Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder

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wollte lieber das Wort superklug gemacht haben als irgend eines, es macht seinem Zusammensetzer zuverlässig Ehre. Es gibt Leute, die sich angewöhnt haben über alles Reflexionen anzustellen, nicht weil ihnen die Sachen natürlich einfallen, sondern es ist viel mehr ein künstliches Einfallen, das der Philosophie nicht den Henker nützt. Es sind so zu reden Wunder in der Welt der Ideen, auf die man nicht rechnen kann. Da dergleichen Leute immer Ursachen angeben, weil sie es für ihre Pflicht ansehen oder für schön halten, so verfehlen sie fast allemal das Natürliche, denn das Schwere, weit Hergeholte schmeichelt dem Stolze aus welchem sie es tun mehr, als das Natürliche. Auch hierin liegt der Grund davon, daß uns die großen Entdeckungen so leicht zu machen scheinen, wenn sie gemacht sind. Der eigentliche Verständige hingegen, der nicht so viel lebhaften Witz hat, oder ihm wenigstens alsdann nicht gleich traut, schließt so weil er hohe Ursache hat so zu schließen, durch Ähnlichkeit sind mir Tausende verwandt, durch nahe Blutsfreundschaft nur wenige. Versteht ihr mich? Daher urteilt das Frauenzimmer so vernünftig, das haben unsere Vorfahren eingesehen und sie bei großen Sachen zu Rate gezogen. Die Gallier glaubten sogar, es sei etwas Göttliches in ihnen. Ihr Gefühl für das wahre Schöne hängt mit jenem zusammen, so wie das Superkluge mit einem Vergnügen am Sonderbaren verbunden ist. Herr Magister Thiele ist superklug, Professor Meister klug. Der Kluge wird nie superklug, hingegen kann der Superkluge, wenn er aufhört aus dem Erfinden ein Geschäfte zu machen und viel vernünftige Sachen liest, wenn er sich nicht gar zu sehr verstiegen hat, am Ende klug werden.

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      Wenn man die Lage, Gestalt und Einrichtung alles dessen was um uns ist gnau untersucht, so werden sich noch natürliche Gründe finden lassen, warum sie so liegen, so gestaltet und so eingerichtet sind. Hat man diesen Regeln nachgespürt, so finden sich nach Maßgabe des Verstandes dessen, der diese Untersuchungen unternimmt, leicht Verbesserungen dieser Dinge, weil man finden wird, daß diese einzigen Regeln in einem Punkt befolgt und in dem andern aus der Acht gelassen worden sind.

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      Einige Leute wollen das Studieren der Künste lächerlich machen indem sie sagen man schriebe Bücher über Bildchen. Was sind aber unsre Gespräche und unsre Schriften anders als Beschreibungen von Bildchen auf unserer Retina oder falschen Bildchen in unserem Kopf?

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      Wenn man die meisten Gelehrten ansieht, nichts verrichten sie an sich als daß sie sich die Nägel und Federn schneiden. Ihre Haare lassen sie sich durch andere in Ordnung legen, ihre Kleidung durch andere machen, ihre Speise durch andre bereiten, dafür daß sie das Wetter in ihrem Kopfe beobachten.

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      Der Mann hatte so viel Verstand, daß er fast zu nichts mehr in der Welt zu gebrauchen war.

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      Ich kenne die Leute wohl, die ihr meint, sie sind bloß Geist und Theorie und können sich keinen Knopf annähen. Lauter Kopf und nicht so viel Hand als nötig ist einen Knopf anzunähen.

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      Die beiden Frauenzimmer umarmten sich aus Grimasse, und hingen zusammen wie 2 Vipern in coitu.

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      Außer den Eigenschaften, die er mit allerlei Tieren gemein hatte, hatte er auch noch einige mit Thermometern, Hygrometern und Barometern gemein.

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      Man wird in manchen Fällen bloß aus dem Grunde nicht gestraft, oder es sieht vielmehr so aus als wenn man nicht gestraft würde weil man die Strafe an sich selbst bezahlt. Das was ausgezahlt wird wird oft einem Teil genommen und an den andern erlegt. Einer kann an dem Ruhm ein witziger Schriftsteller zu sein zunehmen, während als der Kredit, den er als ehrlicher Mann hatte, abnimmt.

