Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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christlichen Jahrhunderte und herrscht gewissermaßen trüb und dunkel wieder jetzt, obgleich die erste Quelle nun unbekannt geworden ist. Er stattete eine Weltseele, die alle Materie der Elemente durchdringt und über sie Gewalt hat, in dem in der Erde steckendsten Wurm und himmelhöchsten Adler dieselbe.

      Sokrates verwarf alles System, ahndete nur und betete an in heiligem Stillschweigen nach seinem tiefsten Forschen; verehrte übrigens die Gottheit nach den Landesgesetzen unter mancherlei Namen, ohne sie näher zu bestimmen, und riet seinen Freunden dasselbe.

      Dem Plato, Aristoteles und andern Denkern aber war damit wenig gedient, und sie gingen so weit, als sie nur vermochten. Jener sprach über den allgemeinen Verstand in erhabnen Dichtungen; und der kühne Titan von Stagira belagerte regelmäßig endlich nach den feinsten Erfindungen der scharfsinnigsten Taktik; und seine Anhänger behaupten, er sei in die innerste Festung eingedrungen. Darauf und daran muß der Herrliche, der in so vielem andern an der Spitze der Menschheit stand, gewiß gewesen sein.

      Plato schreibt noch am Ende seiner Tage den Gestirnen den höchsten Verstand zu. Anfangs bedacht er sich lang über die Sonne und konnte nur damit nicht ins reine kommen, wie wir lebten und so hell im Geiste sähen, wann sie unterginge und es Nacht wäre.20 Daß alles Lebendige erfrieren, zu toten Klumpen erstarren müßte, wenn nichts von ihren Strahlen zurückbliebe, wird ihm wohl einmal im Winter die Bedenklichkeit gehoben haben. Vielleicht schloß er gar noch ferner, daß alles Licht und alles Feuer und alle Wärme auf unserm kleinen Erdboden bloß in Materie gefahrne Strahlen der Göttlichen und der Gestirne sind, die jene, von nichts gehemmt, durchdringen, regen, richten; woher alles einzelne Lebendige denn Bildung, Form und sein Recht hat; bis sie wieder von andern aufgenommen werden oder sich selbst absondern in Rückerinnerung der alten überschwenglichen Wonne; und daß die Massen und Körper, die deren am mehrsten enthalten, die lebendigsten sind. Wenigstens ist dies der Grundstoff zu seinem glänzenden theologischen System, worüber Julian noch abtrünnig wurde.

      Überhaupt hielten die mehrsten alten Philosophen das Feuer für das Göttlichste in der Natur.«

      »Die großen Dichter dieser hohen Zeiten für die Menschheit«, fiel ich ein, »hatten um eine Stufe natürlichre Metaphysik und nahmen das Sinnlichre und Nähere. Sie meinten, wir schöpften die bewegende Kraft mit dem Atem, und sie sei in der Luft befindlich, und nannten sie Zeus, nach dem wörtlichen Sinne, wodurch sie lebten; und einige Philosophen schlugen sich zu ihrer Partei.

      Sophokles sagt: ›Zeus, der alles faßt, in alles dringt, uns näher verwandt ist als Vater, Mutter, Bruder, Schwester.‹ Und an einem andern Orte: ›Welcher Menschen Übermut, o Zeus, hemmt deine Macht, die der uralte Schlaf nicht ergreift und die unermüdlichen Monden! Unalternd durch der Jahre Wechsel nimmst du Herrscher den strahlenden Glanz vom Olymp ein; dir ist der Augenblick, die Zukunft und Vergangenheit untertan.‹

      Und Euripides sagt geradezu: ›Siehst du über und um uns den unermeßlichen Äther, der die Erde mit frischen Armen rund umfängt? Das ist Gott!‹

      Und Aristophanes, sein Antagonist, ruft ebenso aus: ›Unser Vater Äther, heiligster, aller Lebengeber!‹

      Und Pindar ging schon vorher noch weiter und singt stolz in lyrischer Begeistrung: ›Eins das Geschlecht der Menschen! Eins das der Götter! Alle beide atmen von einer Mutter.‹

      Nach der ältesten Meinung seines Volks glaubte Thales das Göttliche im Wasser zu finden, weil alles Lebendige sich davon nährt und aller Same feucht ist. Die Erde aber blieb immer nur Pflanzstätte, die das Himmlische durch Wind und Regen empfängt und Tiere und deren Nahrung damit gebiert; obgleich Mutter aller, selbst ohne Geist und Leben. Manche hielten sie nicht einmal für Element, sondern wie Hesiodos nur ersten Körper.

