Sprachenlernen und Kognition. Jörg-Matthias Roche

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Sprachenlernen und Kognition - Jörg-Matthias Roche Kompendium DaF/DaZ

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ähnliches, aber detaillierteres anatomisches Bild können wir mithilfe der Aufnahmen aus der Magnetresonanztomographie (MRT oder auch MRI) erhalten. Ein Magnetresonanztomograph ähnelt dem Computertomographen insoweit, als dass auch er aus einer horizontalen Röhre besteht, in der der Patient oder die Patientin still liegt, während das Bild angefertigt wird. Anders als bei CT-Scans ist die Röhre des MRI-Scanners oft ziemlich eng; das kann für Menschen unbehaglich werden, die unter Klaustrophobie leiden. M#RI-Scanner verwenden keine Röntgenstrahlen, sondern stattdessen Magnetismus, um ein dreidimensionales Bild vom lebenden Gehirn zu erstellen. Der Ring des MRI-Scanners beherbergt einen sehr starken Magneten. Deshalb dürfen sich Personen nicht in der Nähe der Maschine aufhalten, wenn sie metallische Objekte bei sich tragen oder sich metallische Objekte in ihrem Körper befinden.

      Der Magnet des Magnetresonanztomographen ist in der Lage, ein sehr starkes und stabiles magnetisches Feld von 0,5 bis 2,0 Tesla zu erzeugen (zum Vergleich: Das magnetische Feld der Erde hat nur ungefähr 50 Mikrotesla). Im Gehirn befinden sich Atome, die sich an dem magnetischen Feld ausrichten. Der Magnetresonanztomograph zielt mit Impulsen von Radiowellen auf das Gehirn und sorgt dafür, dass die Atome zeitweise durcheinandergeraten. Während sich die Atome neu ausrichten, geben sie Radiowellen ab, die aufgegriffen werden können, um daraus ein anatomisches Querschnittsbild zu erstellen.

      Eine typische MRI-Untersuchung ist für Patienten und Patientinnen weniger angenehm als ein CT-Scan. Dem Patienten oder der Patientin werden nicht nur alle metallischen Objekte entfernt, die er oder sie bei sich trägt. Er oder sie wird zusätzlich den eher lästigen und lauten Geräuschen während einer MRI-Untersuchung ausgesetzt, während er oder sie eine Stunde oder länger möglichst regungslos liegen muss. Trotzdem ziehen die meisten Neurologen und Neurologinnen die Magnetresonanztomographie der Computertomographie vor: Die Kontrastierung ist bei CT-Scans eingeschränkt und die Patienten und Patientinnen sind während eines CT-Scans einer größeren Strahlungsmenge ausgesetzt. Magnetresonanztomographie wird als die beste Methode dafür bezeichnet, wie in ein Gehirn oder einen Körper hineingesehen werden kann, ohne ihn aufschneiden zu müssen, denn die Magnetresonanztomographie kann zusätzlich den Unterschied zwischen grauer und weißer Substanz sichtbar machen. Graue Substanz besteht hauptsächlich aus Zellkörpern und wird größtenteils mit der Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen assoziiert. Weiße Substanz besteht hauptsächlich aus Nervenfasern (Axone). Sie sind von weißem Myelin bedeckt, das der Isolierung dient. Weiße Substanz ist deshalb hauptsächlich dafür zuständig, Signale von einer Gehirnregion in eine andere zu übertragen.

      In der Sprachforschung wird die strukturelle Bildgebung dazu verwendet, Gehirnstrukturen und Regionen zu lokalisieren, die Sprachfunktionen unterstützen. In einer typischen Studie werden unter Verwendung der strukturellen Bildgebung die Gehirnstrukturen (graue oder weiße Substanz) von unterschiedlichen Personengruppen verglichen, um herauszufinden, ob die jeweilige Gehirnstruktur mit Sprachfähigkeiten in Zusammenhang gebracht werden kann (Richardson & Price 2009). Mechelli, Grinion, Noppeney, O’Doherty, Ashburner, Frackowiak & Price (2004) untersuchten die Gehirne von mehrsprachigen Personen in einer voxel-basierten Morphologie-Studie. Sie haben eine Gruppe einsprachiger Probanden und Probandinnen mit einer Gruppe früher bilingualer Personen (Beginn des L2-Erwerbs mit weniger als fünf Jahren) und einer Gruppe später bilingualer Personen (Beginn des L2-Erwerbs zwischen zehn und 15 Jahren) verglichen. Ein zusätzliches Kriterium war, dass die erste Vergleichsgruppe die Sprache regelmäßig seit dem Erlernen verwendeten, wohingegen die späten Lerner die Sprache nur während der letzten fünf Jahre regelmäßig verwendet haben. In dem Forschungsbericht werden keine Informationen zur Art oder Häufigkeit der Verwendung oder zu den möglichen Auswirkungen von Unterschieden zwischen der L1 und der L2 erörtert. Doch die Ergebnisse dieser ersten Studie zeigen eine höhere Dichte der grauen Substanz im inferioren Parietalkortex bei den bilingualen im Vergleich zu den monolingualen Personen. Dieser Effekt ist bei den frühen bilingualen Probanden und Probandinnen stärker als bei den späten. In einer zweiten Studie untersuchten Mechelli et al. (2004) italienische Englischlerner mit unterschiedlichem Erwerbsbeginn (im Alter von zwei bis 34 Jahre) sowie mit unterschiedlichen L2-Kompetenzstufen. Eine sehr hohe positive Korrelation wurde zwischen der Dichte der grauen Substanz und dem Alter nachgewiesen, in dem der L2-Erwerb begonnen hatte. Das deutet darauf hin, dass es zu einer Verdichtung der grauen Substanz kommt, wenn eine Sprache erlernt wird. Diese Verdichtung geht mit zunehmendem Alter zurück.