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      Wenn Scharfsinn ein Vergrößrungs-Glas ist, so ist der Witz ein Verkleinerungs-Glas. Glaubt ihr denn daß sich bloß Entdeckungen mit Vergrößerungs-Gläsern machen ließen? Ich glaube mit Verkleinerungs-Gläsern, oder wenigstens durch ähnliche Instrumente in der Intellektual-Welt sind wohl mehr Entdeckungen gemacht worden. Der Mond sieht durch einen verkehrten Tubum aus wie die Venus und mit bloßen Augen wie die Venus durch einen guten Tubum in seiner rechten Lage. Durch ein gemeines Opern-Glas würden die Plejaden wie ein Nebelstern erscheinen. Die Welt, die so schön mit Bäumen und Kraut bewachsen ist, hält ein höheres Wesen als wir vielleicht eben deswegen für verschimmelt. Der schönste gestirnte Himmel sieht uns durch ein umgekehrtes Fern-Rohr leer aus.

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      Es wäre ein Tier möglich das seinen Körper nicht übersehen könnte, so wie unsere Seele sich nicht deutlich begreifen kann ob sie gleich weiß, daß sie da ist. Der Materialist findet die Gründe zu schwach, womit man die Existenz der Seele beweisen will, der Idealist findet die andern wieder schwach.

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      Bemühe dich, nicht unter deiner Zeit zu sein.

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      Er war ein solcher aufmerksamer Grübler, ein Sandkorn sah er immer eher als ein Haus.

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      Die Verfasser der Zeitungen und Monatschriften lassen sehr weislich gegen das Ende etwas nach und schreiben schlechter, um die Leser endlich an den gänzlichen Verlust zu gewöhnen, das hätte man ja schon daraus schließen können, daß sie allemal bald hernach ganz aufhören.

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      Er hatte sich ein gewisses System gemacht, das nunmehr einen solchen Einfluß auf seine Denkungsform hatte, daß die Zuschauer sein Urteil immer ein paar Schritte vor der Empfindung vorangehen sahen, ob er selbst gleich glaubte es hielte sich hinten.

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      Die Gabe den Menschen ihre Heimlichkeiten sagen zu können ist es was man bei einem Schriftsteller oft Menschenkenntnis nennt. Ein Pursch dünkt sich gleich mehr, wenn er den Hut heruntergeschlagen usw. Jedermann hat seinen guten Grad von Menschenkenntnis, die Leute wissen nur nicht, daß man eben das sagen muß um für einen Menschenkenner gehalten zu werden.

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      Es gibt Leute die zuweilen ihre Offenherzigkeit rühmen, sie sollten aber bedenken daß die Offenherzigkeit aus dem Charakter fließen muß, sonst muß sie selbst der als eine Grobheit ansehen, der sie sonst, wenn sie echt ist, hochschätzt.

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      Zwei Absichten muß man bei der Lektüre beständig vor Augen haben, wenn sie vernünftig sein soll. Einmal die Sachen zu behalten und sie mit seinem System zu vereinigen, und dann vornehmlich, sich die Art eigen zu machen, wie jene Leute die Sachen angesehen haben, das ist die Ursache warum man jedermann warnen soll keine Bücher von Stümpern zu lesen, zumal wenn sie ihre Räsonnements einmischen, man kann Sachen aus ihren Kompilationen lernen, allein was einem Philosophen eben so wichtig, wo nicht wichtiger ist, seiner Denkungs-Art eine gute Form zu geben lernt er nicht.

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      Es ist minder schrecklich einen Venerischen der voller Geschwüre ist anzusehen, als einen andern Menschen der böse Geschwüre hat, vermutlich, weil es nur von uns abhängt, ob wir von jenem Übel befreit bleiben wollen, hingegen aber das letztere uns, wie wir wenigstens glauben, auch wider unser Verschulden befallen kann.

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      Ich kann nicht leugnen, daß mir als ich zum erstenmal sah, daß man nun in meinem Vaterland anfange zu wissen was Wurzelzeichen

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