Allgemeine Staatslehre. Alexander Thiele

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Allgemeine Staatslehre - Alexander Thiele

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zum demokratischen Staatswesen über die Staatsangehörigkeit formal zu regeln.[297] Ohne eine formale Zuordnung ist Demokratie nicht denkbar – einerseits, weil klar sein muss, wer zum Volk gehört, von dem die Staatsgewalt ausgeht, andererseits, weil Solidarität[298] und Zusammenhalt[299] (unter anderem in Form eines Sozialstaats) an eine geteilte Idee der Zugehörigkeit geknüpft sind.[300] Allerdings sollte diese Zuordnung gerade nicht auf einer wie auch immer gearteten Nation beruhen,[301] da eine solche gewisse Defizite |52|aufweist. Insgesamt drei Probleme einer solchen „Integration durch Nation“ sind zu beklagen: Erstens wird dadurch die Zusammengehörigkeit im Jetzt durch den Blick in eine (vermeintlich) geteilte Vergangenheit begründet. Das war in der Anfangszeit der Nationsidee kaum anders machbar, erscheint heute aber unnötig. Da es um eine Integration im Jetzt geht, sollte die Integration auch auf einer im Jetzt ruhenden Idee basieren. Damit wird – entgegen dem Vorwurf von Aleida Assmann – nicht pauschal die Bedeutung einer angemessenen Erinnerungskultur geleugnet.[302] Zumindest für das friedliche und integrierte Zusammenleben im Jetzt erfolgt aber durchaus eine gewisse Verschiebung des Blicks weg von der (nationalen und tendenziell exkludierenden) Vergangenheit hin zur (denationalisierten) Gegenwart. Das Stichwort, das an späterer Stelle noch einmal aufzunehmen ist lautet hier: Verfassungspatriotismus.[303] Zweitens ist unklar, welche Merkmale eine Nation in diesem Sinne begründen. Das macht die Idee anfällig für Missbrauch und allzu konstruierte (beliebige) Zusammengehörigkeiten – ein Phänomen, das bis heute immer wieder vorkommt und für politische Ziele instrumentalisiert wird.[304] Drittens ist die Zugehörigkeit zu einer Nation in vielen Fällen nicht erlernbar. Wo sich eine Nation ethnisch, religiös oder über territoriale Abstammung definiert, kann eine Integration von Neuankömmlingen schon formal nicht gelingen. Die betreffenden Personen bleiben BürgerInnen zweiter Klasse. Die Denationalisierung des demokratischen Verfassungsstaates könnte einen Weg darstellen, diesen Problemen zu begegnen.[305] Die Nation würde nach diesem „Zusammengehörigkeitsnarrativ“[306] – so wie zuvor die Religion – zur Privatsache erklärt („Staat ohne Nation“), hätte dort aber weiterhin ihren Platz. Die Zugehörigkeit zum demokratischen Gemeinwesen würde hingegen über die Anerkennung erlernbarer materiell-formeller Wertevorstellungen erfolgen, die primär in der Verfassung verankert sind.[307] Darauf wird bei der letzten Frage zurückzukommen sein.

      4. Der völkerrechtliche Staatsbegriff

      5. Weitere Staatsbegriffe

       Zwei-Seiten-Theorie (Georg Jellinek). Jellinek, als Person einer der „Klassiker der Allgemeinen Staatslehre“,[317] unterschied einen Rechts- von einem Sozialbegriff des Staates, mithin eine sozial-faktischen von einer juristisch-normativen Beschreibungsebene von Staatlichkeit:[318] „Die erste hat zum Gegenstand den Staat als soziale Erscheinung. Sie wendet sich den realen, subjektiven und objektiven Vorgängen zu, aus denen das konkrete Leben der Staaten besteht […]. Die zweite hat zum Gegenstand die rechtliche Seite des Staates […]. Die juristische Erkenntnisweise des Staates hat die soziale daher zu ergänzen, ist aber in keiner Weise mit ihr zu vermengen.“[319] Damit konnte der Staat nach Jellinek zwar aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden, beide Perspektiven waren aber stets sauber voneinander zu scheiden: „Eine Vermischung des Rechtlichen mit dem, was vor dem Rechte liegt, soll in einer wissenschaftlichen Darstellung der Staatslehre nicht stattfinden.“[320] Damit ging Jellinek das Methodenproblem auf innovative Weise an, er versuchte gewissermaßen zwischen sozialer und normativer Staatslehre zu vermitteln: „Dass es Jellinek |55|in seinen zentralen Positionen und Begriffen vor allem auf die Vermittlung von Faktizität und Normativität ankam, zeigt bereits ein erster Blick in seine Allgemeine Staatslehre.“[321] Überzeugend zu lösen vermochte er das Methodenproblem damit freilich nicht. Mit Christoph Möllers: „Der Anstaltsstaat des staatsrechtlichen Positivismus wird der Wirklichkeit gegenüber gleichzeitig geöffnet und juristisch immunisiert.“[322] Gleichwohl vermag dieser vermittelnde Ansatz erklären, warum Jellinek bis heute besonders rezeptionsfähig erscheint, da jede positive Rechtsordnung weiterhin vor ähnlichen Vermittlungsproblemen steht: Sein Vermittlungsversuch „lässt Georg Jellinek als Klassiker für solche Juristen erscheinen, die für die Vermittlung von Faktizität und Normativität nach historischen Referenztexten suchen, um die normative Argumentation für sozialwissenschaftliche Erkenntnisse zu öffnen, ohne gleichzeitig ihren juristischen Methodenanspruch aufzugeben.“[323]

       Der Staat als Rechtsordnung (Hans Kelsen).[324] Nach dieser Vorstellung ist das Recht die einzige Ausdrucksform des Staates: Der Staat ist das Recht und das Recht ist der Staat; außerhalb des Rechts gibt es keine Form von Staatlichkeit, kein faktisches Staatswesen, das wie bei Jellinek durch das Recht aufgenommen und geformt werden könnte. In seiner Allgemeinen Staatslehre, die Matthias Jestaedt treffend als die erste Gesamtdarstellung der Reinen Rechtslehre einordnet,[325] führt Kelsen gegen Jellineks „Zwei-Seiten-Theorie“ des Staates gerichtet aus: „Ist erkannt, dass die Existenzsphäre des Staates normative Geltung und nicht kausale Wirksamkeit, dass jene spezifische Einheit, die wir in dem Begriff des Staates setzen nicht in der Welt der Naturwirklichkeit, sondern in jener der Normen oder des Wertes liegt, dass der Staat seinem Wesen nach ein System von Normen oder der Ausdruck für die Einheit eines solchen Systems ist, dann ist damit die Erkenntnis, dass der Staat als Ordnung

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