Internationales Strafrecht. Robert Esser
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Zeugen, Sachverständige und sonstige Personen, deren Vernehmung die für die Behandlung der Rechtssache gebildete Kammer oder ihr Präsident beschließt, werden durch den Kanzler geladen. In der Ladung sind die betreffende Rechtssache, der Gegenstand der Untersuchung, des Gutachtens oder der sonstigen von der Kammer oder ihrem Präsidenten angeordneten Maßnahmen sowie die der geladenen Person zustehende Entschädigungszahlung anzugeben (Rule A5 Abs. 2 u.U. i.V.m. Rule A1 Abs. 4).
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Hält der Gerichtshof für eine Mitteilung, Zustellung oder Ladung, die an eine andere Person als die Verfahrensbevollmächtigten oder Rechtsbeistände der Parteien gerichtet ist, die Hilfe des Staates für erforderlich, in dessen Hoheitsgebiet die Mitteilung, Zustellung oder Ladung Wirkung entfalten soll, so wendet sich der Präsident des Gerichtshofs unmittelbar an die Regierung dieses Staates, um die notwendige Unterstützung zu erhalten (Rule 37 Abs. 2).
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Wenn der Gerichtshof im Hoheitsgebiet eines Staates an Ort und Stelle Feststellungen treffen (lassen) oder Beweise erheben will oder wenn er das Erscheinen von Personen anordnet, die im Hoheitsgebiet eines Staates ihren Wohnsitz haben oder es überqueren müssen, so wendet sich der Präsident des Gerichtshofs ebenfalls unmittelbar an die Regierung dieses Staates, um die notwendige Unterstützung zu erhalten (Rule 37 Abs. 3).
Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › C. Behandlung der Beschwerde durch den EGMR › IV. Ablauf der mündlichen Verhandlung
1. Grundsätze
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Eine mündliche Verhandlung über die Begründetheit der Beschwerde findet von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei statt (Rule 59 Abs. 3).[99] Aufgrund der Arbeitsbelastung des Gerichtshofs verzichten die Kammern zunehmend auf die Durchführung einer solchen Verhandlung unter Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten. Ob ein schriftliches oder mündliches Verfahren stattfindet, entscheidet der Präsident der Kammer (Rule 59 Abs. 4). An den Antrag eines Verfahrensbeteiligten ist er dabei nicht gebunden.
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Grundsätzlich findet eine mündliche Verhandlung – so denn eine solche anberaumt wird – vor der Kammer am Sitz des Gerichtshofs im Human Rights Building in Straßburg statt. Allerdings kann die Kammer, wenn sie es für zweckmäßig hält, ihre Tätigkeit auch in einem anderen Vertragsstaat des Europarats ausüben (Rule 19; Rule A2 Abs. 2). Außerhalb seines ständigen Sitzes stattfindende Ortsbesichtigungen werden meist von einer Delegation, also nicht durch den gesamten Spruchkörper durchgeführt (Rule A1).
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Der Kammerpräsident bzw. der Leiter der Delegation leitet die mündliche Verhandlung und bestimmt ihren konkreten Ablauf[100], d.h. die Reihenfolge, in der den Parteien, ihren Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsbeiständen und Beratern sowie den sonstigen erschienen Personen (Zeugen, Sachverständige, Drittbeteiligte) das Wort erteilt wird (Rules 64 Abs. 1, A4). Meist dauern die Verhandlungen einen Vor- oder Nachmittag.
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Die jeweiligen Redezeiten werden meist im Vorhinein mit den Verfahrensbeteiligten abgestimmt. Die übliche Redezeit beträgt zwischen 45 Minuten und einer Stunde. Im begründeten Einzelfall ist auch ein längeres Plädoyer möglich.
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Auch nach der Festsetzung eines Termins für die mündliche Verhandlung kann der Gerichtshof eine Beschwerde jederzeit zurückweisen, die er für unzulässig hält (Art. 35 Abs. 4 EMRK). Ebenso ist er befugt, noch im Stadium der Begründetheitsprüfung die ohnehin nur noch ausnahmsweise bereits vorab getroffene Entscheidung über die Zulässigkeit einer Beschwerde zu ändern, wenn diese aus einem der in Art. 35 Abs. 1–3 EMRK genannten Gründe für unzulässig hätte erklärt werden müssen.[101] Andererseits hat der Gerichtshof geäußert, dass ein Abweichen von der ursprünglichen Zulässigkeitsentscheidung nur bei Vorliegen neuer Gesichtspunkte bzw. unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht komme.[102]
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Auf Antrag der Parteien oder von Amts wegen können mehrere Beschwerden miteinander verbunden werden (joinder). Neben einer förmlichen Verbindung kommt – nach Anhörung der Parteien – auch die gleichzeitige Prüfung (simultaneous examination) von Beschwerden in Betracht, die derselben Kammer zugeteilt sind (Rule 42).
2. Öffentlichkeit der Verhandlung
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Findet eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, so ist diese grundsätzlich öffentlich und für jedermann zugänglich (Rule 63 Abs. 1). Von Amts wegen bzw. auf Antrag[103] einer Partei oder einer anderen betroffenen Person können Presse und Öffentlichkeit während der ganzen oder eines Teiles der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen werden (Rule 63 Abs. 2),
• | wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, |
• | wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Parteien es verlangen oder |
• | soweit die Kammer es für unbedingt erforderlich hält – wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
3. Anwesenheit der Parteien
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Grundsätzlich muss der Bf. nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen sondern kann sich durch seinen Verfahrensbevollmächtigten vertreten lassen. Erscheint weder der Bf. noch sein Verfahrensbevollmächtigter zur mündlichen Verhandlung – bzw. zur Untersuchung einer Delegation des Gerichtshofs (Rule A3) –, führt dies nicht zwingend zur Einstellung des Verfahrens. Bleibt eine Partei – oder eine andere zur Verhandlung geladene Person – ohne Angabe hinreichender Gründe von der Verhandlung fern, so kann die Kammer diese gleichwohl fortsetzen, wenn ihr dies mit einer geordneten Rechtspflege vereinbar erscheint (Rule 65). Ein Fernbleiben des Bf. sollte allerdings – sofern seine Anwesenheit vorher angekündigt worden war – vorsorglich (nachträglich) entschuldigt werden, da es ansonsten vom Gerichtshof als Indiz für dessen fehlendes Interesse an der Aufrechterhaltung der Beschwerde gedeutet werden kann (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 lit. c EMRK; Rn. 349). Prinzipiell ist aber das Auftreten des Verfahrensbevollmächtigten ausreichend.