Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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Dachgewölbe der Rotunda, mit starkem Blei gedeckt, ist, wie schon gesagt, äußerst flach gehalten; man steigt zur weiten Öffnung auf wenig großen Stufen, rundum aber laufen an die vierzig kleinere im Kreise. Wenn man hineinschaut, kömmt das Innre einem vor wie ein runder hoher Turm.

      Als ich oben stand, mich umsah und die verkleinerten Leute auf den Straßen betrachtete, wurd ich den Demetri gewahr und rief ihm zu, heraufzukommen, welches er auch gleich tat.

      Demetri ist ein wackrer Mann, viel Kern mit wenig Schale; der Mensch ist bei ihm recht durchgearbeitet und ins reine gebracht. Er herrscht in Rom über die Geister, mehr als irgendein andrer, genießt hohe Glückseligkeit und ist der Leithammel von einer Menge jungen Leuten. Unter diesen hab ich nicht wenig gefunden voll Lebensmut und den größten Fähigkeiten, genaue Bekanntschaft mit ihnen errichtet und unbeschreiblich Vergnügen in ihrem Umgange genossen. Wie jammert's mich, daß soviel herrliche Kraft wegen schlechter Regierungsverfassung ungenutzt versauren soll!

      Im Neugriechischen bin ich bei ihm noch sehr gewachsen. Auch hat er mir manche dunkle Stelle der griechischen dramatischen Dichter, besonders in den Chören, ins klarste Licht gesetzt und meisterhaften Unterricht über den unendlichen Reiz ihrer Silbenmaße gegeben. Bei seinem Brotgeschäfte mit alten Handschriften sind ihm eine Menge beßrer Lesarten aufgestoßen; und er könnte wie ein andrer Herkules die Aldinischen und Juntischen Ausgaben ausmisten, wenn ihm der Silbenkrieg am Herzen läge.

      Kapitel 34

       Inhaltsverzeichnis

      Überhaupt aber hält er Ruhm für ein notwendig Übel, wobei man leicht selbst zur Bildsäule auf dem Markte werden und sich endlich fast nicht mehr regen und bewegen könne. Wirken, frei und mächtig handeln nach Art seiner Natur! Dies sei die allererste und ursprünglichste Glückseligkeit. Der Kernmensch gebrauche Ruhm als Hülfstruppen und stoße den einen von sich, wenn es sein müßte, sobald er in eine andre Sphäre schreite.

      Nur einen Fehler kenn ich an ihm, und dieser ist, daß er in dem heillosen Labyrinthe der Metaphysik herumkreuzt. Du sollst hier in der Unterredung mit mir eine starke Probe davon sehen, obgleich ihn noch nicht in seinem ganzen Wesen, weil er sich nach mir richten mußte, der ich hierin bloß meiner eignen Vernunft folge, ohne mich mit andrer Hypothesen viel zu plagen. Wenn er mutwillig ist, spricht er keinen Tag wie den andern. Mich trieb er vorzüglich nur in dem angegebnen System herum und sagte zuweilen verwirrte hochtrabende Dinge, um auszuweichen oder vorzubereiten und zu sehen, was ich damit anfing. Wenig Auserwählten reicht er auf die Letzt den Faden der Ariadne, den er andern, wegen der heiligen Inquisition, bedächtlich zu verbergen weiß, die ihm die einzige esoterische Philosophie vielleicht der alten Kirche bald mit langsamer Glut ausbraten würde; an dessen Sicherheit er aber selbst noch scheint zu zweifeln.

      Vielleicht macht Dir eine und die andre komisch ernsthafte Behauptung gerade das mehrste Vergnügen, da Du wohl weißt, daß man hier nur meinen kann, weil unsre Sinnen nicht bis dahin dringen.

      »Jetzt ist wenig hier zu schauen«, sprach er, wie er zu mir kam; »aber zu mancher andern Zeit möcht ich da gestanden haben!«

      Wir setzten und legten uns bald in die Sonne, die das Dach angenehm erwärmt hatte, und sagten erst dieses und jenes über alte und neuere Architektur. Der Schluß war, daß der Zweck, der vom Plan und den großen Massen an bis aufs geringste einzelne und die Verzierungen aus allem rein hervorleuchte, die alten von den neuern Gebäuden unterscheide, wo oft bloße nachgeahmte Kunst und leere Schönheit sei, auch bei den besten, sonder Absicht und Nutzen. übrigens ließen wir doch dem Bramante, Antonio da San Gallo, Michelangelo, Palladio und den andern großen Meistern ihr gebührend Lob völlig angedeihen und waren der Meinung, daß kein alter Architekt vielleicht einen heroischern Palast dem Cäsar als der Palast Farnese und einen lieblichern glänzendern der Kleopatra als der Palast von Cornaro zu Venedig würde haben erbauen können.

