Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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style="font-size:15px;">      Tun wir den äußersten Flug menschlicher Einbildungskraft und nehmen Anfang an, wo es nur immer möglich ist.

      Stellt euch das Chaos vor, das alle Götter, Menschen, Tiere, Metalle und Steine gebar, wie einen unermeßlichen heißen Nebel im unendlichen Raume, worin Sonnen und Planeten noch zerstäubt schwimmen mit den Meeren, Erden und Lüften!

      Es begann die Zeit: Feuer und Lüfte und Wasser und Erden schieden sich, und ein gleichartiges Wesen gesellte sich seiner ewigen Natur nach zu dem andern. Die jungen Sonnen wälzten sich und wuchsen, bis jede sich aus ihrer Sphäre gleich ewigen blendenden Gewittern von lauter Blitzen und Wetterstrahlen (wovon wir an unsern Wolken zuweilen nur winzige dunkle Schatten sehen) zusammengesammelt hatte, und besäeten die Himmel. Die gröbern Massen sanken unter, jede nach ihrem verschiednen Grade, und machen nun die Planeten aus, die immer schwebend herumtanzen, sich wieder mit dem holden Lichte zu vereinigen, aber wegen ihrer Schwere nicht zum Anflug gelangen.

      Und die Liebe ward geboren, der süße Genuß aller Naturen füreinander, der schönste, älteste und jüngste der Götter, von Uranien, der glänzenden Jungfrau, deren Zaubergürtel das Weltall in tobendem Entzücken zusammenhält. Und alle lebendigen Geschöpfe erhaschten in diesem Getümmel ihren Anfang; und vermehren sich nach alter Art immer wieder aus einem kleinen neuen Chaos von Elementen, nach Anzahl, Maß und Form der ersten Zusammensetzung.

      Das Element, das alles füllt, das sich am freiesten und ungebundensten durch das Unermeßliche breitet, ohne welches nichts bestehen kann, was lebt, selbst das Feuer nicht, ist die Luft. Wir Trismegisten und Orpheuse gaben ihm den Namen Zeus und stellten diesen den Völkern in Wolken auf einem Donnerwagen mit dem flammichten zackichten Keil voll furchtbarer Majestät als dessen Regenten vor, weil sie nicht bis zu dem Unsichtbaren gelangen und Gestalt für den Sinn haben müssen.

      Sein erstgeborner Sohn, Licht und Feuer, ist Apollo, der Sonnengott.

      Der Beherrscher der Wasser, Zeus' Bruder, Neptun.

      Den Erden, den Sammlungen unzählbarer andrer Elemente, setzten wir das Heer der übrigen Götter vor und erteilten dem dritten Bruder Pluto in den Unterwelten den höchsten Zepter.

      Eure Großväter, die Pythagorasse und Homere, haben hernach unsre kühnen großen Erfindungen angenehm und lieblich und erfreulich ausgearbeitet und die Phidiasse und Polyklete denselben das Siegel aufgedrückt. Und so waren die Urkräfte der Natur für die Phantasie geordnet und jeder von ihren Lieblingskindern, den Menschen, schöne Tempel aufgestellt.‹

      Verwundert Euch nicht, Freund«, fuhr Demetri fort, »über die astronomischen Ketzereien, die ich meinen Priester sagen lasse! Es wird eine Zeit kommen, und nach der Freiheit, womit die großen Geister schon anfangen ihre Flügel zu schwingen, kann sie nicht mehr fern sein, wo die Sonne und die Fixsterne auch bei den Menschen ihren erhabnen Posten behaupten werden wie in der Natur und unsre kleine Erde mit den andern Planeten um ihre Lebendigmacherin herumrollen wird;21 es wird die Zeit kommen, wo der kleinste Nebelstern Sonne sein wird und ein hellerer Morgen in unsern Kerker einbrechen, bis wir uns endlich alle Bande abstreifen und des ewigen Daseins, unsers Eigentums, als echte Kinder Gottes genießen, in unaussprechlicher Wonne, sonder Grausen vor den armseligen Schreckwörtern Tod und Zerstörung.

      Es war besser, daß Millionen Sonnen sind, um nur Zahl zu nennen, als eine, die zu ungeheuer gewesen sein würde! Die Billionen Planeten hätten sich zu oft darumher einander verfinstert und die rasende Masse von Feuer sie verzehrt.

      Alles Wesen besteht aus unergründlich Kleinem. Was unendlich klein ist, kann nur wenig Kraft und Bewegung haben. Um freier und gewaltiger zu sein, paart es sich mit seinesgleichen und vermehrt sich bis zu Sonnen- und Planetensphären, die sich durch die Himmel wälzen und schweben für uns in unbegreiflicher Fülle von Wonne; paart sich mit seinesgleichen und anderm, was es wie zum Fuhrwerk oder gleichsam Reittier brauchen kann. Und dies hat's auch wieder gut, indem es an der Lust des Edlern teilnimmt und für seinen Dienst reichlich versorgt wird.

