann nicht erforschen?

      Bedeutet das, daß es kein „Ich“ gibt, daß es kein wirkliches Selbst gibt? Ist es nur eine Sache von Identifikation, von Festhalten an einer Sache nach der anderen ohne Kontinuität? Wenn das so ist, dann gibt es kein Selbst, kein Du und kein „Ich“, sondern nur Reihen von Ereignissen, von Sachen, an denen wir uns festmachen, und von Identifikationen. Das könnte die Antwort sein. Aber schauen wir, ob es andere Möglichkeiten gibt. Wir sehen, daß unser Gewahrsein, unser Bewußtsein sich ausdehnen und mehr und mehr umfassen kann.

      Wenn ihr euer Identitätsgefühl an etwas Bestimmtem festmacht – wie macht ihr das? Was geschieht dann wirklich? Wenn ihr das Gefühl habt, der Körper zu sein, dann durchdringt dieses Gefühl. Was tut ihr, das euch dazu bringt zu glauben, ihr selbst wäret der Körper? Warum nicht einfach empfinden, daß da ein Körper ist? Warum sagen „Ich bin mein Körper“? Was geschieht, wenn ihr sagt „Ich sitze und spreche“ statt „Ich bin eines Körpers gewahr, der sitzt und spricht“. Was geschieht da? Und ihr macht dasselbe mit eurer persönlichen Geschichte, mit eurem psychologischen Gefühl von Identität. Warum nicht sagen „Ja, da ist eine Wahrnehmung“ oder „Da ist eine Erinnerung“ statt zu sagen „Das bin ich“?

      Wie vollzieht sich diese Identifikation? Wir müssen den Prozeß des Anhaftens an etwas (attachment) beobachten. Wir müssen den Prozeß des Etikettierens beobachten. Wenn wir diese Fragen untersuchen, dann finden wir einen gedanklichen Prozeß, der mit Konzepten arbeitet. Es gibt ein Konzept eines Selbst, einer Identität, und wir meinen, daß wir das brauchen. Es gibt auch Spannungen im Körper, die diesen gedanklichen Prozeß begleiten. Und die Spannungen in unserem Körper, der gedankliche Prozeß und die Empfindung des Anhaftens an unserer Identität gehören zusammen; sie sind untrennbar.

      Nun ist es möglich, dieses gedanklichen Prozesses und des Prozesses des Festhaltens und damit des Spannungsmusters im Körper gewahr zu sein, ohne irgendetwas ändern zu müssen. Statt uns durch diese Gedanken, Spannungen und Empfindungen zu definieren, warum sie nicht als eine Totalität, als ein Bewußtsein (awareness) anschauen, statt als eine Begrenzung oder Selbstdefinition? So daß ein Bewußtsein da ist, das die Gedankenprozesse und Assoziationen – physische wie emotionale – beobachtet, aber nicht notwendigerweise in sie verwickelt ist. Was kann die Totalität unserer gedanklichen Prozesse, die Spannungen im Körper, die Emotionen, den Körper an sich, die persönliche Geschichte, einfach alles anschauen? Was ist das, was schauen kann? Was kann all das umfassen?

      Es geht nicht darum, darüber nachzudenken. Wenn ihr darüber nachdenkt, dann seid dessen gewahr, daß ihr darüber nachdenkt. Es geht nicht darum, es zu visualisieren. Wenn ihr anfangt zu visualisieren, dann seid des Versuchs zu visualisieren gewahr. Und indem ihr so eurem Gewahrsein (awareness) folgt, werdet ihr sehen, daß es euch deshalb nicht möglich ist, der Totalität gewahr zu sein, weil es Gedanken gibt, mit denen ihr beschäftigt seid. Ihr steckt in bestimmten Gedanken, in bestimmten Spannungen fest, die euch mitten in der ganzen Sache festhalten. Ich fordere euch nicht auf, das anzuschauen, was schaut, sondern euch einfach aller Dinge auf einmal gewahr zu sein - der Totalität. Auch des Teiles, der schauen möchte - ist es ein Gedanke, eine Spannung im Körper, eine Erinnerung?

