Essentielles Sein. A.H. Almaas

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Essentielles Sein - A.H. Almaas

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mit denen ich umzugehen habe.

      AH: Richtig. Du definierst dich als ein Mensch, der Probleme hat und Urlaub von seinen Problemen machen muß. Du tauschst also eine persönliche Geschichte gegen eine andere aus. Das löst die Probleme nicht, führt aber im Moment zu einer gewisse Erleichterung.

      All diese Versuche, einschließlich der inneren Arbeit, sind einfach ein Neuordnen persönlicher Geschichte, damit wir sie als eine Totalität sehen können. Meistens ist unsere persönliche Geschichte so arrangiert, daß wir vollkommen in sie verwickelt sind. Wenn wir die innere Arbeit tun, ordnen wir die Teile neu, damit wir sie anschauen können. Wenn ihr sie anschaut, dann ist es möglich, über sie hinaus zu schauen.

      Die innere Arbeit hilft euch, die Teile zu sehen, und je mehr ihr das tut, desto größer werden die Teile, die ihr seht, desto größer ist das Bild, das ihr seht – bis ihr die ganze Sache sehen könnt. Wenn das geschieht, dann ist es möglich zu sehen, daß es etwas jenseits all dieser Dinge gibt.

      S: Ich denke, ich bin zu der inneren Arbeit gekommen, um meiner Klaustrophobie und meiner Festgefahrenheit zu entkommen.

      AH: Du möchtest wieder freikommen, oder? Aber wenn du freikommen willst, dann definierst du dich als Mensch, der festgefahren ist. Wenn du dich selbst als jemanden siehst, der feststeckt, dann bewirkt vielleicht gerade das, daß du feststeckst. Es ist Teil der persönlichen Geschichte - jemand zu sein, der feststeckt. Ich behaupte nicht, daß du dich nicht so fühlst. Ich sage nur, betrachte es anders.

      S: Meinst du, daß immer, wenn man eine Totalität sieht, diese zu einem weiteren Teil wird, und daß immer, wenn man diesen Teil sieht, er sich wieder ausdehnt?

      AH: Nein, nicht unbedingt. Ich sage, daß du immer, wenn du eine Totalität definierst, über sie hinausgehst. Wenn du das, was darüber hinaus ist, definierst, dann kannst darüber hinausgehen; aber „darüber hinaus“ bedeutet nicht definiert.

      S: Ich kann mir nicht vorstellen, „darüber hinauszugehen“, solange ich nicht sterbe. Für mich geschieht all das, wovon du sprichst, Menschen, wenn sie sterben und ihren Körper verlassen.

      AH: Das heißt, du identifizierst dich mit deinem Körper, oder? Weil du sagst: „... solange ich nicht sterbe.“ Aber was ist das, was stirbt? Verstehst du? Sieh also einfach, daß du dich mit deinem Körper identifizierst, und deshalb hast du das Gefühl, nicht darüber hinausgehen zu können. Ich behaupte, daß es möglich ist, die Identifizierung zu lösen, ohne zu sterben.

      Mit der Rede ist das so eine Sache. Ihr müßt auf eure Rede achten, weil sie eine Falle sein kann. Wenn ihr glaubt, was ihr sagt, dann sitzt ihr in der Falle. In dem Moment, in dem ihr sagt „... solange ich nicht sterbe“ und das glaubt, seid ihr gefangen. Ihr denkt vom Körper aus. Natürlich müßt ihr euren Namen, euer Geburtsdatum und so weiter benutzen – aus praktischen Gründen. Aber das ist der einzige Grund, aus dem ihr eine Identität braucht. Man braucht sie nicht psychologisch. Und ihr braucht sie nicht für eure Existenz.

      S: Wozu ist es gut, wenn ich herausfinde, wer ich bin? Warum auch nur den Versuch machen, das zu tun?

      AH: Das wirkliche Selbst hat nichts davon; es ändert das wirkliche Selbst nicht. Aber für den Verstand spielt es eine große Rolle, weil der nicht ruhen kann, bis er die Antwort hat. Für mich spielt es keine Rolle, ob ich mich kenne, weil das wirkliche Selbst immer da ist. Aber für meinen Körper und meinen Geist (mind) gibt es mehr Ruhe, gibt es mehr Frieden, gibt es mehr Lust und mehr Entspannung, wenn ein Wissen (knowingness) da ist, daß ich jenseits von all dem bin.

      Ob es für irgendetwas gut ist, ist vollkommen irrelevant. Die Frage stellt sich aufgrund der einfachen Tatsache, daß ihr nicht wißt. Diese Frage ist eine Aussage, und die Aussage lautet, daß ihr nicht wißt, wer ihr seid. Ihr könnt nicht nicht wissen, wer ihr seid, und nicht diese Frage stellen. Es ist unmöglich. Ihr könnt so tun, als wüßtet ihr, um die Frage für eine Weile zum Schweigen zu bringen, aber solange ihr nicht wißt, ist die Frage immer da. Wir versuchen oft, uns gegenüber der Unausgefülltheit, die mit der Frage verbunden ist, abzustumpfen. Aber das kann man nur um einen hohen Preis tun – eine Verminderung des Lebens.

