CHANGES. Группа авторов

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ich möchte, aber nichts anfassen. Ich bewege mich in diesem etwas jüngeren Format als Individuum und lerne im Museum die Kunst einer sich selbst für objektiv haltenden Betrachtungsweise. Alles liegt so schön sauber und neutral vor mir, ein Fetisch mit zauberischer Wirkung, ein Ding, das Begehren auslöst und Macht ausübt. Die Öffnungszeiten überlassen es mir, wie lange ich am Ort dieser Nähe zum Begehrten bleibe, aber an jedem Fenster ist der Sensor einer Alarmanlage und in Sichtweite immer Personal. Formate, näher betrachtet, sind, ganz gleich, ob sie von Institutionen bereits adoptiert wurden oder nicht, immer Gesellschaftsschulen, immer freiwillige Trainingsstätten, in denen wir auf die Höhe des Neuen und seiner Sprache, Codes, Freuden und Tücken gelangen.

      Formate sind Mittel – sie verbinden den Einzelnen mit der Fülle von Gefühlen und Ideen, die scheinbar in den Werken schlummern, indem sie diese sacht aufwecken und in einen Zusammenhang mit der Architektur eines Gebäudes, der Blickrichtung und Perspektive der Gäste bringen. Formate wollen nie, dass wir nur das Eine sehen. Formate wollen binden und verbinden. Sie wollen, dass wir länger bleiben als nur für die eine Sache, und sie unterscheiden sich vom reinen Theaterrepertoire, das auch eine Fülle von Werken in eine Nachbarschaft bringt, dadurch, dass die Form des Formats eine andere ist als die des Werks, genauer gesagt: Wenn Werke immer die gleiche Form haben, zum Beispiel immer nur in der Guckkastenbühne spielen, dann bildet sich vielleicht ein Spielplan, aber kein Format, das über die Veranstaltungsform hinausweist. Denn nur das Format überschreitet die singuläre Form des Werks und bildet eine eigene Form.

      Genauso wie der nie verrinnende Strom neuer Stücke, Bilder, Skulpturen oder Kompositionen stoppt auch nie die Arbeit am Format, in dem sie erscheinen. Genau wie die Produktion der primären Werke ist auch die Entwicklung angemessener Formate eine zeitgenössische Leistung und Aufgabe. Temporäre Formate sind Vorverdauungsapparate dafür, was sich an Institutionen ändern wird – sie bringen die verschiedenen Weltstoffe entsprechend eines abweichenden Interesses oder Themas zusammen, um eine Erfahrung zu vermitteln, und dienen neuen Werken und Ideen, wenn diese aus den bekannten Ritualen hinausführen. Denn Formate, ob die unbemerkbar gewordenen Klassiker oder ihre temporären Begleiter, sind nützliche Vehikel, wenn es darum geht, die Aufmerksamkeit umzuleiten – vom Ritual und allem, was wir schon zu kennen glauben, auf das, was unerhört ist. Da Formate immer eine Gemeinschaft von Werken herstellen, können sie auch Aufmerksamkeit organisieren und von populären Stücken auf Unerwartetes lenken.

      Nicht alles, was im Folgenden aufgelistet wird, war im strengen Sinne ein neues Format, manches Festival ist inzwischen selbst schon zur Institution geworden, manches auch eher eine klassische Themenreihe. Aber die vielen „Rahmensetzungen“ in den letzten zehn Jahren, die hier angeführt werden, sind doch mehr als nur Begleitveranstaltungen größerer Einzelveranstaltungen und bearbeiten in ihrer oft sehr spezifischen Struktur immer wieder andere Suchbefehle. Insofern sind diese Festspielformate der letzten zehn Jahre auch eine kurze Geschichte vergänglicher Erfindungen und der Abriss einiger großer Themen des vergangenen Jahrzehnts – Identitätspolitik, Digitalisierungseffekte und die Frage, wie das Weltbild des postfossilen Kapitalismus aussehen könnte. Denn neue Formate sind die Formate des Neuen.

      FORMATE 2012–2021

      1, 2, 3

      10 DAYS OF IRANIAN CINEMA

      Mit einem Lang- und Kurzfilmprogramm aus historischen und aktuellen fiktiven und dokumentarischen Filmen richten die Berliner Festspiele mit diesem Online-Filmformat einen Blick auf die iranische Kinolandschaft. Die Reihe wird gerahmt von Gesprächen mit Filmemacher*innen wie Bahram Beyzai und Rakhshan Banietemad. Kuratorin des Programms ist Afsun Moshiry.

