Sprachenlernen und Kognition. Jörg-Matthias Roche

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Sprachenlernen und Kognition - Jörg-Matthias Roche Kompendium DaF/DaZ

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erkannt und nachher anhand von Implikaturen interpretiert werden. Dabei wird der gesamte konzeptuelle Inhalt aktiviert und es wird auf dieser Basis nach möglichen Interpretationen gesucht, die die pragmatischen Kriterien der kommunikativen Situation erfüllen. Demnach erfolgt der Zugang zu den relevanten Aspekten der Quellendomäne bei der Interpretation der Metaphern auf indirekte Weise. Demgegenüber stehen Ansätze wir der des direct access view von Gibbs (1994), die einen direkten Weg zum relevanten konzeptuellen Inhalt der Quellendomäne postulieren. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Konzepte der Quellendomäne sowohl über eine konkrete als auch über eine übertragene Bedeutung verfügen, so dass die Sprecherin oder der Sprecher beziehungsweise die Hörerin oder der Hörer direkt die eine oder andere Bedeutung aktiviert (vergleiche auch Glucksberg 2008). Demnach sollte die Verarbeitung einer Metapher nicht mehr Zeit in Anspruch nehmen als die Verarbeitung der konkreten Bedeutung. Beim Beispielsatz er frisst wie ein Schwein stehen Merkmale wie die Art des Essens von Schweinen für die übertragene Bedeutung der Quellendomäne (hier das Schwein) zur Verfügung. Weiterhin argumentieren Glucksberg, Newsome & Goldvarg (2001) im Rahmen ihres class-inclusion model, dass oft neue Subkategorien geschaffen werden, die in Abgrenzung zu den anderen Kategorien eine Bedeutung haben. Dabei werden irrelevante Aspekte der Quellendomäne nicht aktiviert (vergleiche auch Glucksberg 2008). In dem vorangehenden Beispielsatz werden beispielsweise verschiedene Arten von Essgewohnheiten vorausgesetzt, so dass nur diejenigen Merkmale vom Schwein aktiviert werden, die zur Interpretation der Metapher beitragen können. Bowdle & Gentner (2005) merken jedoch kritisch an, dass die metaphorische Bedeutung der Konzepte der Quellendomänen erst im Zusammenhang mit einer Zieldomäne geschaffen werden kann und dass die Quellendomänen daher nicht unbedingt eine metaphorische Bedeutung neben der konkreten Bedeutung besitzen. Eine Interaktion zwischen Quellen- und Zieldomäne ist vor allem für innovative Metaphern unabdingbar.

      Nach Giora (1999) können derartige Ansätze nur einen kleinen Teil der Verarbeitung von Metaphern erklären, unabhängig davon, welche Art von Zugang sie postulieren (Giora 1999: 240). Im Rahmen ihrer graded salience hypothesis geht die Autorin vielmehr davon aus, dass der Grad von Salienz eine zentrale Rolle spielt. Demnach wird die Salienz konkreter und metaphorischer Bedeutungen von Wörtern und Sätzen von Faktoren wie dem Konventionalitätsgrad, der Frequenz, dem Bekanntheitsgrad etc. mitbestimmt. So werden bei der Verarbeitung von Metaphern zunächst die salienten Bedeutungen eines Konzeptes aktiviert, auch wenn sie für den Kontext nicht relevant sind. Wenn aber die Metapher anhand der salienten Bedeutung der Quellendomäne nicht erschlossen werden kann, dann werden Kontextinformationen herangezogen. Giora (1999) merkt jedoch an, dass der Kontext eine begrenzte Rolle spielt: Obwohl der Kontext die zutreffende Bedeutung eines Konzeptes aktivieren kann, kann er die Aktivierung von salienten, nicht zutreffenden Bedeutungen nicht inhibieren. Dabei bezieht sich Giora auf Eye-Tracking-Studien (vergleiche Rayner, Pacht & Duffy 1994), die gezeigt haben, dass zweideutige Wörter länger fixiert werden als eindeutige Wörter, auch wenn ein kontextuelles Priming zur Aktivierung der weniger salienten Bedeutung dargeboten wurde. Diese Ergebnisse legen nahe, dass bei zweideutigen Wörtern der Kontext zwar die weniger saliente Bedeutung aktiviert, die saliente Bedeutung jedoch stets mitaktiviert ist. Dabei ist die längere Fixationszeit auf den zusätzlichen Zeitaufwand zur Disambiguierung und Reinterpretation des Wortes zurückzuführen.

      Im Unterschied zu Giora (1999) fokussiert die career of metaphor theory von Bowdle & Gentner (2005) die Entwicklung des Gebrauchs von Metaphern im Diskurs. Den Autoren zufolge spielt der Unterschied zwischen konventionellen und unkonventionellen Metaphern eine zentrale Rolle unabhängig davon, ob sie direkt oder indirekt verarbeitet werden. Dabei gehen Bowdle & Gentner (2005) davon aus, dass konventionelle Metaphern bereits vorhandene metaphorische Kategorien nutzen und daher leichter verarbeitet werden können, während unkonventionelle Metaphern zwingend durch Vergleichsprozesse zwischen Quellen- und Zieldomäne erschlossen werden. Die folgende Abbildung 2.5 zeigt, wie die verschiedenen Arten von Metaphern in der Regel unterschiedliche Verarbeitungsprozesse erfordern, die wiederum mit einem unterschiedlichen kognitiven Aufwand verbunden sind:

