Transzendierende Immanenz. Manfred Bös

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Transzendierende Immanenz - Manfred Bös Orbis Romanicus

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Orientierung an den Naturwissenschaften. Sein Lösungsvorschlag ruft daher die Geisteswissenschaften auf, an deren Erfahrungen im Sinne der schon bekannten indirekten Fragestellung eine Antwort gelingen soll:

      Wie lässt sich die kulturphilosophische Seite des Problems so mit der naturphilosophischen innerlich verbinden, daß die Beantwortung in der einen Richtung die Antwort in der anderen von selbst mit sich führt?

      Das ist nur möglich, wenn wir die bisher geübte einseitige Beurteilung des ganzen Problems nach den Maßstäben des anschauenden Bewusstseins aufgeben und ihm, da auf dem alten Wege ein Weiterkommen unmöglich ist, das deutende Bewußtsein zugrunde legen, der Wirklichkeit der Sinne die Einheit des Sinnes.37

      Unser Verhältnis zu den Dingen der Welt lasse sich nicht auf die einfache Gegenwart der Dinge in unserem Bewusstsein reduzieren, sondern es gebe zugleich noch eine andere Weise unserer Verbundenheit mit der Welt, und diese sei das Verständnis.

      Gleichberechtigt mit dem präsentativen ist das repräsentative Bewusstsein, mit der Richtung auf Phänomene die Richtung auf Sinn und Bedeutung.38

      Mit diesem Schritt verlässt Plessner die schwankenden Untersuchungen der Psyche und unternimmt den Schritt ins Objektive, die „Formen der faktischen Kultur“39, in denen er einen Garant, ein Organon der geistigen Möglichkeiten des Menschen entdeckt. Damit auch tritt methodisch die Untersuchung in eine neue Phase ein und schreitet voran: von der prinzipiellen Beschreibung der Phänomene und deren Einordnung in das sich mitteilende Schema der Dreiteilung, in die Interpretation der vorliegenden Sinngehalte des Verständnisses mit ihrer Verkörperung in den Werken der Kultur. Plessner betritt mit dieser Kombination der wissenschaftlichen Verfahren sein ureigenes Terrain, das der hermeneutischen Phänomenologie:

      Allerdings wird Plessner dann hier im Rahmen seiner Hermeneutik des Lebens den rein deskriptiven Ansatz im Hinblick auf einen deskriptiv-hermeneutischen Ansatz im Sinne einer ‚hermeneutischen Phänomenologie‘ erweitern.40

      Im Unterschied zu Prietowicz sehe ich allerdings diese methodische Erweiterung schon hier in seiner Die Einheit der Sinne am Werk. Denn was ist die Einarbeitung der „Wesen und Arten des Verstehens“41 in das vorher ausgearbeitete Schema der Sinnesmodalitäten anderes, als eine Auslegung, also eine Interpretation, der Bedingungen der Möglichkeit eben jener Schemata, in denen die Gegenstände des Bewusstseins auftreten? Allerdings muss die deutende Phase dieser Analyse den Charakter der Evidenz besitzen, damit sie als Fundament und Bedingung der Möglichkeit des Erkenntnisaktes wirksam werden kann. Von daher bleibt vorerst das methodische Hauptgewicht auf der phänomenologischen Beschreibung des Gegenstandes, ganz im Sinne Plessners: „Unter dem Eindruck der Sache selbst, […] der Wahrnehmung eines Vorgangs muss jede empirische Forschung ihre Arbeit beginnen.“42 Nun handelt es sich aber bei der Untersuchung nicht um empirische Forschung, sondern um eine „normwissenschaftliche Untersuchung des menschlichen Geistes“43, womit auf der einen Seite der korrekten Aufnahme der Tatsachen sowie der kritischen Einordung dieser, auf der anderen der Legitimität der Methode Genüge getan wurde.

      Verständnis ist, ohne vom Dasein des Verstandenen abhängig zu sein, die Verbundenheit mit einem Sinngehalt durch das Vergegenwärtigen eines wie auch immer gearteten Inhalts in repräsentativer Form. […] Die repräsentative Haltung differenziert sich nach dem gleichen Prinzip wie die präsentative Anschauung.44

      Der antreffenden Anschauung wird nun das Schema als Form des Gehalts zugewiesen, der innewerdenden Anschauung, das Syntagma und der füllenden Anschauung das Thema. Ihnen werden jeweils Wissenschaft, Sprache und Schrift sowie Kunst als die kulturellen Gestalten zugeordnet, welche in ihrer spezifischen Ausprägung Exempla der Anwendung der Anschauungs- bzw. Auffassungsreihen darstellen. An ihnen lieβen sich in hervorragender Weise die „Möglichkeitsfundamente des konkreten verstehenden Bewusstseins, nicht Inhaltselemente“45 ablesen. In Mathematik, Sprache und Schrift und Musik – genauer: absoluter Musik – als den reinen Ausprägungen für Handeln, Kundgabe und Ausdruck finde die Einteilung des Sinnenverstehens ihre exemplarischen Gegenstände:

