Sprachenlernen und Kognition. Jörg-Matthias Roche

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Sprachenlernen und Kognition - Jörg-Matthias Roche Kompendium DaF/DaZ

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Paul & Mendl (2004) beobachteten das Verhältnis zwischen dem Erlernen des Jonglierens und der lernbedingten Formbarkeit (Plastizität) des Gehirns. Sie verglichen eine Gruppe, die dabei war, das Jonglieren zu lernen, mit einer Gruppe, die nicht jonglieren konnte. Ihre Gehirne wurden vor dem Jongliertraining, drei Monate nach dessen Beginn und nach drei weiteren Monaten untersucht. Bei der ersten Untersuchung gab es keinen Unterschied zwischen den Gruppen bezüglich der Dichte der grauen Substanz, bei der zweiten Untersuchung gab es bei der Jongliergruppe im Vergleich zur vorherigen Messung eine signifikante, bilaterale Expansion der grauen Substanz im mittleren Bereich des Temporallappens und im linken hinteren sulcus intraparietalis. Dieser Unterschied vergrößerte sich nochmals in der Zeit nach dem zweiten Scan. In dieser Zeit jonglierten beiden Gruppen nicht. Die Plastizität war in den visuellen Bereichen ausgeprägter als in den motorischen Arealen, was womöglich mit den spezifischen Anforderungen der geübten Drei-Ball-Kaskade zusammenhängt. Die Frage ist nun: Ist auch das Erlernen einer Sprache eine Aufgabe, die strukturelle und funktionale Veränderungen im Gehirn hervorrufen kann? Diese Frage wurde bisher nur teilweise beantwortet.

      Die nächste Einheit beschäftigt sich mit den spezifischen neurologischen bildgebenden Verfahren, die verwendet werden, um zu erkennen, ob die Verwendung einer Zweit- oder Drittsprache zu Veränderungen im Gehirn führt.

      1.2.4 Zusammenfassung

       Die klassischen Sprachbereiche im Gehirn sind das Broca-Areal, das hauptsächlich für die Sprachproduktion zuständig ist, und das Wernicke-Areal, das hauptsächlich für das Sprachverständnis zuständig ist. Jüngere neurologische Untersuchungen schlagen allerdings differenziertere Erklärungen vor, wie zum Beispiel die Aufteilung zwischen Grammatik (Broca) und Bedeutung (Wernicke).

       Unterschiedliche Sprachen besitzen nicht jeweils einen eigenen Ort im Gehirn, sondern befinden sich in einzelnen Zell-Netzwerken innerhalb der bekannten Sprachbereiche im Gehirn.

       Bezogen auf wiederkehrende Muster beim Verlust und der Wiedererlangung (Restitution) verschiedener Sprachen gibt es fünf Muster:

       Parallele Restitution: Die Sprachen sind im gleichen Ausmaß gestört und werden gleichmäßig wiedererlangt.

       Differentielle Restitution: Die Sprachen sind in unterschiedlichem Maße gestört, aber die Wiedererlangung vollzieht sich dennoch in allen Sprachen.

       Sukzessive Restitution: Die Sprachen werden nacheinander wiedererworben.

       Selektive Restitution: Eine oder mehrere Sprachen bleiben dauerhaft gestört, während eine andere Sprache wiedererlangt wird.

       Antagonistische Restitution: Durch die Restitution einer Sprache verschlechtert sich eine andere.

      1.2.5 Aufgaben zur Wissenskontrolle

      1 Beschreiben Sie die Struktur des Gehirns. Welche Bereiche sind für die Sprachverarbeitung zuständig?

      2 Wie sind mehrere Sprachen im Gehirn dargestellt? Welche Untersuchungsergebnisse sprechen dafür?

      3 Welche Arten der Aphasie und der Wiedererlangung der Sprache gibt es? Welche Faktoren spielen hierbei eine Rolle?

      4 Welche Unterschiede zwischen bilingualer und multilingualer Aphasie konnten festgestellt werden?

      1.3 Die Untersuchung des mehrsprachigen Gehirns

      Kees de Bot (übersetzt von Simone Lackerbauer)

