Internationales Strafrecht. Robert Esser
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6. Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs; Abtretbarkeit und Pfändbarkeit
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Das BVerfG leitet aus der Festsetzung einer Entschädigung durch den EGMR eine staatliche Leistungspflicht völkerrechtlicher Natur aus Art. 46 EMRK GG ab.[79] Dem EGMR selbst stehen aber keine Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung, falls die BR Deutschland diese völkerrechtliche Pflicht zur Zahlung nicht erfüllt (siehe aber Rn. 526).
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Das Urteil des EGMR ist nach deutschem Recht nicht vollstreckbar. Es kann auch nicht nach den Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nach §§ 722, 723 ZPO für vollstreckbar erklärt werden. Weigert sich die BR Deutschland im Falle einer Verurteilung durch den EGMR also die im Urteil festgesetzte Entschädigungssumme zu zahlen oder ist sie mit der Zahlung in Verzug, muss der Bf. Leistungsklage vor den nationalen ordentlichen Gerichten erheben (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 VwGO – Verletzung einer nichtvertraglichen öffentlich-rechtlichen Pflicht).[80]
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Die Nichterfüllung der völkerrechtlichen Leistungspflicht stellt eine Amtspflichtverletzung i.S.v. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG dar.[81] Die Bundesrepublik tritt dabei als abstrakter Beamter auf, dessen Pflicht die Erfüllung des Anspruchs gewesen wäre.[82]
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Die vom EGMR zugesprochene Entschädigung wegen erlittener immaterieller Schäden ist nicht abtretbar und pfändbar; sie fällt bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bf. auch nicht in die Insolvenzmasse. Sonst würde der Zweck einer Entschädigung für immaterielle Schäden verfehlt.[83]
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Gleiches gilt für die zuerkannte Erstattung der Kosten für das Verfahren vor dem EGMR. Dagegen ist der Anspruch auf Erstattung von (Mehr-)Kosten im vorausgegangenen innerstaatlichen Verfahren abtretbar, pfändbar und fällt in die Masse, wenn über das Vermögen des Bf. das Insolvenzverfahren eröffnet wird.[84]
Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › D. Urteil des EGMR › VI. Unterzeichnung, Verkündung und Zustellung des Urteils
VI. Unterzeichnung, Verkündung und Zustellung des Urteils
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Das Urteil wird vom Kammerpräsidenten bzw. dem Ausschussvorsitzenden und vom Kanzler unterzeichnet (Rule 77 Abs. 1). Wichtige Urteile der Kammer werden in öffentlicher Sitzung durch den Kammerpräsidenten oder einen von ihm beauftragten Richter verkündet (Rule 77 Abs. 2 Satz 1).[85] Das ordnungsgemäß unterzeichnete und gesiegelte Original des Urteils wird im Archiv des Gerichtshofs verwahrt (Rule 77 Abs. 3 Satz 3). Der Kanzler übermittelt den Parteien, dem Generalsekretär des Europarats, etwaigen Drittbeteiligten und allen anderen unmittelbar von der Rechtssache betroffenen Personen eine beglaubigte Kopie des Urteils (Rule 77 Abs. 3 Satz 2). Wird das Kammerurteil nicht in öffentlicher Sitzung verlesen, gilt diese Form der Übermittlung als Verkündung. Dasselbe gilt für Kammerurteile, die grundsätzlich nie öffentlich verlesen werden (Rule 77 Abs. 2 Satz 3).
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Endgültig ist das Urteil einer Kammer mit seiner Verkündung aber noch nicht, da Art. 43 EMRK die Möglichkeit der Verweisung der von der Kammer entschiedenen Rechtssache an die GK vorsieht (Art. 42, 44 Abs. 2 EMRK). Ein Ausschussurteil wird mit dem auf ihm vermerkten Datum wirksam und sofort rechtskräftig („endgültig“; Art. 28 Abs. 2 EMRK).
Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › D. Urteil des EGMR › VII. Antrag auf Auslegung des Urteils
VII. Antrag auf Auslegung des Urteils
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Jede Partei kann innerhalb eines Jahres nach der Verkündung eines Urteils dessen Auslegung beantragen (Rule 79 Abs. 1). Der Antrag ist bei der Kanzlei einzureichen. Der Teil des Urteils, dessen Auslegung begehrt wird, ist im Antrag genau zu bezeichnen (Rule 79 Abs. 2). Über den Antrag (Request for interpretation of a judgment) entscheidet die ursprüngliche Kammer. Sie kann den Antrag zurückweisen, wenn er aus ihrer Sicht unbegründet erscheint (Rule 77 Abs. 3 Satz 1).[86] Andernfalls ist er den anderen betroffenen Parteien zuzuleiten, die – innerhalb einer zu bestimmenden Frist – Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme erhalten. Über den Antrag entscheidet die Kammer entweder im schriftlichen Verfahren oder – falls notwendig – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Urteil (Rule 79 Abs. 4).
Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › D. Urteil des EGMR › VIII. Überwachung des Urteils
VIII. Überwachung des Urteils
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Die EMRK sieht derzeit kein Verfahren zur Vollstreckung der Urteile des EGMR vor. Das endgültige Urteil des Gerichtshofs (Art. 44 EMRK) ist vielmehr dem Ministerkomitee des Europarates[87] zuzuleiten, das die dem jeweiligen Vertragsstaat obliegende Durchführung des Urteils überwacht (Art. 46 Abs. 2; 54 EMRK)[88]. Das Ministerkomitee ist aber – wie auch der Gerichtshof selbst – nicht weisungsberechtigt gegenüber den Vertragsstaaten, sondern kann nur einen Bericht darüber anfordern, wie die verurteilten Vertragsstaaten ihrer Verpflichtung aus Art. 46 Abs. 1 EMRK (siehe Rn. 465) zur Befolgung des Urteils nachkommen.
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Solange das Ministerkomitee nicht davon überzeugt ist, dass der jeweilige Vertragsstaat der EMRK seinen Verpflichtungen aus dem Urteil nachgekommen ist, kann es die Sache immer wieder auf die Tagesordnung setzen und den Staat zur Einhaltung seiner Pflichten ermahnen. Bis zum Inkrafttreten des 14. P-EMRK standen dem Ministerkomitee nur politische Druckmittel zu Verfügung, um den Vertragsstaat zur Einhaltung der Urteilsverpflichtungen anzuhalten.
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Auch der Bf. kann das Ministerkomitee darüber in Kenntnis setzen, dass die vom Vertragsstaat ergriffenen Maßnahmen unzureichend sind. Die unzureichende Umsetzung eines Urteils durch den verurteilten Vertragsstaat an sich begründet aber hinsichtlich der ursprünglichen Konventionsverletzung keinen zweiten Verstoß gegen die EMRK.[89] Eine erneute