Allgemeine Staatslehre. Alexander Thiele

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sein, weil neben dieser die Geltung einer anderen Ordnung ausgeschlossen sein muss.“[326] Es ging bei Kelsen insofern nicht nur darum, den juristischen Staatsbegriff noch stärker in den Fokus zu rücken. Vielmehr behauptete |56|er die Unmöglichkeit eines außerrechtlichen Staatsbegriffs (auch für andere Disziplinen):[327] „Von jenem Gegensatz zwischen Staat und Recht, der die heutige Theorie beherrscht, kann jedenfalls keine Rede sein.“[328] Horst Dreier fasst diese Gedanken folgendermaßen zusammen: „Für Kelsen steht der Staat weder vor noch hinter und schon gar nicht über der Rechtsordnung, für ihn ist der Staat die Rechtsordnung; Staat und Recht sind identisch.“[329] Eine Erkenntnis, die Kelsen schließlich „zu der fragwürdigen, rein begrifflichen und deshalb auch bloß tautologischen Schlussfolgerung führt: ‚Jeder Staat ist Rechtsstaat.‘“[330] Auch deshalb dürfte sich Kelsens Staatsverständnis in der Folge nicht durchgesetzt haben;[331] die Indifferenz bezüglich unterschiedlicher Staatsformen[332] (Demokratie oder Diktatur) spielte demgegenüber wohl eher eine geringere Rolle. Die Lektüre seiner von brillanten Gedanken durchzogenen Allgemeinen Staatslehre sei im Übrigen gleichwohl wärmstens empfohlen.

       Der faktische Staatsbegriff (Carl Schmitt). Gewissermaßen das Gegenmodell zu Kelsen bildete das Staatsverständnis Carl Schmitts, indem nicht die normative, sondern die faktische Seite des Staates in den Vordergrund gerückt wurde (wenngleich stets auf die konkrete Verfassung bezogen). Der Staat war damit für Schmitt bereits vorrechtlich existent und zwar als politische Einheit eines Volkes, das durch diese Einheit erst in die Lage versetzt wurde, sich und damit den Staat (in einer Verfassung) zu verrechtlichen. Diese vorrechtliche Einheit wirkte aber auch nach der Verrechtlichung als politische Seite des Staates fort und konnte Abweichungen von der Rechtsordnung legitimieren – etwa, wenn andernfalls die politische Einheit in Gefahr geriete. Hierin wurzelt denn auch der berühmte Ausspruch Schmitts wonach souverän derjenige ist, der über den Ausnahmezustand entscheidet. Schmitt plädierte daher für eine strikte Trennung von dem die Einheit repräsentierenden Staat und der Gesellschaft/Wirtschaft und sah mit deren zunehmender Vermischung (vor allem durch die Parlamentarisierung und die Ausweitung des Sozialstaats) konsequenterweise bereits das Ende der (beziehungsweise jedenfalls seiner Vorstellung von) Staatlichkeit angebrochen.

       |57|Wirklichkeitswissenschaftliches Staatsverständnis (Hermann Heller). Für Hermann Heller war vor allem die politische Wirklichkeit entscheidend, wenn es darum ging, den Staat zu definieren. Zentral waren für ihn daher die wirklichkeitsbezogenen Wissenschaften (Sozialwissenschaften). Er wandte sich damit nicht zuletzt gegen Kelsens positivistische (und entpolitisierende) Verrechtlichung, sah aber auch Jellinek insgesamt als zu unpolitisch an. Die verfasste politische Einheit (Schmitt) war für Heller zwar durchaus relevant, allerdings nicht in Form einer unveränderlichen und vorrechtlichen oder vorstaatlichen Einheit. Vielmehr beschrieb Heller das Volk als vielfältig, dass sich daher nur punktuell und situationsbezogen zu einer Einheit zusammenfinden kann, die vom Staat immer wieder hergestellt werden muss. Der Staat war für Heller daher eine organisierte Entscheidungs- und Wirkungseinheit, die sich von anderen (gesellschaftlichen) Einheiten dieser Art durch sein Gewaltmonopol unterschied, das zugleich die besondere Stellung des Staates ausmacht. Gerade diese letzte Prämisse wird in letzter Zeit vor dem Hintergrund der Globalisierung immer wieder (allerdings zu Unrecht) in Frage gestellt.

       Staat als prozesshafte Integration (Rudolf Smend). Anders als Schmitt ging Smend nicht davon aus, dass dem Staat eine dauerhafte gefestigte politische Einheit voranging.[333] Die zunehmende Differenzierung der Gesellschaft führe vielmehr dazu, dass auch der Staat nicht mehr als etwas Dauerhaftes, sondern als etwas stets Wandelbares, als eine dynamische Einheit angesehen werden müsse, in der der erforderliche Zusammenhalt immer wieder neu hergestellt und realisiert werden muss: „Aus diesem Grund ist der Staat in der Integrationslehre keine an sich bestehende Person, die mit technischen und mit Machtmitteln bestimmte Aufgaben zu erfüllen sucht und dadurch in einen Gegensatz zum Einzelmenschen tritt. Das Problem der Fremdheit zwischen Staat und einzelnem kann gelöst werden, wenn der Staat nicht als reine Zweckschöpfung, sondern als eine Existenzweise und geistige Lebensgemeinschaft von Menschen erkannt wird. Die Integrationslehre unternimmt es, die Spannung zwischen dem Individuum und der Gemeinschaft zu überwinden, indem der Staat als wesensnotwendige Lebensform des menschlichen Geistes betrachtet wird.“[334] Der Staat war für Smend eine konstante (geistige) Integrationsgemeinschaft. Er basierte auf dem „Sinnprinzip der Integration“ und überlebte allein dank eines gedachten Plebiszits, das sich jeden Tag aufs Neue wiederholte und mit dem die Bevölkerung ihre Zugehörigkeit zum Staat zum Ausdruck brachte: „[Der Staat] ist überhaupt nur vorhanden in |58|diesen einzelnen Lebensäußerungen, sofern sie Betätigungen eines geistigen Gesamtzusammenhangs sind, und in den noch wichtigeren Erneuerungen und Fortbildungen, die lediglich diesen Zusammenhang selbst zum Gegenstande haben […]. Es ist dieser Kernvorgang staatlichen Lebens […], für den ich […] die Bezeichnung Integration vorgeschlagen habe.“[335] Dass der moderne Staat auf die Integration seiner BürgerInnen angewiesen ist, wird heute nicht mehr bestritten. Smends Integrationslehre wird daher auch heute noch vielfach – nicht zuletzt im europäischen Integrationsprozess – rezipiert, was auch aufgrund ihrer inhaltlichen Offenheit gut möglich ist.[336] Wie Integration gelingen kann und wie unter anderem die (staatlich geförderte) Kultur dazu beitragen kann (etwa die Kunst) bleibt eine zentrale Frage im demokratischen Verfassungsstaat.

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