Der Change-Code. Dieter Lederer

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mit traumwandlerischer Sicherheit eingehalten werden. Minimale Anstrengung bei maximalem Nutzen, wer wollte das nicht? Sicherheit, Schnelligkeit, Effizienz – die Liste der Vorteile von Gewohnheiten ist lang und wir vertrauen zu Recht darauf. Wenn der Notfallmediziner zum Unfallort kommt, die Feuerwehr zum Brand, Piloten oder Zugführer vor dem Start die Systeme prüfen: Immer dann sind wir heilfroh über deren eingeschliffene Routinen. Darin steckt ein hohes Maß an Erfahrung, Optimierung und Verlässlichkeit. Die Neurophysiologie spricht in diesem Zusammenhang von Bahnung und meint damit, dass Wiederholungen die vermehrte Bildung und Verstärkung von Synapsen im Gehirn nach sich ziehen8. Dies führt dazu, dass gewohnte Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmuster leicht abrufbar sind – etwa in der Weise, wie eine gut ausgebaute Straße viel leichter befahrbar ist als ein kaum genutzter Feldweg. Es muss also nicht verwundern, dass uns der Umgang mit Gewohnheiten besonders leichtfällt, wenn wir ihnen folgen, und schwer, wenn wir sie ändern möchten oder müssen.

      Kritisch wird es, wenn die althergebrachten Muster nicht mehr tragen.

       Kleine Schritte für großen Wandel?

      Kritisch wird es nämlich, wenn die althergebrachten Muster nicht mehr tragen. Dann werden Gewohnheiten schnell zur Behinderung, denn das Verlassen bekannter Pfade ist unbequem und braucht viel mehr Energie, als stur geradeaus weiterzugehen. Diesen veritablen Sog zurück ins Alte zu überwinden, herauszukommen aus dem stabilen Modus des Bequemen, etwas Neues zu probieren, und sei es nur temporär, das ist die wahre Herausforderung, die viel häufiger misslingt als glückt. Das kann derart weit gehen, dass wir lieber missliche Zustände in Kauf nehmen, als die Gewohnheit zu durchbrechen. Sie kennen wahrscheinlich Menschen, die in unglücklichen Beziehungen verharren, oder solche, für die es kaum denkbar ist, eine andere Gaststätte als das seit zehn Jahren frequentierte Lieblingsrestaurant aufzusuchen. Früher oder später aufstehen, einen anderen Weg zur Arbeit nehmen, den Kaffee ohne Zucker trinken oder statt an die Nordsee an den Atlantik reisen? Für viele Menschen kaum denkbar, gleichwohl nichts wirklich Bedeutendes damit verbunden ist. Umso schwieriger, wenn etwas daran hängt – unser Renommée zum Beispiel: »Wie kann es sein, dass sie oder er sich auf so etwas Neumodisches einlässt? Das hätten wir nie erwartet.« Oder unser Erfolg: »Das neue Verfahren kann schiefgehen, wie dumm stehe ich dann da?« Oder unsere Sicherheit: »Ich weiß ganz genau, dass ich das alte Tool beherrsche, doch wie ist es mit dem neuen?«

       Lieber missliche Zustände in Kauf nehmen, als Gewohnheiten durchbrechen?

      Die Gewohnheitsforschung weiß um die Anziehungskraft gebahnter Verhaltensweisen und versucht deshalb, diese mit sogenannten »tiny habits« auszutricksen (Fogg, 2019). Das Prinzip ist einfach: Man überlege sich kleine Schritte, die zu einem gewünschten Ziel führen, und hänge diese an alte Gewohnheiten. Fünf Liegestützen nach der morgendlichen Dusche, ein Glas Wasser nach jeder Tasse Kaffee, das Handy für zehn Minuten in die Schublade nach dem Hochfahren des Rechners, die Datei mit einem Änderungskommentar wieder einchecken nach dem Bearbeiten, die Notiz zum Kundentelefonat erstellen nach seiner Beendigung usw. Das Verknüpfen mit bestehenden Gewohnheiten ist elegant, das Herunterspielen der Änderung ebenfalls. Wir vermitteln unserer Wahrnehmung, dass im Vergleich zu vorher fast alles beim Alten ist. Ob damit der Weg von der Sportniete zum Marathon-Ass, vom überkommenen zum zeitgemäßen Geschäftsmodell, zu digitalisierten Prozessen oder zur disruptiven Innovation beschritten werden kann, ist fraglich. Mutmaßlich lässt sich mit »tiny habits« nur ein Teil der in Unternehmen erforderlichen Transformationsprozesse umsetzen. Einen Vorteil jedoch haben sie: Häufig eingesetzt, lassen sich Menschen damit an das regelmäßige Vorkommen und die Bewältigbarkeit von (kleinen) Veränderungen gewöhnen. Das macht flexibel und vermag den Boden für größeren Wandel zu bereiten.

       Keine Emotionen, keine Bewegung

      Verändern fällt um ein Vielfaches leichter, wenn es mit positiven Gefühlen verknüpft ist.

      Aus der Hirnforschung kennen wir die Hintergründe für diese Zusammenhänge: Lernen und damit auch Verändern fallen uns um ein Vielfaches leichter, wenn es um etwas geht, das uns wirklich wichtig und folglich mit positiven Gefühlen verknüpft ist (Hüther, Was wir sind und was wir sein könnten, 2011). Bei Kindern werden regelrechte »Begeisterungsduschen« im Gehirn ausgelöst, wenn sie Schritt für Schritt erst ihren Köper erkunden und beherrschen lernen und dann ihre Umwelt. Bei Erwachsenen ist der Mechanismus immer noch genau derselbe, doch wir haben uns meist schon viel zu sehr daran gewöhnt, uns in »trockenen«, rationalen, nahezu emotionsfreien Kontexten zu bewegen. Dann sind Begeisterungsduschen die Ausnahme und entsprechend zäh werden viele Aufgaben und Projekte – bis hin zum Abarbeiten nur unter hohem Druck kurz vor der Deadline oder gar Verweigern, wie das Beispiel vom Abnehmen zeigt. Dazu kommt, dass unser Gehirn dafür prädestiniert ist, in Bildern und Geschichten zu denken. Zahlen, Daten, Fakten und strikt rationale Sachargumentation spielen eine untergeordnete Rolle. Konkrete bildhafte Vorstellungen regen eine Vielzahl unterschiedlicher neuronaler Netzwerke an und führen zu einer Verknüpfung mit Gefühlen und Ausschüttung neuroplastischer Botenstoffe, somit zu einem ganz anderen, intensiveren Einprägen und Erinnern. All das unterbleibt bei rein abstrakter Sachlogik, die deshalb meist den kürzesten Weg durch den Kopf nimmt: zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus.

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