      Die Leute würden die Frage abwürgen, sie zum Schweigen bringen. Es gibt zwei Motive hinter diesem Begehren: nicht leiden wollen, und das tiefere Motiv, daß die Frage beantwortet werden muß. Die Frage stellt sich, weil ihr die Antwort nicht wißt. Und sie wird sich weiter stellen, sie wird euch begleiten, bis sie beantwortet ist. Sie hat eine eigene Kraft. Das ist eine Tatsache, ein Naturgesetz. Das Fragen ist immer da, bis es schließlich keine Frage mehr gibt.

      Der Abgrund

      Jeder von uns hat ein zentrales Bedürfnis: in seinem Leben einen Sinn zu finden. Dieser Trieb liegt vielleicht nicht offen zutage, er ist vielleicht nicht einmal bewußt. Aber wenn ihr die Situation untersucht, dann werdet ihr den Einfluß dieses Triebes bei den meisten Aktivitäten und Sorgen in eurem Lebens erkennen. Philosophie, besonders die Philosophie des Zwanzigsten Jahrhunderts in Form des Existentialismus und der Phänomenologie, befaßt sich zum großen Teil mit der Frage der Leere und der Sinnlosigkeit des Lebens. Ich glaube, daß dieses Interesse in der Philosophie – wie auch in der Literatur und den Künsten – ein zunehmendes allgemeines Bewußtsein des Sinnthemas widerspiegelt.

      Manchmal stellt ein Mensch den Sinn des Lebens ausdrücklich in Frage. Meistens aber sind die Menschen mit den Aktivitäten und Unternehmungen beschäftigt, die ihrem Leben vermeintlich Sinn und Bedeutung geben. Selten gelangen wir zu dem Punkt, in Frage zu stellen, weil wir gewöhnlich versuchen so zu tun, als wüßten wir die Antwort bereits. In der Hoffnung, daß sie ihrem Leben Sinn geben, kreieren die Menschen alle möglichen Ziele. Zu diesen Zielen gehören im allgemeinen Pläne, in der Zukunft etwas zu erreichen, wie zum Beispiel kreativ, erfolgreich und reich sein, reisen können, gewinnen und so weiter. Denkt an die Liedzeile: „What’s it all about, Alfie? Is it just for the moment we live?“ (“Und wozu das alles, Alfie? Ist das alles nur für den Moment, den wir leben?“) Vielleicht. Vielleicht leben wir nur für den Augenblick. Philosophie ist ein Versuch, diese Frage zu beantworten. Letztlich kann man Philosophie als die Wissenschaft vom Sinn sehen. Doch die Frage nach dem Sinn des Lebens ist nicht nur eine intellektuelle Übung. Wenn ein Mensch wirklich sein Leben in Frage stellt, dann fühlt sich das nicht intellektuell an. Es fühlt sich an, als hätte das Leben keinen Wert, keinen Sinn. Auch wenn wir uns dieses Themas nicht bewußt sind, haben wir dauernd damit zu tun, selbst bei unseren alltäglichen Aktivitäten. Auch wenn wir andere Sorgen haben, ist dieses Thema zentral und liegt unseren offensichtlicheren Sorgen oft zugrunde.

      Eine andere Möglichkeit, die Frage „Was ist der Sinn des Lebens?“ zu betrachten, könnte sein: „Was ist die Bedeutung des Lebens? Warum tue ich das, was ich jeden Tag tue? Wozu morgens aufwachen, auf die Toilette gehen, meine Zähne putzen, mich waschen, frühstücken, zur Arbeit gehen, mit Menschen sprechen, nachhause kommen, zu Abend essen, mich gut unterhalten, schlafen gehen? Jeden Tag mache ich diese Dinge. Wozu das alles? Ein Tag reicht, wenn ich diese Dinge kennenlernen will. Ich brauche nur einmal zu essen, um zu wissen, wie essen ist. Warum mache ich dann immer weiter? Was habe ich davon?“

      Ich stelle eine fundamentale Frage, damit ihr darüber nachdenkt und – wenn dieses Thema für euch aktuell wird – bei der Frage bleiben könnt, ohne sie mit einer oberflächlichen Antwort abzutun. Damit ein Mensch zu diesem Thema des Sinns gelangt, muß er in seinem Leben schon enttäuscht worden sein, entweder dadurch, daß er seine Ziele erreicht hat oder dadurch, daß er in seinen Träumen enttäuscht worden ist. „Meine Mutter wollte, daß ich einen Arzt heirate, und mein Vater wollte, daß ich Erfolg habe, und das habe ich erreicht. Ich habe zwei Kinder und alles, wovon ich geglaubt habe, daß ich es will. Aber nichts ist gelöst, ich fühle mich immer noch genauso. Ich warte immer noch, ich suche etwas. Ich habe die Dinge erreicht, die ich mir vorgenommen

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