Sprachenlernen und Kognition. Jörg-Matthias Roche
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2.1 Bildschemata und Metaphorisierung
Im Fremdsprachenunterricht wird oft versucht, undurchsichtige Bereiche der Sprache anhand von bildhaften Darstellungen anschaulicher zu machen. Zu diesem Zweck werden zum Beispiel fliegende Satzteile zur Darstellung der Endverbstellung und farbliche Markierungen zur Unterscheidung der Kasusendungen eingesetzt. Obwohl sich viele Lehrkräfte einen Mehrwert davon versprechen, führen diese methodischen Unterrichtsmaßnahmen in den meisten Fällen lediglich zu einer leichteren Verdauung von Regelhaftigkeiten der Sprache, ihre Beliebigkeit und fehlende Kohärenz kann jedoch den Lernern nicht verborgen bleiben. In dieser Einheit soll daher der Frage nachgegangen werden, inwiefern sich die Sprache anhand von bildhaften Darstellungen beschreiben lässt. Zu diesem Zweck werden wir uns zunächst ansehen, in welcher Form sich die Nutzung bildhafter Konzepte in der Sprache manifestiert. Danach wird auf die Nutzung körperlicher Erfahrungen in der Metaphorisierung näher eingegangen. Schließlich werden wir uns mit Aspekten der Verarbeitung von Metaphern beschäftigen und daraus einige Konsequenzen für die Vermittlung einer metaphorischen Kompetenz im Unterrichtskontext formulieren.
Lernziele
In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie
die Rolle der Bildhaftigkeit in der Sprache beschreiben können;
die verschiedenen Arten von Metaphern erläutern können;
den Verarbeitungsprozess von Metaphern und die mitwirkenden Faktoren erklären können;
die Wichtigkeit der Metaphern im Fremdsprachenerwerb und Förderungsmöglichkeiten begründen können.
2.1.1 Bilder in der Sprache
Im ersten Kapitel haben Sie die wichtigsten Postulate der kognitiven Linguistik kennen gelernt. Unter anderem geht die kognitive Linguistik davon aus, dass Sprache mit der allgemeinen menschlichen Kognition eng verbunden ist (vergleiche Evans & Green 2006: 193). Das bedeutet also, dass sich viele Aspekte der Sprache und Grammatik anhand von Organisationsprinzipien der allgemeinen Perzeption sowie körperlicher Erfahrungen erklären lassen. So werden meteorologische Phänomene wie der Regen oder die Sonne im Deutschen vorwiegend als Behälter konzeptualisiert (im Regen, in der Sonne etc.), während sie in anderen Sprachen wie dem Spanischen oder Französischen als Entitäten über uns beschrieben werden (bajo el sol/bajo la lluvia; sous le soleil/sous la pluie). Andere Sprachen wie das Russische kombinieren sogar mehrere körperliche Erfahrungen zur Beschreibung desselben Phänomens: Neben der Konzeptualisierung der Sonne als Behälter können sich Sprecher des Russischen auch dafür entscheiden, die besonnte Oberfläche auf dem Boden zu profilieren (Russ. Я стою на солнце; Dt. ich stehe auf der Sonne). Es wird aber noch spannender, wenn Sie sich anschauen, wie systematisch bestimmte abstrakte Bereiche der Sprache von körperlichen Erfahrungen geprägt sind. So nutzen viele Ausdrücke beispielsweise die Vertikalität (OBEN, UNTEN), um Machverhältnisse zwischen Entitäten oder Personen zu beschreiben: Man steht unter Druck, leidet unter bestimmten Bedingungen oder steht unter Kontrolle, wenn man einer mächtigeren Person oder Entität ausgesetzt ist. Im Gegensatz dazu können die Personen oder Entitäten, die in einer mächtigeren Position sind oder sich einfach anderen gegenüber durchsetzen können, andere Personen oder Entitäten überwachen oder Schwierigkeiten überwinden. Andere Bereiche der Sprache wie die idiomatischen Redewendungen nutzen bildhafte Vorstellungen auf eine sehr offensichtliche Weise, wie zum Beispiel in den Sätzen: Der griechische Minister nimmt kein Blatt vor den Mund oder Die Parksituation in der Stadtmitte von München ist zum Mäuse melken. Jeder von uns erkennt sofort, dass die Ausdrücke im übertragenen Sinne zu verstehen sind, auch wenn wir uns dessen beim Sprechen oft nicht immer bewusst sind.
