Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder страница 58
Erstlich glaube ich nicht, daß ich auf die Nachwelt komme, und dann sind wir ja die Väter der Nachwelt und die wird uns gewiß ihren kindlichen Respekt nicht versagen. Ich kann nicht begreifen warum man sich mehr vor ihr als vor dieser Welt schämen soll.
*
Der gesunde Gelehrte, der Mann bei dem Nachdenken keine Krankheit ist.
*
Was auf Shakespearisch in der Welt zu tun war hat Shakespear größtenteils getan.
*
Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen.
*
Das ist eine Arbeit wobei sich glaube ich die Gedult selbst die Haare ausrisse.
*
Weil doch nun einmal Geld in der Welt dasjenige ist was macht, daß ich das Kinn höher trage, freier aufsehe, sicherer auftrete, härter an andere anlaufe.
*
Die Professoren auf Universitäten sollten Schilde aushängen wie die Wirte.
*
Man könnte eine Diätetik schreiben für die Gesundheit des Verstandes.
*
Jeder Mensch hat seinen Zirkel von Kenntnissen, worin er sich besser zu finden weiß als der meiste Teil unsrer Philosophen sich in den ihrigen zu finden wissen. In diesem bemerkt er das Lächerliche, das Feine, das Dumme, das Überflüssige in einem Blick, und wie kann es anders sein, wenn ich die Absicht einer Sache kenne, und habe mir eine Kenntnis der bekannten Mittel erworben, so muß es mir leicht sein das Falsche in neuen Mitteln einzusehen. Wenn ich einem Küchen-Mädchen eine Beschreibung von einem Gericht geben will, und sagte ihr daß es ein cürieuses Essen und von einem besondern Wohlschmack sei, und daß man Grütze auf den Rand der Schüssel streuen könne, so wird sie mich sicher auslachen. Viele Schriftsteller behandeln ihre Materien auf diese Art, das Widersinnige ist ihnen verborgen. Wenn man also Personen etwas begreiflich machen will, so muß man sich der Beispiele aus ihrem Zirkel bedienen, und wiederum kann man aus diesen Erfahrungen lernen was man zu tun hat um eine gewisse Wissenschaft sich zu seinem Zirkel zu machen.
*
Es wäre kein Wunder fürwahr wenn die Zeit einem solchen Schurken das Stundenglas ins Gesicht schmisse.
*
Sind wir nicht schon einmal auferstanden? Gewiß aus einem Zustand in welchem wir weniger von dem gegenwärtigen wußten, als wir in dem gegenwärtigen von dem künftigen wissen. Wie sich verhält unser voriger Zustand zu unserm jetzigen, so der jetzige zum künftigen.
*
Wenn ich sage, halte deine Zähne rein und spüle den Mund alle Morgen aus, das wird nicht so leicht gehalten, als wenn ich sage, nehme die beiden Mittelfinger dazu und zwar über das Kreuz. Des Menschen Hang zum Mystischen. Man nütze ihn.
*
Ich habe bemerkt, daß zwar jetzt eine gewisse Freigeisterei unter jungen Leuten einreißt, die mit der Zeit üble Folgen haben kann, aber so viel ist gewiß, es hat sich doch ein gewisses Wohlwollen unter eben diesen Leuten ausgebreitet. Man findet viel Mitleiden, Bescheidenheit pp unter ihnen.
*
Wenn man über dieses anfängt zu sprechen, so wird es plausibel, denkt man aber daran, so findet man daß es falsch ist. Der erste Blick, den ich im Geist auf eine Sache tue, ist sehr wichtig. Unser Geist übersieht die Sache dunkel von allen Seiten, welches oft mehr wert ist, als eine deutliche Vorstellung von einer einzigen.
*
Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, sagt die Bibel, die Philosophen machen es grade umgekehrt, sie schaffen Gott nach dem ihrigen.
*
Ich glaube der schlechteste Gedanke kann so gesagt werden, daß er die Wirkung des besten tut, sollte auch das letzte Mittel dieses sein ihn einem schlechten Kerl in einem Roman oder Komödie in den Mund zu legen.
*
Ob ein Mann, der schreibt, gut oder schlecht schreibt, ist gleich ausgemacht, ob aber einer, der nichts schreibt und stille sitzt, aus Vernunft oder aus Unwissenheit stille sitzt, kann kein Sterblicher ausmachen.
*
Ein Impromptu an dem er schon ein paar Tage zuvor in müßigen Stunden gearbeitet hatte.
*
Die Bauernmädchen gehen barfuß, und die Vornehmen barbrust.
*
Wenn die Menschen nicht in Etagen wohnten, so wäre die halbe Erde schon mit Häusern angefüllt, so bauen wir schon in die Luft wo wir nicht hingehören.
*
Ich stelle mir vor, wo wir an die uns gesetzten Grenzen der Dinge kommen oder noch ehe wir daran kommen, so können wir ins Unendliche sehen, so wie wir auf der Oberfläche der Erde in den unermeßlichen Raum hinaussehen.
*
Man muß keinem Werk, hauptsächlich keiner Schrift die Mühe ansehen, die sie gekostet hat. Ein Schriftsteller der noch von der Nachwelt gelesen sein will muß es sich nicht verdrüßen lassen, Winke zu ganzen Büchern, Gedanken zu Disputationen in irgend einen Winkel eines Kapitels hinzuwerfen, daß man glauben muß, er habe sie zu Tausenden wegzuschmeißen.
*
Wo sich ein Körper bewegt, da ist Raum und Zeit, das simpelste empfindende Geschöpf in dieser Welt wäre also das Winkel und Zeiten messende. Unser Hören und vielleicht auch unser Sehen besteht schon in einem Zählen von Schwingungen.
*
Daß die Menschen alles aus Interesse tun, ist dem Philosophen nützlich zu wissen, er muß nur nicht darnach handeln, sondern seine Handlungen nach dem Weltgebrauch einrichten. So wie ein guter Schriftsteller nicht von dem gewöhnlichen Gebrauch der Wörter abgeht, so muß auch ein guter Bürger nicht gleich von dem Handlungsgebrauch abgehen, ob er gleich vieles gegen beides einzuwenden hat. Ich bin so sicher überzeugt, daß der Mensch alles seines Vorteils wegen (dieses Wort gehörig verstanden) tut, daß ich glaube es ist zu Erhaltung der Welt so nötig als die Empfindlichkeit zu Erhaltung des Körpers. Genug daß unser Vorteil so sehr oft nicht erhalten werden kann ohne 1000 glücklich zu machen, und unsere erste Ursache das Interesse eines Teils so weislich mit dem Interesse vieler andern zu verbinden gewußt hat.
*
Über den Neger-Embryo in Spiritus
Da liegt er noch in der Stellung, worin er Leben und Tag erwartete, Leben und Tag, die dem Armen nie erschienen. Kind wie glücklich bist du, schon so früh an dem Ziel, das Tausende deiner Brüder unter blutigen Striemen, unter Leiden ohne Zahl erst erreichen.
Armer Kleiner, wie glücklich bist du, die Ruhe die du genießest müssen sich Tausende deiner unglückseligen Brüder mit Blut unter der Geißel nichtswürdiger Krämer erkaufen. Nichts, nichts hast du an dieser Welt verloren, wo deine Rechte verkauft sind, und