      In einer aktuelleren Studie von Luk, Bialystok, Craik & Grady (2011) wurde eine spezielle Variante der strukturellen Bildgebung verwendet, um einsprachige mit mehrsprachigen älteren Erwachsenen zu vergleichen: die sogenannte Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI). Bei der DTI wird ein MRI-Scanner verwendet, der Schwerpunkt liegt jedoch auf der bildlichen Erfassung der Datenwege weißer Substanz im Gehirn. Die Daten zeigen, dass die weiße Substanz in der Gruppe der mehrsprachigen Personen in höherem Maße unversehrt vorliegt, insbesondere im corpus callosum (der Balken oder das Bündel der Nervenfasern, das beide Hemisphären verbindet). Das deutet darauf hin, dass die Strukturen der weißen Substanz im Alterungsprozess bei mehrsprachigen im Vergleich zu einsprachigen Personen besser erhalten bleiben.

      Green, Crinion & Price (2006) erörtern kurz eigene Ergebnisse aus Studien mit bi- und multilingualen Personen. Dabei erwähnen sie, dass »preliminary analyses indicate an area in the left parietal context that shows a significant effect of the number of languages spoken« (Green et al. 2006: 116). Auf der Grundlage der besprochenen Literatur und ihrer eigenen Erkenntnisse schließen sie darauf, dass der Erwerb einer zweiten Sprache zu strukturellen Veränderungen im Gehirn führt, insbesondere zur weiteren Entwicklung der grauen Substanz oder zur Zunahme von grauer Substanz in bestimmten Bereichen.

      In Kombination deuten die Studien darauf hin, dass der L2-Erwerb vor allem im jungen Alter zu einer Zunahme der grauen Substanz führt (zumindest in bestimmten Gehirnregionen) und zur Verbesserung des Zustands der weißen Substanz im alternden Gehirn. Es wird vermutet, dass die ständigen kognitiven Übungen aufgrund von Mehrsprachigkeit (zum Beispiel Sprachenwechsel) für das alternde Gehirn von Vorteil sind. Es hat sich herausgestellt, dass das mehrsprachige Gehirn besser bei der Bewältigung bestimmter exekutiver Aufgaben ist. Außerdem stellt sich heraus, dass bei mehrsprachigen Personen Demenz in einem höheren Alter diagnostiziert wird als bei einsprachigen Personen (Bialystok, Craik & Freedman, 2007). Abschließend lässt sich sagen, dass das Gehirn einerseits die Variationsmöglichkeiten beim Zweitsprachenerwerb einschränkt. Andererseits ist das Gehirn plastisch und durch bestimmte Erfahrungen veränderbar. Die Grenzen sowohl der Einschränkungen als auch der Formbarkeit des Gehirns müssen jedoch noch bestimmt werden.

      1.3.2 Die Untersuchung der aktiven Areale mittels Verfahren der funktionellen Bildgebung

      Die strukturelle Bildgebung ist immer noch weitverbreitet, um Anomalien zu lokalisieren und Strukturen bei unterschiedlichen Personengruppen zu vergleichen: Etwa bei Legasthenikern, bei Personen mit Autismus-Spektrum-Störungen und bei älteren Personen. In den vergangenen Jahrzehnten überwogen jedoch die Verfahren der funktionellen Bildgebung in der psycho- und neurolinguistischen Forschung, denn diese Verfahren ermöglichen die Untersuchung der Gehirnaktivität, indem Veränderungen der Durchblutung, elektrische Aktivität oder magnetische Felder beobachtet werden. Unser Gehirn ist pausenlos aktiv und wenn es Informationen verarbeitet, übertragen die Nervenzellen im Gehirn Informationen an andere Nervenzellen. Die Kommunikation dieser Nervenzellen (oder Neuronen) verursacht einen elektrischen Strom im Gehirn. Wenn eine ausreichende Anzahl Neuronen an der Verarbeitung derselben Information beteiligt ist, erzeugen sie ein elektrisches und magnetisches Feld, das außerhalb des Schädels gemessen werden kann. Bei den Verfahren der funktionellen Bildgebung wird zwischen solchen unterschieden, die zur Lokalisierung von Gehirnregionen verwendet werden – sogenannte Wo-Verfahren – und solchen, bei denen die Bildgebung auf Basis von magnetischer oder elektrischer Aktivität im Gehirn entsteht, die Wann-Verfahren.

      Wann-Verfahren, die elektromagnetische Aktivität verwenden

      Der Kommunikationsprozess innerhalb des Gehirns

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