      Ist es möglich, nicht nur euch selbst zum gegenwärtigen Zeitpunkt anzuschauen, sondern die gesamte Zeitspanne, euer ganzes Leben? Ist es möglich eine allgemeines Empfinden davon zu haben, daß es ein ganzes Leben gibt, das vom Anfang bis jetzt Kontinuität hat? Was ist das, das all das umfaßt?

      Könnt ihr euch aus dieser Geschichte lösen, aus eurer Identifikation, welche das auch gerade sein mag, indem ihr der Identifikation gewahr seid? Identifiziert ihr euch in diesem Moment mit dem Teil von euch, der wissen möchte, was ich sage? Wenn ihr dessen gewahr seid, kommt euer Gewahrsein der gesamten Situation aus dem Inneren eures Körpers? Gibt es etwas in eurem Körper, das hinausschaut? Wenn eure Aufmerksamkeit aus dem Inneren eures Körpers schaut, ist es dann möglich, euch davon zu lösen, gewahr zu sein, daß ihr daran festhaltet, in eurem Körper zu sein?

      Wenn wir diese Untersuchung fortsetzen, dann sehen wir, daß manche unserer Identifikationen durch unsere Vorstellungen von Zeit begrenzt sind und manche durch unsere Vorstellungen von Raum. Wir benutzen Raum und Zeit, um uns zu definieren. Muß das so sein? Was geschieht, wenn ihr nicht Raum und Zeit benutzt, um euch zu definieren? Wenn ihr nicht eure persönliche Geschichte benutzt? Wenn ihr nicht eure Vorstellungen von Innen, Außen, Groß, Klein und so weiter benutzt? Was wenn ihr einfach der Bewegung gewahr seid, die darin besteht, euch auf etwas innerhalb eures Körpers einzuschränken, wenn ihr gewahr seid, wie ihr euch groß oder klein macht, innerhalb oder außerhalb eures Körpers ansiedelt?

      Eure Gedanken rasen jetzt vielleicht. Seid des gedanklichen Prozesses gewahr. Dies ist keine Sache des Denkens; der Gedankenprozeß wird von eurer persönlichen Geschichte bestimmt. Aber es ist möglich, dessen gewahr zu sein, worüber wir sprechen. Wenn ihr also nicht versucht, eine Identität zu erfinden, indem ihr euren Körper benutzt, indem ihr eure Gefühle, Gedanken, Erinnerungen oder die Vorstellung von Raum und Zeit benutzt, was geschieht dann?

      Es geht hier nicht darum, etwas dadurch zu wissen, daß man in der Lage ist, es zu benennen. Es geht darum, einfach dessen gewahr zu sein, worüber wir sprechen. Ihr braucht keine Entscheidungen zu treffen, ihr braucht euch an nichts zu erinnern. Ihr braucht nichts von der Arbeit, die ihr in der Vergangenheit getan habt. Ihr braucht gar nichts. Wir betrachten einfach die Situation in diesem Moment. Es geht nicht darum, euch von etwas zu befreien, es geht nicht darum etwas zu tun. Es geht nicht darum, eine bestimmte Erfahrung zu machen. Wir untersuchen, was ihr meint, wenn ihr „ich“ sagt.

      Wenn wir dies alles jetzt sehen, bleibt dann immer noch ein Empfinden von „ich“ übrig? Woran macht ihr das „Ich“ in diesem Moment fest? Und wenn ihr das „Ich“ an nichts festmacht, könnt ihr dann die Totalität eures Universums sehen - alles was ihr jemals gedacht, gefühlt, erfahren, euch vorgestellt habt, all das zusammen und auf einmal? Könnt ihr das ganze Universum sehen, für das ihr euch haltet?

      Ihr steckt euch selbst in eine Form, in eine Schachtel, und die begrenzt euch. Wenn ihr die Schachtel von allen Seiten betrachten könnt, dann seid ihr offensichtlich nicht das, was in der Schachtel ist. Vermögt ihr diese Wahrnehmung zuzulassen, dann könntet ihr vielleicht sehen, daß ihr mehr seid als all das, daß ihr über all das hinausgeht. Ihr seht dann vielleicht, daß euer Universum euch nicht definiert und euch nicht definieren darf. In dem Moment, in dem ihr von diesem Universum oder von einem Inhalt darin definiert seid, sitzt ihr in der Falle. Ihr seid mittendrin, ihr seid in ihm. Ihr seid all den Kräften innerhalb dieses persönlichen

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