Das Neue Testament - jüdisch erklärt. Группа авторов
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Das Gleichnis vom verlorenen Sohn
Die thematisch ähnlichen Gleichnisse vom verlorenen Schaf und dem verlorenen Groschen, die diesem Gleichnis unmittelbar vorangehen, zeigen, dass es hier um mehr geht als um bloße Umkehr (trotz der Feststellung in Lk 15,10), denn weder Schafe noch Münzen sind zur Umkehr fähig. Wenn man das Gleichnis in einen jüdischen Kontext stellt, verleiht man der Geschichte mehr Tiefe und verhindert einige volkstümliche (Fehl-)Interpretationen.
1) Eine Geschichte, die mit „Ein Mann hatte zwei Söhne“ beginnt, gibt angesichts der Brüderpaare Kain und Abel, Ismael und Isaak, Esau und Jakob schon gleich zu Beginn ihr Thema an. Jüdische Hörerinnen und Hörer würden sich wahrscheinlich (von Anfang an) mit dem jüngeren Sohn identifizieren. Hier aber blamiert sich der jüngere Sohn durch einen ausschweifenden Lebenswandel. So werden sich die Hörerinnen und Hörer schockiert der Möglichkeit zuwenden, sich mit dem älteren Sohn zu identifizieren und dann vielleicht auch die Qualitäten dieser älteren Söhne in der biblischen Tradition zu erkennen.2) Die Bitte des Sohnes um sein Erbe beleidigt den Vater nicht, wie oft behauptet wird, obwohl der Vater mit seiner Zustimmung riskiert, als Narr zu erscheinen (Sir 33,20–24). Hätte der Sohn seinen Vater durch die Bitte um Auszahlung seines Erbteils entehrt, hätte sein Vater ihn sofort zurechtgewiesen und ihm nicht seine Bitte gewährt.3) Obwohl viele Auslegerinnen und Ausleger den Sohn für reuevoll halten, erwähnt der Text dies nicht. Der Beweggrund des verlorenen Sohns, zu seinem Vater zurückzukehren, ist eher wirtschaftliche Hoffnungslosigkeit als theologische Erkenntnis, und in seinem eher formelhaft wirkenden Vers „Ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir“ (Lk 15,18) hallt die ähnlich verzweifelte Bitte des Pharaos nach (Ex 10,16), der einfach nur will, dass die Plagen aufhören.4) Die übliche Ansicht, dass die großzügige Reaktion des Vaters auf den Verlorenen – gleich, ob man in ihm einen liebenden Elternteil oder eine Verkörperung Gottes sieht – Jesu jüdisches Publikum erstaunt habe, ist ebenfalls falsch. In der jüdischen Tradition schreibt man Vätern gemeinhin zu, ihre Kinder zu lieben (s. Anm. zu Lk 8,42), und Gott, dem Sünder die Hand hinzustrecken, um ihn heimzuholen.5) Das übliche Verständnis des älteren Bruders als widerspenstiger Pharisäer, der „wie ein Skalve arbeitet“ und eher durch Werkgerechtigkeit belastet denn durch Gnade gerettet ist, passt weder zum Gleichnis noch zur jüdischen Tradition. Im Gegenteil: Der Ältere ist derjenige, der immer beim Vater und dessen Erbe bleibt.In Verbindung mit den Gleichnissen vom verlorenen Schaf und verlorenen Groschen dreht sich dieses Gleichnis darum, was wirklich zählt. Der Besitzer der Schafe erkennt das eine fehlende Schaf in einer Herde von 100, die Frau bemerkt die eine fehlende von zehn Münzen. Der Mann hat zwei Söhne, vergisst aber, sie zu zählen. Er hat genug Zeit, die Feier für den verlorenen Sohn vorzubereiten, vergisst aber, den älteren Bruder herbeizurufen. Es ist recht leicht, ein verlorenes Schaf oder einen verlorenen Groschen aufzuspüren; einem verlorenen Kind das Gefühl zu geben, geliebt zu sein, sich wichtig zu fühlen, ist unendlich schwieriger und unendlich viel wichtiger.
1 Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. 2 Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. 3 Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. 4 Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. 5 Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? 6 Der sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. 7 Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig.
8 Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts. 9 Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.
Lk 16,1–9 Das Gleichnis vom unlauteren Verwalter 16,1 Reicher Mann, vgl. Anm. zu 12,16. Verschleudern, vgl. Lk 15,13. 16,6 Schreib flugs fünfzig, manche Auslegungen, nicht aber das Gleichnis selbst, legen nahe, dass der Verwalter die Zinsen wegließ (Ex 22,25; Lev 25,36–37; Dtn 23,20; Ps 15,5). 16,8 Der Herr, gr. kyrios, übers. „Herr“; es gibt eine theologische Debatte darüber, ob Herr den reichen Mann bezeichnet oder den Herrn (d.h. hier: Jesus; vgl. Anm. zu 1,17). Lobte, der reiche Mann konnte wenig anderes tun: Der Verwalter hatte ihm den Ruf von Großzügigkeit verschafft, dem er nicht widersprechen wollte. Das Gleichnis entzieht sich jedoch einer völlig zufriedenstellenden Deutung. Kinder des Lichts, vgl. Joh 12,36; Eph 5,8; 1Thess 5,5; 1QM. 16,9 Mammon, die gr. Umschreibung