Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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Rathschläge zu zanken an. Der oberste der Götter antwortet zuerst groß und unabhängig, und als Juno fortfährt und seine Rathschläge offenbaret, zornig und mächtig drohend. Verstummt vor Furcht, gebeugt in ihrem Herzen sitzt die hohe Juno da, und alle Himmlischen im Hause des Gottes versammlet, erseufzen. Eine schauderhafte Stille, eine unruhige stumme Scene, wie vor einem Ungewitter, herrscht im Olymp!

      Wer soll sie brechen? Soll Homer seinen Gesang schließen, und den Leser in einer bangen Besorgniß lassen, ob nicht auf dies Schaudervolle Verstummen nachher wirklich ein Ungewitter erfolget? ob nicht etwa die gebietende Juno den Streit erneuret, und also der mächtige Zevs seine Drohungen erfüllet? Unwürdige Besorgniß! der Hoheit des Epischen Gedichts, und dem Zwecke der homerischen Handlung entgegen! Homer, der nirgend seine Handlung abbricht, sie mit jedem Worte weiter fortführt, thäte doppelt Unrecht, in seinem ersten Gesange, bei der ersten Versammlung der Alles lenkenden Götter uns nicht das Ende ihres Raths wissen zu lassen, und noch ärger uns auf sein ganzes Gedicht hin eine Idee von seinen seligen Göttern beizubringen, die uns wohl nicht den Zustand derselben sehr beneidenswerth vorstellte. –

      Vollendet muß also der Auftritt werden, aber wie? und durch wen? Soll Juno ihren Zweck erneuren, und vor unsern Augen unglücklich werden? Unwürdiger Anblick! Soll sie fußfällig abbitten? Ein niedriger Weg zum Frieden des Himmels, dazu ganz unjunonisch! Eher ließe sie sich auf die gedrohete Art strafen, lieber wollte sie einer höhern Tyrannei unterliegen, als so ihre weibliche Hoheit verläugnen. Auf solche Bedingungen wird also kein Friede im Himmel!

      Und wie denn? Es trete ein Friedensstifter auf zwischen beiden! Doch wer? Einer, der durch sein Ansehen rechte, und durch die Würde seiner Person, als ein himmlischer Nestor, Jupiter und Juno zum Stillschweigen bringe? Solch einer ist nicht im ganzen Olympus! Der Streit ist zwischen den höchsten Göttern: er betrifft die Anschläge Jupiters, und die rechtmäßigen Drohungen seiner Macht: seine ganze Klugheit, sein obergöttliches Recht, seine Gewalt – alles ist mit im Spiele. Wer soll nun auftreten, ihm zu wiedersprechen, ihn ein beßres belehren zu wollen? Alle Anwesende sind Unterordnungen, Unterthanen, Kinder! Selbst die Göttin der Rathschläge, Minerve, ist die Tochter seines Haupts, und kennet ihren Vater zu gut, als daß er sich wiedersprechen, belehren lasse. Alle also, und ohne Ausnahme alle Götter von Würde, von Ernst handeln am besten, wie sie bei Homer handeln, stille sitzen und schweigen.

      Anders also, anders wird die Zwietracht im Himmel nicht gestillt, als daß jemand Juno, die schwächere, und noch dazu die unbillige Parthei des Streites, besänftige – Wer soll dies thun? Etwa Einer, der Jupiter und Juno kenne, vielleicht beiden angehe, nicht zu erhaben sey, um beiden gute Worte zu geben, nicht zu ansehnlich sey, um seine Würde dabei in Gefahr zu setzen – Ein solcher seis, und hat er etwa in seiner Geschichte, in seinem Charakter, in seiner Gestalt Etwas, was Juno warne und besänftige, was die Macht Jupiters gleichsam redend, sichtbar zeige, Ihm also auch Recht gebe, ihn damit auch besänftige – ist ein solcher da, so trete er auf, und gebe den Göttern heitern Tag wieder!