      Stetig verengt sich bei konstant bleibender auffassender Haltung das geistige Blickfeld vom puren Erfassen der Anschauungsgehalte im Licht des bloßen „Als“ zur Auffassung „als etwas“ und zuletzt „als dieses“.46

      Thematisch werden Erscheinungen aller Dinge erfasst und „der synoptischen Kraft des Geistes kann nichts in der Welt, nicht er selbst Widerstand leisten.“47

      Sie treten damit unter die ästhetische Wertgebung des Gegensatzes vom Hässlichen und Schönen, ohne dass damit ein Etwas schon als ein bestimmtes Etwas erfasst wäre. Es bleibt bei der Vereinzelung der Erscheinung, die unterste Stufe der Sinngebung im reinen „Alscharakter“48 und der freien Deutung überlassen. Erst wenn die Stellvertretungsfunktion der syntagmatischen Stufe eintritt, Zeichen und Bedeutungen sich bemerkbar machten, werde die Erscheinung präzisiert, stelle zu ihrem Sinn sich ein Meinen mit ein, gehe über sie hinaus und weise doch wieder auf sie zurück. Auf dieser Stufe werde der Streit um Meinungen oder die Einhelligkeit intuitiv erfasst, sei nicht objektiv entscheidbar oder zwingend. Erst wenn die letzte Einschränkung der Beliebigkeit des Meinens auf der schematischen Stufe mit der Bestimmung des Begriffs erreicht sei, würden Urteile bestimmt, gehe die Freiheit der Deutung des Sinnes verloren. Erst dann, mit der Bestimmung des Erlebnisgegenstandes „als dieses“49, werde die Auseinandersetzung über wahr oder falsch objektiv entscheidbar. Diese stetige „Verengung des Blickfeldes der Auffassung des Bewusstseins“50, welche auch auf eine „immer größeren Eindeutigkeit des Sinnes und des Sinnverständnisses zustrebt“51, finde ihre Parallele im „Anwachsen der Gerichtetheit in der Bewegung“52. In thematischer Sinngebung forme der Schauspieler den Körper, verständlich für den Zuschauer, zu einem Ausdruck. Die „proportionierende Formung“53 des Leibes vergegenständliche den zu kommunizierenden Sinn. Die „stimmgebende Geste des Verlautens“54 stehe am Beginn der „syntagmatischen Sinnform des Bedeutens“55. Doch erst wenn Zeichenhaftigkeit erreicht werde, näherten wir uns der Sprache. Erst wenn mit den Zeichen ein gedachter Sinn verknüpft werden könne, komme Interindividualität ins Spiel, und neben den ursprünglichen Erscheinungen und Erlebnissen könne Sinn unabhängig von diesen kundgetan werden. Es werde eine Zwischenzone erkennbar, in welcher der Übergang vom echten Ausdruck – wie z.B. dem Schreck – in „stimmlicher Entladung einer Erregung“56 zum symbolischen Gebrauch eines akustisch geformten Zeichens sich überlappe. Plessner verweist dabei auf Herder und Humboldt, spricht sich jedoch gegen eine wie auch immer geartete Sprachursprungsthese z.B. aus einer Verlautung des erschrockenen Urmenschen aus. Vielmehr verweist er auf einen physiologisch-haptischen Zusammenhang zwischen Laut – sprich Stimmbänder und Atmung – und Gemütsbewegung hin, welcher sich neben der Geste und ob seiner Glieder- und Formbarkeit der künstlichen Symbolik leihe. Diese Charakteristik des sprachfähigen Materials, also Formbarkeit und Gliederbarkeit, ermögliche erst die präzisierende Funktion von Sprache und Schrift. Denn sie könne dem im „psychischen Sein“57 sich spiegelnden Erlebnis angepasst werden. Diese Tätigkeit wiederum, ihrerseits verstanden im Haltungsbild der Handlung, leite zur nächsten Stufe, der schematischen über, auf welcher der Gegenstand „als dieser“ begrifflich bestimmt „motivierte Bewegung“58 durch Entschluss ermögliche. Sei es, dass ein sprachlicher Ausdruck gesucht oder dass ein Zweck bestimmt werde, dem dann entsprechend motivierte Handlungen nachfolgten. Im besonderen Maße sei es die Technik, eine „Nutzanwendung wissenschaftlicher Einsichten“59, welche die entsprechende Haltung des Leibes auf einen genauen, in der Zukunft liegenden Gegenstand bestimme. Ermöglicht werde diese klare Zielgerichtetheit durch die Bestimmung dieses Gegenstandes und der Mittel zu seiner Erreichung als ein dieses. Verbindet man die in diesen Reihen zum Ausdruck kommenden Beziehungen „zwischen Sinn und Haltung, Geist und Leib“60, so kann man die „Verschmelzung“61 geistiger und sinnlicher Größen konstatieren: „Versinnlichung des Geistes, Vergeistigung des Sinnlichen nach einem neuen Gesetz, das auf unsere Frage nach der sinngemäßen Notwendigkeit unserer Sinnesorgane eine befriedigende Antwort erteilt.“62

      Der

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