Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder
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Ich wenigstens nicht. Bei mir erreicht das Geschäfte Vulkans, die Juno, und den Jupiter, und den Himmel zu besänftigen, seine Wirkung mit jedem neuen Verse. Mit jedem fühle ich gleichsam einen gelindern Grad von der Bewegung des Sturmes, mit jedem einen neuen sanften Abfall zur Ruhe des Olympus: bis durch alle Stuffen des geminderten Schwunges die selige Freude, das himmlische Lachen der Götter hervorbricht, und nun das frohe Ambrosische Fest anfängt. Vulkan war Friedensstifter, Vulkan der Geber des Festes, und Homer erneuret noch das gute Andenken, das er sich diesen Tag gestiftet, dadurch, daß bei dem Schlusse desselben jeder der Gäste in das Gemach geht, »das ihnen Vulkan erbauet.« – Niemand kann sich eine Seele geben, die Er nicht hat: aber mich dünkt, daß von jedem besänftigenden Verse Homers, (nach Lucians Ausdrucke7 bei seinem Ebenbilde der Schönheit,) eine honigsüße Spur in mir zurück bleibe, daß mit jedem Worte sich der Aufruhr der himmlischen Unruhe mehr bändige, und endlich bei dem Ausbruche der seligen unzerstörbaren Freude bleibet ein Echo zurück, das mich die Citter des Apollo und den Gesang der Musen hören läßt, und so schließe ich Homers ersten Gesang.
1 p. 24. 25. etc.
2 Leben der Mahler Th. I. p. 81. Eben der Tadel, nur verändert, ist Voltären und andern Franzosen eigen, und Hr. Leßing hat zu verschiednen malen die Sache von der Seite des Drama in Beleuchtung genommen; s. Dramaturg. 1. und 2. Band hin und wieder.
3 Geschichte der Kunst und Anmerk. dazu, p. 42. etc
4 Iliad. ά v. 595.
5 p. 25.
6 Ich hoffe doch nicht, daß man mir Plato's Urtheil (de Republ. L. 3.) dagegen anführen werde: denn Plato will hier, wie er, oder Sokrates in andern Stellen, keinen Ausleger Homers, sondern den Moralisten, den Staatslehrer seiner Zeit aus Homer machen. Und schlimm gnug, wenn der Pöbel der Griechen diese Stelle so nahm, wenn er die Götter sich hieraus als φιλογέλωτας dachte, und ihnen wenigstens im Gelächter nachstreben wollte!
7 Τι λείψανον ἐνδιατρίβειν, καὶ περιβομβειν τὰ ὦτα καϑάπερ ηχώ τινα παρατείνουσαν τὴν ἀκρόασιν, καὶ ἴχνη τῶν λόγων μελιχρὰ ἂττα κ. τ. λ. Lucian. εικον.
III.
Und so begleite ich ihn auch bei der Scene Thersites. Wenn Hr. Klotz dieselbe nicht aus der Lateinischen Uebersetzung beurtheilte, so würde er kaum das γελοιον,1 sondern das αισχρον zu ihrem Hauptcharakter machen: wenn er sie nicht aus dem Zusammenhange risse, so würde er finden, daß sie nicht blos an ihrem Orte stehe,2 sondern auch, welches noch kühner ist, nirgends anders stehen könne: und wenn Hr. Kl. sich auf die Zeiten Achills und Homers erinnerte: so würde er finden,3 daß das Colorit des Niederträchtigen, Pöbelhaften, Häßlichen im Thersites Original Griechisch sey, nach den Sitten der damaligen Zeit nicht anders, und nach dem Epischen Zwecke Homers nicht schwärzer, und nicht weißer seyn könne. Hier muß ich also Hr. Klotzen verlassen; denn er redet mir Bogenlang von einem Possenreißer, von einem unleidlichen Gaukler, von einem beschwerlichen unanständigen Lachenerwecker vor, den ich nicht kenne.