      »Bei unsern Kirchen«, fügte Demetri hinzu, »worauf wir das mehrste wenden, haben wir die reizende Mannigfaltigkeit nicht der Alten; Tempel des Jupiter, Apollo, Mars, Bacchus: Tempel der Juno, Pallas, Diana, Venus. Jeder machte ein eigen Ganzes in Plan, Verzierung und Ausschmückung und Gegend.«

      »Die Meister sollten sich mehr nach den Heiligen richten«, versetzt ich, »denen die Kirchen geweiht werden. Der Papst, welcher die Rotunda hier allen Heiligen einweihte, so wie sie ehemals allen Göttern geweiht war, scheint so etwas im Sinne gehabt zu haben.

      Es ist doch sonderbar«, entfuhr mir hierbei, »daß die Griechen, das aufgeheiterte Volk, sich mit den Fabeln über die Gottheit so ernsthaft und zuweilen so abergläubisch grausam beschäftigen konnten, da sie, der vielen andern Weisen nicht zu gedenken, einen Anaxagoras hatten.«

      »Grausam«, versetzt' er, »sind sie in Vergleichung mit uns zu ihren guten Zeiten nur wenigemal gewesen. Und dann lassen sich Meinungen, wo nicht offenbare Widersprüche sind und das Gewisse tief verborgen steckt, nicht so leicht wegarbeiten. Es hält bei den ausgemachtesten Dingen schwer, den großen Haufen unter einen Hut zu bringen, wenn er sich mit eingewurzelten Vorurteilen dagegen sträubt; geschweige bei spekulativen Sätzen die freieste Nation.

      Mit den griechischen Gottheiten ging es gewissermaßen wie mit vielen Wörtern in jeder Sprache; wir haben einen deutlichen oder dunkeln Sinn dabei, wissen aber ihren ersten Ursprung nicht und wo sie herstammen; und jene waren schon vor Mosen und den Propheten in der ägyptischen Zeittiefe, ehe noch ein Trismegist unter den Sterblichen die Buchstaben erfand. Homer hat damit seine Iliade ausgeziert, wie mit Edelsteinen, Gold und Perlen, und zuweilen lauter Schmuck gemacht, wie den Kampf des Skamander mit dem Vulkan.

      Religion wurde, dünkt mich, in der bürgerlichen Gesellschaft zuerst bestimmt eingeführt, um den Streit über verschiedne Verehrung der Gottheit bei Familien zu verhüten.19 Jeder Staat oder Gesetzgeber ergriff eine Partei der Ordnung wegen und ließ andern Republiken und Selbstköpfen natürlicherweise ihre Freiheit, über das Weltall zu denken, was sie wollten, wenn sie nicht mit Fackel und Schwert seine Verfassung störten.

      Bei den Griechen mußt es einer sehr arg machen, wenn Richter und Volk Meinungen dagegen ahnden sollten. Was hat nur Aristophanes nicht für Witz über die Götter ausgegossen! Wir im heiligen Rom erschrecken noch nach Jahrtausenden über seinen Mutwillen, wenn wir uns einmal mit der Phantasie in dessen Zeiten gedacht haben. Das Scherzen über die Bewohner des Olymp mochten die Griechen, scheint es, sehr wohl leiden; nur durfte sie einer nicht mit Stumpf und Stiel ausrotten wollen und als Schwärmer deren Bildsäulen zerschlagen, ohne ihnen dafür andre Freuden, andern Zeitvertreib zu gewähren. Jeder begriff an sich selbst, daß sich das Gefühl der Wahrheit und Falschheit nicht so ganz bändigen läßt, wenn man den Bürger nicht als bloßen Sklaven haben will. Bürgerliche Ordnung soll nur Gewalttätigkeit hemmen, und nicht den freien Gebrauch der Seelenkräfte: sonst bleibt der Mensch nicht Mensch mehr und wird zum Tier der Herde, verliert seine eigentümliche Glückseligkeit und allen Wetteifer, wie wir in den tyrannischen Staaten sehen, wo die Natur auch ihre geistigsten Gaben am reichlichsten ausspendet, in den Gefilden der Wahrheit und Schönheit nach Lust immer weiter zu schreiten und hienieden die höchsten Gipfel zu ersteigen, wo er Meer und Land überschaut.

      Die mehrsten Streitigkeiten über Gott kommen davon her, daß Laien selten wissen, was sie wollen; und Philosophen meistens für den eingeführten Glauben, sei's unter Heiden, Juden, Christen, sich von ihm ein Ideal bilden, und ihn nicht annehmen und zu ergründen suchen, wie er in Natur sich befindet; als ob er sich bei der Menge verächtlich machte, wenn er wäre, was er ist.

      Anaxagoras unter den Griechen gab mit seinem Verstandwesen für die folgenden Zeiten hauptsächlich dazu Anlaß. Das System des Lehrers des Perikles und Euripides hat

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