      Alles kehrte zurück, wo es herkam; was von der Erde entsproß, zur Erde: das Himmlische wieder in die lustschwebenden ätherischen Zärtlichkeiten.

      Doch, gestehen wir es nur, wir tappen damit noch in Nacht und Ungewißheit! wie die Alten selbst; von denen nur einer mehr oder weniger als der andre dreust war mit seinen Behauptungen. Ein bestimmtes deutliches System hierüber darf man bei keinem Sterblichen suchen; die größten Weisen haben für sich keins gehabt und nicht klar gesehen, wie kein Mensch die ganze Welt klar durchschauen kann. Sie nahmen gewisse Sätze an und bauten darauf hin, und wurden immerwährend von der Natur wieder in Verwirrung gesetzt.

      Eines jeden Gefühl muß ihm sagen, daß er etwas Getrenntes von einem Ganzen ist und daß er sucht, sich wieder mit demselben zu vereinigen. Als Menschen suchen wir dies am ersten bei andern Menschen zu bewerkstelligen: die Natur leitet den Mann zum Weibe und das Weib zum Manne. Beide finden alsdenn doch noch nicht dies in sich allein und suchen ihr Ganzes bei mehrern ihresgleichen. Wo dieser Trieb lauter wirkt: die glückseligste Republik. Aber auch hier wird der Mensch endlich seine freie Vollkommenheit, sein Ganzes nicht finden. Es ist also klar, daß uns entweder der Tod mit diesem vereinigt oder doch nähert oder nach mancherlei Durchwanderungen von Körpern wieder dahin bringen muß. Aus diesem Gefühl stirbt eine Alkeste für ihren Gatten, als der minder edle Teil des Ganzen, und übergibt sich ein Regulus freiwillig Schmach und Leiden. Aus diesem Grunde sieht man mehrere Menschen, jeden schier von demselben Schlag und Gehalt, zusammen für verständiger an und ein ganzes Volk für die klare ausgemachte Weisheit; und wir können oft mit der sichersten Gewißheit von dem Gegenteil und dem stärksten Vorsatz nicht auf gegen die Macht der Täuschung.«

      »O wie lieb ich das«, rief Demetri mir mit lebendigern Augen froh lächelnd zu, »wenn so einer aus dem andern Funken schlägt! O könnten wir uns Licht machen und einander einen Pharos anzünden in diesem nächtlichen Meere, wo Boreas und Süd und Ost und West verschiedner Meinungen stürmisch ungestüme Wogen wälzen! – wenigstens einer den andern wie ein noch scheues edles Roß vor den fürchterlichen Einbildungen auf allen Seiten herumführen.

      Welches der König der Elemente ist: Luft oder Feuer, wär also der Streit bei den griechischen Dichtern und Philosophen. Um das Höchste und Edelste zu sein, muß er die Massen aller andern durchdringen, Gewalt darüber haben, sie an sich ketten und nach seiner eignen Natur formen und bewegen. Nach diesem Grundsatze würden die Dichter wohl den Philosophen nachgeben und alle lebendige Wesen eine Art von Flamme sein; Feuer so über Luft wie Bewegung des Lichts gegen Schall.

      Auch war das Wesentliche zwei der ältesten Religionen des menschlichen Geschlechts in der Mitte der zwei größten Weltteile, Asien und Amerika, Verehrung der Sonne und des Feuers; und ihre Frommen bemitleideten die so mit geistiger Blindheit Geschlagnen, daß sie in Finsternis nach Gespenstern herumtappen, vom Lichte der Natur, durch alle Himmel dasselbe, lieblich und freundlich und erwärmend hell lebendig umstrahlt. Selbst in Rom, da edle Weisheit und Tapferkeit in seinem Senate noch den Erdboden regierte, bewahrten jungfräuliche Hände dessen Glut als das Allerheiligste.

      Kapitel 35

       Inhaltsverzeichnis

      Lassen wir aber auch noch einen Priester des Zeus mit seinem Pomp in diese Versammlung treten und die Religion seines Volks behaupten, weil wir einmal im erfreulichen Schwärmen der Phantasie darüber sind:

      ›Toren ihr alle!‹ ruft er aus; ›die Welt macht nur ein Ganzes, und ihr haltet euch an den Teil. Alle verschiedne Urwesen in der Natur sind göttlich, jedes so ewig als das andre, und keins kann von dem andern herkommen und geworden sein.

      Rein abgesondert nennen wir sie Elemente; untereinander vermengt, für uns ohne Ordnung und Schönheit, nennen wir sie Materie.

      Wie alle diese Kräfte zusammengekommen sind, sich verbinden

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