Internationales Strafrecht. Robert Esser
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![Internationales Strafrecht - Robert Esser Internationales Strafrecht - Robert Esser Praxis der Strafverteidigung](/cover_pre1066561.jpg)
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Das am 25.4.2013 in Kraft getretene EGMRKHG[84] enthält Regelungen für die Gewährung einer Verfahrenshilfe für Drittbetroffene, im Strafrecht also in erster Linie für Personen, die dem nationalen Strafverfahren als Nebenkläger beigetreten waren, im Übrigen vor allem für die sog. „multipolaren Grundrechtsverhältnisse“ (BVerfG), etwa in Verfahren der Presseberichterstattung.
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Vor dem Inkrafttreten des EGMRKHG hing eine Drittbeteiligung weitgehend von der finanziellen Leistungsfähigkeit der betreffenden Person ab; die Neuregelung bezweckt daher, dass diese Schutzlücke geschlossen wird. Der Drittbetroffene erhält nunmehr Kostenhilfe aus der Bundeskasse; die Höhe der erstattungsfähigen Kosten richtet sich nach der EGMR-KEV.[85] Nach § 1 Abs. 2 EGMRKHG richtet sich das Bewilligungsverfahren nach den dort aufgeführten Regelungen der ZPO zur Gewährung von Prozesskostenhilfe, wobei das Bundesamt für Justiz an die Stelle des Prozessgerichts tritt.
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Statthafter Rechtsbehelf gegen die Kostenhilfeentscheidung ist die sofortige Beschwerde, die gemäß § 4 Abs. 1 EGMRKHG binnen einer einmonatigen Notfrist einzulegen ist. Sofern das Bundesamt für Justiz der Beschwerde nicht abhilft, entscheidet das LG Bonn als (derzeit) zuständiges Gericht über die Beschwerde (vgl. § 4 Abs. 2 EGMRKHG).
4. Anordnung der obligatorischen Vertretung
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Ist der betroffenen Vertragspartei die Beschwerde zugestellt worden (notification/communication of the application; Rule 54 Abs. 2 lit. b), wird der Kammerpräsident regelmäßig die obligatorische Vertretung des Bf. anordnen (Rule 36 Abs. 2). Der Bf. muss aber spätestens in der mündlichen Verhandlung vertreten sein (Rule 36 Abs. 3). Ihm kann jedoch ausnahmsweise gestattet werden, seine Interessen selbst zu vertreten,[86] falls erforderlich mit Unterstützung eines Rechtsbeistands oder einer anderen für die Vertretung fachlich geeigneten Person (Rule 36 Abs. 3).
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Der Verfahrensbevollmächtigte bzw. Vertreter des Bf. muss ab dem vom Kammerpräsidenten bestimmten Zeitpunkt ein in einem Vertragsstaat der EMRK zugelassener Rechtsbeistand sein, der über einen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates der EMRK verfügt (Rule 36 Abs. 4 lit. a). In Deutschland zählen dazu auf dem Gebiet des Strafrechts neben Rechtsanwälten auch Rechtslehrer an Hochschulen, letztere auch nach ihrer Emeritierung (§ 138 Abs. 1 StPO).[87] In Deutschland wohnhafte Bf. können sich ebenso durch einen in einem anderen europäischen Vertragsstaat nieder- und (berufsmäßig) zugelassenen Rechtsbeistand vertreten lassen. Dessen Zulassungs- und Wohnsitzstaat müssen nicht identisch sein.
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Neben Rechtsanwälten und sonstigen nach dem Recht eines Vertragsstaates als Rechtsbeistand zugelassenen Personen kann der Kammerpräsident im späteren Verfahren auch andere Personen als Rechtsbeistand zulassen[88] (Rule 36 Abs. 4 lit. a, z.B. Lehrbeauftragte).[89] Praktisch kommen aber als obligatorische Vertreter nur Rechtsanwälte oder Personen mit vergleichbaren Rechts- und Verfahrenskenntnissen in Betracht, die eine Amtssprache des Gerichtshofs mindestens passiv beherrschen. Letzteres gilt auch für den Bf., der seine Interessen selbst vertreten will. Der Kammerpräsident kann jedoch den Gebrauch einer anderen Sprache genehmigen (Rule 36 Abs. 5 lit. b; 34 Abs. 3).