      10ER AUSWAHL

      Zehn bemerkenswerte Inszenierungen werden jedes Jahr von einer unabhängigen Kritiker*innenjury aus rund 400 Theaterarbeiten des deutschsprachigen Raums ausgewählt und im Mai im Haus der Berliner Festspiele und anderen Orten der Stadt gezeigt. Die 10er Auswahl stellt das Zentrum des Festivals dar, eine Einladung zum Theatertreffen ist mit überregionaler Anerkennung verbunden. Mit der Festivalausgabe 2020 führte das Theatertreffen eine Frauenquote von mindestens 50 Prozent in den Regiepositionen der 10er Auswahl ein.

      A

      ANTHONY BRAXTON’S SONIC GENOME

      Die immersive Durational Performance des Komponisten Anthony Braxton eröffnet mit über 60 Musiker*innen aus den USA, Berlin und Australien das Jazzfest Berlin 2019. Über einen Zeitraum von sechs Stunden beschäftigen sich parallel bis zu 15 Ensembles mit bis zu 300 Kompositionen aus der „Ghost Trance Music“-Epoche von Braxton, wobei sie von Werk zu Werk wechseln und auf das Spiel benachbarter Gruppen reagieren. Wie lebendige Organismen spalten sich die Gruppen auf, bewegen sich durch den Gropius Bau, schließen sich in anderen Besetzungen zusammen, verbinden sich zu kleinen Zellen oder zum dirigierten Großensemble. Auch die Besucher*innen bewegen sich frei im gesamten Raum des Gropius Baus inklusive seiner Ausstellungen und entscheiden selbst, welchen Zusammensetzungen sie zuhören möchten.

      ARENA – SPIELRAUM FÜR SPONTANE TANZKUNST!

      In einem Dancebattle, konzipiert und moderiert von nutrospektif – urbanes tanztheater kollektiv (Daniela Rodriguez Romero, Bahar Gökten, Yeliz Pazar), treten seit 2015 im Rahmen des Tanztreffens der Jugend jeweils zwei Tänzer*innen der eingeladenen Ensembles gemeinsam in die ARENA. Sie sind aufgefordert, auf unbekannte Musik aus verschiedenen Genres zu improvisieren, Bewegungsaufgaben umzusetzen und ihre kreativen Fähigkeiten in unterschiedlichen Konstellationen zu zeigen.

      ARTISTIC CITIZENSHIP

      Beim Künstler*innengipfel „Artistic Citizenship“, im Rahmen des Theatertreffens 2016 von Yvonne Büdenhölzer initiiert, begeben sich Alumni von Stückemarkt, Internationalem Forum und TT-Blog auf die Suche nach einer Gesellschaft der Zukunft. In Lectures und Workshops fragen sie nach dem Nutzen der Kunst für neue Sozialformen von „Citizenship“ und danach, wie die Rolle als Bürger*in in einem performativen Akt zu verändern wäre.

      B

      BE MY GUEST

      Im Rahmen des Programms „Be my Guest“ ist in den Jahren 2014 bis 2016 je ein*e Theaterfestivalkurator*in eingeladen, das Theatertreffen zu begleiten und zu reflektieren. Zum Ende des Theatertreffens spricht er*sie einer der ausgewählten Produktionen eine Einladung zum eigenen Festival aus.

      BPA AT GROPIUS STUDIOS

      In Anknüpfung an die Geschichte des Gropius Baus, der 1881 als Kunstgewerbemuseum und -schule mit zahlreichen Ateliers und Werkstätten eröffnet wurde, ermöglicht ein von Gropius Bau und BPA//Berlin program for artists gemeinsam mit Künstler*innen initiiertes Men- toring-Programm elf Künstler*innen, im Herbst 2020 die Räume des Gropius Baus als Ateliers zu nutzen und zugleich von dort aus ihre Arbeiten einer digitalen Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Grenzen zwischen Arbeits- und Ausstellungsraum werden dabei bewusst verwischt.

      BUNDESWETTBEWERBE

      Die vier Nachwuchsformate der Berliner Festspiele – Theatertreffen der Jugend, Tanztreffen der Jugend, Treffen junger Autor*innen und Treffen junge Musik-Szene – bilden zusammen die Bundeswettbewerbe. Die Teilnehmer*innen der Treffen zeigen ihre künstlerischen Arbeiten vor Publikum und treten in Workshops und Aufführungsgesprächen in einen produktiven Austausch miteinander. Bis Frühjahr 2021 werden sie von Christina Schulz geleitet, dann übernimmt Susanne Chrudina.

      BURNING ISSUES MEETS THEATERTREFFEN

      Wie kann die Theaterwelt geschlechtergerecht und diverser gestaltet werden? In einer 2019 von Nicola Bramkamp, Yvonne Büdenhölzer, Lisa Jopt und Maria Nübling initiierten Konferenz forschen Burning Issues und das Theatertreffen zusammen

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