      Und siehe da! ein Gott von minderm Ansehen, ein himmlischer Handwerker; ein Gott, der Jupiter und Juno wohl gute Worte gäbe: ein Sohn beider; der in seiner Geschichte Beispiel gnug von der Macht Jupiters seyn kann: Zevs hat ihn vom Himmel geworfen; der in seiner Gestalt Warnendes gnug für Juno habe: sein noch hinkender, und ewig hinkender Fuß – kurz! da ist der ehrliche Vulkan. Vulkan also fängt an im Namen aller himmlischen Untermächte zu reden, daß ein solcher Krieg die Ruhe der seligen Götter störe, daß die Sache der Menschen die besten Gastmale der himmlischen verderbe. Vulkan spricht als ein ehrlicher Handwerker, der seine Gründe nicht weit herholet; aber seine Vorstellungen sind bündig, der Zeit und dem Orte angemessen, und so stark, als der Amboß, den er zu führen pflegt. Er und alle Götter sind ja zum Schmause erschienen!

      Er wendet sich gegen die Mutter, ob er gleich wüßte, daß auch sie verständig wäre – der Ehrliche, in dessen Munde diese Worte so glaubwürdig werden, als sie es seyn sollen: in dessen Munde also auch die kindliche Anmahnung kein sich brüstender überhobner Rath seyn wird.

      Er erinnert sie an die Macht des Donnergottes, der, wenn er wollte, alles vom Himmel werfen könne – der gute Vulkan redete aus Erfahrung, und wie sein hinkender Fuß ihn nicht anders reden läßt. Sein Rath ist also, Zevs abzubitten, und dem ganzen Himmel Heiterkeit wieder zu geben. – Wo ist bisher der Possenreißer, der hinkende Gaukler?

      Aber abzubitten? dem Himmel Heiterkeit wieder zu geben? Und Juno selbst soll leiden, soll Unrecht behalten? – O daß sie nur nicht am Dornstrauche des letzten Worts hangen bleibe, und von neuem zürne! Siehe da, Vulkan! den Becher voll himmlischer Freude, die Schaale voll Nektar! Tritt zur Juno, daß sie diesen letzten Zug nicht fühle: tröste sie über ihre Traurigkeit und ihre Unterdrückung: führe deine eigne unglückliche Geschichte an! – Vulkan thuts, und siehe! da lächelt die Königin der Götter: lächelnd nimmt sie den Becher der Freude von der Hand ihres Sohnes.

      Ihr hohes Lächeln hat den Olymp aufgeklärt: die Wolken sind vorüber. Die Ruhe, die himmlische Freude besucht die Wohnung der seligen Götter wieder: der süße Nektar fließt für alle: bei allen findet sich das unzerstörbare Vergnügen, die unauslöschlich ewige Seligkeit wieder ein, und fängt an, da sie Vulkan so geschäftig zu ihrem Vergnügen sehen:

       Ασβεστος δἀρ ενωρτο γελως μακαρεσσι Θεοισιν

       Ως ιδον Ηφαιστον δια δωματα ποιπνυοντα.

      So schmausen sie den ganzen Tag hinab bis zur untergehenden Sonne: ihr Herz begehrt nichts: sie speisen Ambrosia des Himmels, sie hören die Zitter des Apollo, und den Wechselgesang der Musen: sie gehen endlich vergnügt jeder in das himmlische Gemach, das ihm der künstliche arbeitsame Vulkan erbauet: Jupiter selbst besteigt sein hohes königliches Bette, und neben ihm die auf goldnem Throne prangende Juno! – Selige Götter! selige Wohnungen des Olympus!

      Wie hat nun Vulkan seine Sache ausgerichtet? Stand er auf, um einen lahmen Gaukler zu machen, und nichts mehr? Unwürdige Vorstellung: Homer erweckte ihn, um die Götter aus einander zu bringen, um dem Olymp den Frieden zu geben. Erreichte er diesen Zweck durch Possen, durch Gaukeleien? Noch unwürdigere Vorstellung: er spricht so anständig, so charakteristisch, als ein Vulkan nur sprechen kann, und hier nur sprechen sollte. Läuft drittens der Auftritt auf ein pöbelhaftes Gelächter hinaus, das sich Bauch und Seiten stemmet, und so fortwähret? Noch unwürdigere Idee, nicht werth, die seligen Freuden des Olymps auch nur von fern zu sehen. Und endlich: war gar dies Pöbelgelächter Homers Endzweck? – – Ich werde unwillig: wer die ganze Episode durch an nichts als an Vulkans hinkendem Fuße, und an den artigen Grimaßen des Mundschenken seine Augen weidet, wer nichts bei Homer als dies sieht, wer alle Götter hierinn nach sich beurtheilt, dem könnte es in diesem Himmel, wie vormals dem Vulkan selbst, gehen: der lache lieber in den Busen!

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