Solche körperlichen Erfahrungen und mentalen Bilder werden zwar in den verschiedenen Sprachen unterschiedlich verwendet, allen Sprachen ist jedoch der Prozess der Metaphorisierung gemeinsam, nach dem ein bestimmter konzeptueller Inhalt von einer Quellendomäne auf eine Zieldomäne übertragen wird (Lakoff & Johnson 1980; Roche & Roussy-Parent 2006). Oft sind die Quellendomänen konkrete Konzepte, wie zum Beispiel Druck, Kraft, Vertikalität etc., und die Zieldomänen abstrakte Konzepte, wie zum Beispiel die Teilnahme an einer Diskussion oder der Stresszustand wegen der vielen Abgabetermine. Die Projektionsrichtung wird als unidirektional von der Quellendomäne auf die Zieldomäne ausgerichtet verstanden, da die Quellendomäne stärker an die physikalische Erfahrung gebunden ist. Bei Metaphern handelt es sich nach Grady (2007: 188) nicht um rein linguistische Konventionen, sondern um konzeptuelle Assoziationen. Daraus lässt sich schließen, dass jeder Sprecher durch entsprechende konzeptuelle Prozesse neue Metaphern schaffen und bereits vorhandene weiter entwickeln kann. Von einem solchen kreativen Umgang mit Metaphern in der Fremdsprache zeugt der folgende Auszug eines Gesprächs zwischen verschiedenen Lernern des Englischen als Fremdsprache über ihre bisherigen Lernerfahrungen. Dabei wird die Metapher SPRACHENLERNEN IST EINTAUCHEN INS WASSER zugrunde gelegt und weiter elaboriert (Littlemore & Low 2006a: 279):
S1 | It is best for the students to be showered in a lot of English. |
S2 | But we don’t want to throw them in the water. |
S1 | We are not throwing them in the water, they are just in the shower. |
S2 | We need to get them used to the water before swimming. |
S1 | But grammar teaching is like sitting on the tatami mat, and not getting in the water. |
S3 | And there is few [sic] water in Japan, this is why the classroom atmosphere is more important. |
Metaphern sind also dynamisch und produktiv, und können sich in allerlei Kontexten als ein wichtiges Mittel zum Ausdruck komplexer abstrakter Sachverhalte erweisen. Da aber beim Verstehen solcher metaphorischen Elaborationen auch der soziokulturelle und der pragmatische Kontext eine wichtige Rolle spielen, kann ihre erfolgreiche Erschließung nicht alleine durch konzeptuelle Prozesse sichergestellt werden (vergleiche De Cock & Suñer im Druck; Kövecses 2015: 15; vergleiche auch Yu 2008). Vielmehr situieren sich unbekannte Metaphern auf einem Kontinuum, das einerseits aus universellen körperlichen Erfahrungen und andererseits aus kontextbedingter Variation besteht (vergleiche Kövecses 2015: 14; vergleiche auch Kövecses 2010). Für eine erfolgreiche Erschließung sollte also der konzeptuelle Inhalt der Metapher mit beiden Polen vereinbar sein. Wie die konzeptuellen Metaphern aber genau entstehen, soll im nächsten Abschnitt behandelt werden.
2.1.2 Wie funktioniert die Metaphorisierung?
Ursprünglich haben Lakoff & Johnson (1980) in ihrer konzeptuellen Metapherntheorie zwischen dem linguistischen Ausdruck der Metapher und der zugrunde liegenden konzeptuellen Metapher unterschieden: Während eine konzeptuelle Metapher das kognitive Mapping zwischen zwei konzeptuellen Domänen darstellt, bezieht sich die linguistische Metapher auf die konkrete Realisierung der konzeptuellen Metapher. So werden konzeptuelle Metaphern in der Regel nicht verbalisiert und sind daher nicht sichtbar, stellen jedoch das konzeptuelle Grundgerüst für die Erschließung der linguistischen Metaphern dar. Den folgenden zwei linguistischen Metaphern liegt beispielsweise die konzeptuelle Metapher EINE DISKUSSION IST EIN KRIEG zugrunde, auch wenn sie nicht explizit genannt wird.
(1) | Die Parlamentarier griffen die Kanzlerin wegen des Flüchtlingsdeals mit der Türkei an, aber sie konnte sich gut verteidigen. |
Wie Sie bestimmt schon gemerkt haben, sind nicht alle konzeptuellen Metaphern gleich. Manchmal werden körperliche Erfahrungen wie die Vertikalität verwendet