Wirtschaftspsychologie für Dummies. Ulrich Walbrühl
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Diese Selbsteinschätzung ist typisch: Axel war so mit sich selbst beschäftigt, dass er bestenfalls mitbekommen hat, wie die Zuhörer reagiert haben, aber nicht weiß, was genau zu dieser Reaktion geführt hat und was er besser machen kann. Im Zweifel stapelt er seinem Chef gegenüber lieber tief.
Dennoch kann Jason gut auf diese Selbstkritik aufbauen. »Ich habe es auch so gesehen, dass du die Zuhörer zu Beginn gut eingestimmt hast, weil du einige Fakten aus ihrem Unternehmen berichtet hast und sie dadurch merkten, dass du dich gut auf sie vorbereitet hast. Sie waren dann sehr gespannt auf deine Lösung. Anders wurde es, als du sehr viele Detailinformationen über unser Produkt dargestellt hast. Das wirkte ermüdend und war zu diesem Zeitpunkt zu tiefgehend. Beim nächsten Mal solltest du eher ein oder zwei technische Aspekte, die besonders wichtig sind, herausgreifen und nicht alle Details berichten. Übrigens: Auch wenn die Zuhörer geschmunzelt haben, die Konkurrenz solltest du nicht kritisieren, das macht eher einen schwachen Eindruck. Besser, du konzentrierst dich auf die Stärken unserer Produkte, den Vergleich musst du dem Kunden überlassen.«
Jason hatte Glück, dass Axel selbst schon einige Punkte angesprochen hatte. Diese konnte er dann bestätigen oder korrigieren. So bildet sich nach und nach ein realistisches Selbstbild bei Axel. Er sollte am Ende so weit sein, dass er auch dann, wenn er ganz allein beim Kunden ist, realistisch beurteilen kann, wie seine Präsentation angekommen ist.
Und wenn Axel nun nicht so selbstkritisch gewesen wäre?
Bei einer großen Abweichung zwischen Selbst- und Fremdbild sollten Sie vorausschicken, dass Sie einen ganz anderen Eindruck gewonnen haben, um Ihr Gegenüber auf das vorzubereiten, was kommt.
Am schwierigsten ist es, wenn das Selbstbild nach unten korrigiert werden muss. Hier sollten Sie vorsichtig zwei oder drei Punkte herausgreifen, Ihre Beobachtungen sehr genau belegen und Alternativen vorschlagen. Sie müssen jedoch sichergehen, dass Ihr Gegenüber Ihre Sicht nachvollziehen und akzeptieren kann, sonst wird derjenige sich nicht verändern, sondern in eine Rechtfertigungshaltung übergehen. Wir sprechen hierbei von Reaktanz.
Vorsicht bei »Sensibelchen«!
Auch ein Mitarbeiter, der sein Licht unter den Scheffel stellt, muss vorsichtig behandelt werden. Er hat möglicherweise ein negatives Selbstbild und ein geringes Selbstwertgefühl. Ihm einfach nur vor Augen zu halten, was er gut gemacht hat, führt möglicherweise nicht zum Erfolg, weil er Wege findet, die Sichtweise des Chefs abzuwerten. Er sagt sich dann »das war ein Zufallstreffer« oder »der Chef hat zu geringe Ansprüche« oder »er wollte mich nur aufbauen, weil er gemerkt hat, wie unsicher ich bin«. Menschen mit einem geringen Selbstbewusstsein können sehr erfinderisch darin sein, positive Signale zum eigenen Nachteil umzuinterpretieren. Ihr Verhalten erfüllt dabei immer auch einen Zweck, und sei es, keine Verantwortung übertragen zu bekommen. Natürlich leiden sie auch gleichzeitig darunter, dass man ihnen nichts zutraut.
Erfolgreich ist bei solchen Menschen häufig ein eher provokantes Vorgehen. Kleine spitze Bemerkungen, ergänzt durch eine wohlwollende Art, die aber eher non- und paraverbal gezeigt wird, sind hier erfolgreicher, weil sie ebenfalls die Reaktanz anstacheln, diese aber zur Entwicklung nutzen, nach dem Motto »Moment, so schlecht war ich doch gar nicht«. Dies hat der texanische Psychotherapeut Frank Farrelly herausgefunden und als Technik der psychologischen Beratung ausgefeilt.
Was können Sie tun, damit das Feedback, das Sie erhalten haben, nicht zu Reaktanz, sondern zu einer gesunden Entwicklung Ihrer Fähigkeiten führt? Es gibt ein ganz einfaches Prinzip, das in Form einer Metapher formuliert werden kann:
»Nimm positives Feedback sofort auf und freue dich darüber. Wehre es nicht ab und entwerte es nicht. Nimm es sozusagen mit in deine Wohnung. Und nimm kritisches Feedback ebenfalls mit, aber lasse es erst mal in deiner Garage. Dort kannst du es sortieren und das, was wertvoll ist, herausfiltern. So verschmutzt du nicht dein Haus, du musst dich nicht darüber ärgern oder es pauschal ablehnen. Nimm das, was du für wertvoll hältst, und trage den Rest auf den Müll.«
Gewaltfreie Kommunikation
Wie jetzt? Ohne Gewalt? Wieso sollte ich überhaupt Gewalt einsetzen? Tue ich doch gar nicht! »Eben doch«, würde Ihnen Marshall Rosenberg antworten. Rosenberg ist Begründer des Center for Nonviolent Communication (CNVC) in New Mexico, USA, und international tätiger Mediator. Die von ihm entwickelte »Gewaltfreie Kommunikation« versteht er als eine Methode zur Verbesserung des zwischenmenschlichen Miteinanders.
Unsere Kommunikation ist von Gewalt durchsetzt. Wir stellen Forderungen, bedrohen und erpressen uns gegenseitig, und unser Hauptwerkzeug dabei ist die Kommunikation.
Damit dies nicht so ist, schlägt Rosenberg eine Folge von Schritten vor, die jeder einhalten sollte, wenn er etwas von jemand anders möchte. Diese vier Schritte lauten:
1 Beobachtung
2 Gefühl
3 Bedürfnis
4 Bitte
Wie kann dies nun in der Praxis aussehen? Etwa so:
1 »Ich habe in den letzten Tagen dreimal beobachtet, wie Sie Ihre Schicht mit zehnminütiger Verspätung angetreten haben.« (Beobachtung)
2 »Ich befürchte, dass wir unsere Produktionsziele nicht erreichen, wenn wir jeweils Pausen in der Maschinenauslastung haben.« (Gefühl)
3 »Ich möchte, dass wir dem Bereichsleiter am Monatsende eine Produktionssteigerung von 10 Prozent vermelden können.« (Bedürfnis)
4 »Meine Bitte ist, dass Sie Ihre Schicht pünktlich um 6 Uhr antreten.« (Bitte)
Wer hat schon jemals einen Industriemeister so mit seinem unpünktlichen Mitarbeiter sprechen gehört? Wahrscheinlich die wenigsten von Ihnen. Und dennoch ist die Idee von Rosenberg bestechend: »Wende selbst keine Gewalt an, damit auch dir keine Gewalt angetan wird.« Vorwurf erzeugt Rückwurf, so einfach ist das. Natürlich könnte der Industriemeister hier kurzen Prozess machen und Pünktlichkeit einfordern, so wie es der Arbeitsvertrag