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Der Ausschluss eines Verfahrensbevollmächtigten wegen fachlicher oder sprachlicher Mängel oder seinem Auftreten vor Gericht ist nur unter außergewöhnlichen Umständen zulässig (Rule 36 Abs. 4 lit. b). Als weiterer Grund für den Ausschluss eines Rechtsbeistands kommt die Abgabe unangemessener Erklärungen (inappropriate submissions) durch diesen in Betracht (Rule 44D). Gemeint sind ausfallende (abusive), unseriöse (frivolous), lästige (vexatious), irreführende (misleading) oder ausschweifende (prolix) Erklärungen. Nur wenn das konkrete (Fehl-)Verhalten des Rechtsbeistands es rechtfertigt, kann der Kammerpräsident (zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens) bestimmen, dass dieser den Bf. nicht mehr vertreten oder unterstützen darf. In diesem Fall muss sich der Bf. einen anderen Vertreter suchen (Rule 36 Abs. 4 lit. b), es sei denn ihm wird die Vertretung in eigener Person gestattet (s.o.).
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Weigert sich der Bf., entgegen der Anordnung des Kammerpräsidenten einen Rechtsbeistand zu benennen, so kann der Gerichtshof die Beschwerde aus dem Register streichen (Art. 37 Abs. 1 lit. c EMRK).[90]
5. Schriftliches Verfahren – Vorbereitung der mündlichen Verhandlung
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Üblicherweise findet vor dem EGMR nur ein schriftliches Verfahren statt, in dessen Verlauf sich die Parteien mit Schriftsätzen innerhalb bestimmter Fristen zur Sache äußern können (zu den Fristen siehe schon oben Rn. 288 ff). Nach Zulassung der Beschwerde kann die Kammer
• | falls erforderlich, selbst oder durch eine Delegation beauftragter Mitglieder der Kammer oder andere Richter des Gerichtshofs Ermittlungen und Untersuchungen[91] vornehmen (Art. 38 EMRK; Rules A1-A8), die der Verteidiger gegebenenfalls auch anregen sollte, oder |
• | die Parteien auffordern, weitere Beweismittel vorzulegen und schriftliche Stellungnahmen abzugeben (Rule 59 Abs. 1). |
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Ab diesem Zeitpunkt können die Verfahrensbeteiligten auch von sich aus (weitere) Erklärungen zur Begründetheit der Beschwerde bzw. Stellungnahmen zu Einlassungen der Gegenseite abgeben (Rule 59 Abs. 2).
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Für die Behandlung und Prüfung der Beschwerde gilt grundsätzlich der Untersuchungsgrundsatz. Nach der Registrierung der Beschwerde betreibt der Gerichtshof das Verfahren also von Amts wegen und ist an Erklärungen, Anträge oder Anregungen der Beteiligten nicht gebunden. Der beklagte Vertragsstaat hat die Pflicht, die Durchführung der Ermittlungen zu erleichtern und zu fördern (duty to cooperate; Art. 38 EMRK; Rule 44A), insbesondere wenn sie auf seinem Territorium stattfinden (Rule A2 Abs. 2; bei Zeugenvernehmung durch eine Delegation: Rule A5 Abs. 4 u. 5). Eine mangelhafte Kooperation bedeutet zwar nicht automatisch eine Verletzung des Bf. in dem gerügten Recht aus dem Ersten Abschnitt der EMRK, wohl aber einen eigenständigen Konventionsverstoß, den der Gerichtshof auch ausdrücklich im Urteil feststellen kann.[92] In einigen Fällen hat der Gerichtshof außerdem aus einer mangelhaften staatlichen Kooperation Rückschlüsse auf Tatsachen für das Vorliegen einer Menschenrechtsverletzung gezogen.[93] Schon aus diesem Grund sollte auf eine Weigerung des betroffenen Vertragsstaates zur Vorlage in seinem Besitz befindlicher Dokumente etc. ausdrücklich hingewiesen werden.
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Andererseits trifft auch den Bf. eine Pflicht, die Behandlung der Beschwerde durch den Gerichtshof effektiv zu fördern