      

Abbildung 2.5:

      Die sogenannte career of metaphor nach Bowdle & Gentner (2005: 2009)

      Die Wahl des einen oder anderen Verarbeitungsprozesses hängt nach Bowdle & Gentner (2005) von anderen Faktoren wie der Salienz der konkreten Bedeutung (vergleiche auch graded salience hypothesis nach Giora 1999) und dem Kontext (vergleiche direct access view nach Gibbs 1994) ab. Der integrative Charakter dieser Theorie lässt sich an zwei Aspekten festmachen: Erstens lassen sich die eher traditionellen Vergleichsmodelle zur Verarbeitung von Metaphern (Quellen- und Zieldomäne werden miteinander verglichen und ihre Ähnlichkeiten herausgearbeitet) mit den Kategorisierungsmodellen (vergleiche class-inclusion model nach Glucksberg et al. 2001) vereinbaren; zweitens werden die unterschiedlichen Verarbeitungsstrategien in Abhängigkeit vom Konventionalitätsgrad der Metaphern (konventionelle, innovative und tote Metaphern) beschrieben.

      Weiterhin ist der Ansatz von Kövecses (2010; 2015) insofern als Ergänzung zur career metaphor theory anzusehen, als verschiedene Ebenen des Kontextes beschrieben werden, die besonders bei der Verarbeitung von innovativen Metaphern eine Rolle spielen. Bisher hatten sich die meisten Ansätze bei der Beschreibung des Kontextes auf den unmittelbaren linguistischen Kontext beschränkt. Kövecses (2010) differenziert jedoch zwischen den körperlichen Erfahrungen (Raum, Bewegung etc.) aus dem unmittelbaren physischen Kontext (physical environment), dem Diskurswissen, dem soziokulturellen Wissen (cultural context und immediate social setting) und dem linguistischen Kontext selbst. Vor allem bei innovativen Metaphern versuchen wir, Kohärenz auf allen Ebenen des Kontextes herzustellen. Da aber der Kontext gerade von Gespräch zu Gespräch variiert, variieren auch die Metaphern und sie erscheinen uns deswegen als neue Metaphern.

      Im Kontext des Fremdsprachenerwerbs weist die Verarbeitung von Metaphern jedoch einige besondere Merkmale auf. Ähnlich wie bei Gioras (1999) graded salience hypothesis, postuliert Cieślicka (2006), dass bei der Verarbeitung metaphorischer Ausdrücke in der L2 die konkrete Bedeutung der einzelnen Komponenten in der Regel eine höhere Salienz genießt und der Kontext eine relative Wichtigkeit hat (vergleiche auch Kecskes 2000). In dieser Hinsicht schlägt Liontas (2002) zwei Phasen der Verarbeitung von Metaphern in der L2 vor: Zuerst stellt der Lerner oft ohne Nutzung des Kontextes eine Reihe von Hypothesen zur Interpretation der Metapher auf. In einer zweiten Phase werden die verschiedenen Hypothesen entweder beibehalten oder verworfen je nachdem, wie kompatibel sie mit dem dargebotenen Kontext sind. Weiterhin stellten Littlemore & Low (2006b) fest, dass L2-Lerner zwar verschiedene Strategien zur Interpretation unbekannter Metaphern in der L2 einsetzen, der Erfolg der eingesetzten Strategien hängt jedoch mit dem Sprachniveau der Lerner stark zusammen. Besonders häufige Strategien, die von L2-Lernern zur Interpretation von Metaphern in der L2 verwendet wurden, sind die Analogiebildung, das bildliche Denken, die Erschließung aus dem Kontext, die Nutzung von primären Metaphern aus der L2 und der Transfer aus der L1 (vergleiche Azuma & Littlemore 2010; Azuma 2009). Die Tatsache, dass viele L2-Lerner unabhängig von ihrem Sprachniveau den Transfer aus der L1 als Strategie zur Interpretation von Metaphern in der L2 einsetzen, hat dazu geführt, dass sich immer mehr Studien mit der Erforschung des Einflusses der Unterschiede zwischen den Metaphern in der L2 und ihren L1-Äquivalenten beschäftigt haben. Einerseits haben einige Studien festgestellt, dass L2-Lerner die Metaphern in der L2 besser verarbeiten konnten, wenn sie aus linguistischer, konzeptueller und soziokultureller Sicht den L1-Äquivalenten ähnlich waren (vergleiche Charteris-Black 2002; Chen & Lai 2013). Andererseits zeigt eine neuere Studie von De Cock und Suñer (im Druck), dass die soziokulturellen und konzeptuellen Unterschiede nicht immer Schwierigkeiten bei der Interpretation von Metaphern bereiten und dass sie mit anderen Faktoren wie dem Kontext unterschiedlich interagieren. Dabei wurde davon ausgegangen, dass für die Verarbeitung konzeptueller Aspekte von Metaphern allgemeines Wissen über körperliche Erfahrungen verwendet wird und für die soziokulturellen Aspekte eher Wissen über das Wertesystem, die Geschichte, die sozialen und politischen Strukturen etc. Die Autoren stellten fest, dass die Darbietung eines

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