      Im 18. und 19. Jahrhundert haben Hirnforscher mit der Beschreibung unterschiedlicher Fälle begonnen, bei denen Schäden in bestimmten Gehirnarealen zu sehr spezifischen Sprachdefiziten führen können. Wie bereits in Einheit 1.2 erwähnt, waren die frühen anatomisch-klinischen Beobachtungen insofern bahnbrechend, da sie die speziellen Regionen für Sprachproduktion (Broca-Areal) und Verständnis (Wernicke-Areal) sichtbar machten. Leider war es den Forschern aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden Verfahren nur auf dem Autopsie-Tisch möglich, die Stellen der Gehirnläsionen zu untersuchen, d. h. erst nach dem Tod der Patienten und Patientinnen. Erst in den frühen 1970er Jahren sind bildgebende Verfahren entwickelt worden, die es Forschern ermöglichen, bestimmte Gehirnareale mit ihren Funktionen in Verbindung zu setzen, indem sie Bilder vom lebendigen Gehirn machen. Dabei wird zwischen struktureller und funktioneller Bildgebung unterschieden.

       Lernziele

      In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

       die Unterschiede zwischen den verschiedenen bildgebenden Verfahren erklären können;

       die grundlegenden Unterschiede zwischen der Verarbeitung der L1 und der L2 in Bezug auf die Struktur und die elektrische Aktivität des Gehirns aufzeigen können.

      1.3.1 Die Untersuchung anatomischer Unterschiede mittels struktureller Bildgebung

      Die ersten Neuroimaging-Studien verwendeten Verfahren der strukturellen Bildgebungstrukturelle Bildgebung, um die anatomische Struktur des Gehirns zu untersuchen und so mögliche strukturelle Abweichungen aufgrund von Tumoren zu diagnostizieren. Die ComputertomographieComputertomographie (CT) (CT) oder die computerisierte axiale Tomographie (CAT) werden zu diesem Zweck immer noch häufig verwendet: Sie stellen eine recht schnelle und (meist) nichtinvasive Möglichkeit dar, scheibenweise oder in manchen Fällen dreidimensionale Bilder des Gehirns zu produzieren. Mithilfe dieser Technik werden die konventionellen Röntgenbilder aus vielen verschiedenen Perspektiven kombiniert und zu Querschnittsansichten des Gehirns (oder des Körpers) zusammengefügt. Jedes Querschnittsbild steht für eine Scheibe und es kann digital eine Scheibe des Gehirns wie eine Scheibe Brot abgeschnitten werden, um hineinzusehen und die Struktur zu untersuchen (vergleiche Abbildung 1.4).

      

Abbildung 1.4:

      CT-Scan (Kurowski, Blumstein & Alexander 1996: 7)

      Der Proband, der gescannt werden soll, muss sich dafür auf einen horizontal fahrenden Tisch legen. Der liegende Körper wird daraufhin durch einen Detektorring geführt, der wie ein riesengroßer Donut aussieht. In diesem rotierenden Ring befindet sich auf der einen Seite eine Röntgenröhre und auf der anderen Seite ein Detektor. Während der Ring sich um den Kopf des Probanden beziehungsweise der Probandin bewegt, durchdringen die Röntgenstrahlen den Kopf des Probanden beziehungsweise der Probandin und erstellen dabei Bilder. Scans mittels eines Computertomographen funktionieren genauso wie konventionelle Röntgenmaschinen. Die meisten Menschen sind mit Röntgenbildern des Körpers vertraut, auf denen die Organe in Grautönen und die Knochen in mehr oder weniger opakem Weiß dargestellt sind. Das liegt daran, dass die verschiedenen Gewebearten die Röntgenstrahlen unterschiedlich stark absorbieren. Knochen absorbieren ziemlich viele Röntgenstrahlen, wohingegen Gewebe mit geringer Dichte, beispielsweise Organe, weniger Strahlung in sich aufnehmen, da eine große Menge der Strahlung diese Art von Gewebe einfach durchdringt. Auf Röntgen- und CT-Scans wird Gewebe mit hoher Dichte weiß dargestellt, Gewebe mit geringer Dichte in Grautönen und Luft ist schwarz. Gesundes Gehirngewebe sieht auf einem CT-Scan grau aus, wohingegen ein Gehirntumor oder eine stark erhöhte Blutmenge aufgrund einer Gehirnblutung normalerweise als weißes Areal auf dem CT-Scan auftaucht. Gehirnläsionen und Schlaganfälle führen hingegen zur Abnahme oder sogar zum Verlust von Gewebe. Deshalb erscheinen

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