      Das Zusammengesetzte aber aus Verschiednem ist in Betrachtung des Einfachen eine wahre Kleinigkeit. Was sind alle Vögel, Tiere und Fische gegen die unermeßliche Luft, das blendende Gewimmel der Gestirne und gegen Meere und Erden in ihrer ursprünglichen Reinheit? Zusammengerottete winzige Sonderlinge! Die großen Massen allein leben und schweben in ewiger angestammter Wonne und Glückseligkeit: nur wir Heterogenen leiden und sind elend und plagen uns mit unsrer Erhaltung, immer in der jämmerlichen Furcht, zu vergehen. Mitteldinger zwischen Sein und Nichtsein! Zusammengeballte Grenzen des Verschiednen! Die sich mit Träumen plagen und ihre eigentliche Natur nicht finden können; und auf das kranke Gewinsel zerrütteter Kreaturen horchen, da uns das ewige Licht in die Augen blitzt, Meere in die Ohren rauschen und alles augenblicklich in uns strebt, sich mit dem großen Mächtigen wieder zu vereinigen.

      Die Toren glauben, sie kämen einmal in eine ganz andre Welt, wo keine Sonne wäre, weder Mond noch Sterne, noch Meer und Land wie bei uns, und sie hätten vielleicht dort doppelte goldne Hüften, wie hier nur eine Pythagoras hatte.

      Unsre Philosophen nehmen sich sehr in acht, wenn sie von Seele reden, auf Erde, Wasser, Luft und Feuer zu kommen, vermutlich, um sich nichts zu vergeben. Nicht also die Griechen! Wir zucken die Achseln deswegen über sie? Je erhabner der Mann, desto eher der Kinder Spott!«

      Demetris Wangen wurden röter in diesem lyrischen Taumel; ich rief ihm zu: »Mäßigt Euren Schwung, wenn ich nachfolgen soll!

      Etwas Besonders, Adler oder Mensch und zum Beispiel Alexander zu sein nach gewonnenen Schlachten«, fügt ich leise hinzu, »macht doch auch große Freude und kömmt einem angenehmer vor, als wenn man sich zu unendlich kleinen Teilchen von Erde, Luft und Wasser und Feuer denkt. Jedes einzelne Wesen wird seine Existenz bloß durch andre gewahr; je reiner es sich damit vereinigt, desto größer wahrscheinlich seine Glückseligkeit. Alles in der Natur strebt deswegen, sich in andres zu verbreiten.«

      Demetri. Bei solchem Einfachen gibt's kein Teilchen; jedes, wenn man sich es auch denkt, gehört so zum Ganzen, daß das Ganze zusammengenommen nichts Bessers ist. Das Teilchen ist wie das Ganze und das Ganze wie das Teilchen; eins wirkt und regt sich wie das andre, jedes Gefühl blitzt durch das ganze All. Was das eine angeht, das geht auch das andre an; es ist eins so mächtig, so ungeheuer und unermeßlich groß, wenn man eine solche Größe annehmen will, wie das andre. Die Meere und Tiefen von ursprünglichen Elementen sind es, woraus wir immer neu strömen und zusammenrollen; und unsre Urnatur ist unendlich göttlicher und erhabner als das augenblicklich zusammengeballte Eins verschiedner Kräfte; nach dem hohen Plato nur eine Stockung im unsterblichen Flusse der Glückseligkeit.

      Ardinghello. Aber daß etwas sein muß, was das Weltall zusammenhält, ist wohl klar genug! eine unbekannte Ursache an und für sich, doch bekannt in ihren Wirkungen; ein Wesen, das die andern Elemente zusammenbändigt von ihrem Schlafe zum Leben, zur Existenz, zur Harmonie und Einheit.

      Wenn ich meinen Körper betrachte und bedenke, daß ich ihn selbst soll zusammengearbeitet und gebildet haben, und doch nichts davon weiß oder, welches einerlei ist, daß das erste Menschenpaar dies soll getan haben: so dünkt mir augenscheinlich, daß ich nicht von mir selbst abhange und daß eine unbekannte Ursach im Spiel ist. Anfang und Ende ist für keines Menschen Kopf und ebenso unbegreiflich, wie Verschiednes ein lebendiges Eins macht. Unsre offenbare Willkür, der vorher bestimmte Endzweck aller unsrer Sinnen zum Beispiel, das Forterhalten der Gattungen, bleibt unerklärlich und übersteigt die feinste Philosophie.

      Demetri. Vielleicht wird sich dies noch aufhüllen.

      Wir erkennen uns bloß als Zusammensetzung, als Wirkung und nicht als Ursache. Bei uns ist sie mit unserm Verstand eins, und es findet da kein Gezweites statt; bei andern Dingen läßt sie vielleicht den Sonnenstrahl,

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