Beinahe eben so tief ists, wenn er den Zank Ulysses und Irus tadelt.4 Was dieses Gezänk in der Odyssee5 ist, das sind die Zänkereien zwischen Achilles und Agamemnon6 in der Helden-Iliade, nur nach Verschiedenheit des Stoffes und der Menschengattung: Zank bleibt an sich Zank. Und was dieser Hader unter Menschen, ist der Zank unter den Göttern, der sich noch mehr und öfter auszeichnet. – Und was dieser; das sind hundert Scenen, die alsdenn aus Homer wegmüssen, wenn eine solche ehrbar feine Critik unsres Zeitgenossen gelten sollte, kein Held der Iliade, die wenigsten Auftritte der Odyssee sind alsdenn für unsern Zoilus: denn heißt es aufs neue:
– ibis, Homere, foras.
Wenn es darauf ankäme, könnte ich Hr. Kl. selbst noch eine Reihe unwürdiger, unanständiger, unartiger Züge in Homer anführen, »wo Homer geschlummert, als welches, ich glaube, aus den Oertern erhellet, wo er sich den Sitten seiner Zeit bequemet, die noch nicht gnug gefeilt, bei ihrer Einfalt etwas Bäurisches und Rauhes haben, wo er sich zu dem herabläßt, was der Würde und Erhabenheit des Epischen Gedichts, wie ich achte, gar nicht geziemet: wo er demselben nicht leichte Flecken angespritzt, wo er es nicht auf eine geringe Art verunstaltet, wo er dem Leser einen nicht kleinen Verdruß erwecket.« Ueber alles könnte ich mit vielen Beispielen aufwarten, und alsdenn im würdigen Ton auf Homer schmähen; ob aber daraus Homerische Briefe, oder eine Satyre würde: mag der Kenner Homers urtheilen, und Gott Lob! daß Deutschland wahre Kenner Homers besitzet!
Jetzt muß ich Homer verlassen, denn ich sehe, daß Hr. Klotz, zornig, wie die Göttinn Ate bei Homer, auf den Köpfen der größesten Genies aller Zeiten und Völker wandelt.7 »Lächerliches mit dem Ernsthaften, mit dem Nachdrucke Scherz, und das Große mit dem Niedrigen vermischen, hat zu aller Zeit für unanständig angesehen werden sollen, muß von jedem getadelt werden, es sey denn, wer mit Lopez di Vega glaubt, es stehe ihm frei, mit Vernachläßigung aller Regeln, was und wie ers wolle vorzubringen, und das Wahre mit der Fabel, die Komödie mit dem Trauerspiele, das Lächerliche mit dem Ernsthaften so zu vermischen, daß aller Unterschied zwischen dem Soccus und Kothurn aufhöre.« Und das sollte Lopez di Vega geglaubt haben? Das kann Hr. Klotz von einem Manne schreiben, dessen Namen ihm Ehrfurcht erwecken sollte? Der Spanische Dichter mag selbst reden,8 er wird doch besser wissen, was er glaube, oder nicht glaube, als Hr. Kl. »Dem Himmel sei gedankt, noch ehe ich völlig zehn Jahre gewesen bin, habe ich die Bücher durchgelesen, die von den Regeln der dramatischen Dichtkunst handeln. Als ich aber zu schreiben anfieng, fand ich die Komödie bei uns beschaffen, nicht wie die Alten gedacht haben, daß man sie nach ihnen einrichten würde; sondern wie sie viele Unwissende verunstaltet, die dem Volke ihren groben Geschmack beigebracht haben. Dieser schlechte Geschmack ist so sehr eingerissen, daß derjenige, der es wagt, nach den Regeln zu arbeiten, in Gefahr steht, ohne Ruhm und Belohnung zu sterben; denn unter Leuten, die sich der Vernunft nicht bedienen wollen, vermag die Gewohnheit mehr, als alle Vorstellungen. Es ist wahr, daß ich zuweilen den Regeln der Kunst, die so wenige kennen, gefolgt bin; so bald ich aber, auf der andern Seite, jene blendenden Ungeheuer, wozu das Volk schaarenweise läuft, und welche das Frauenzimmer vergöttert; so