Das Neue Testament - jüdisch erklärt. Группа авторов

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die ihnen zugeschrieben werden? Sind die Evangelien eher Aufzeichnungen der Erinnerungen dieser vier Gestalten oder wurden sie später von ihren Schülern verfasst? (Joh 21,20–24 enthält Hinweise auf solch einen Prozess, indem die Passage die Frage nach dem Tod des Lieblingsjüngers aufwirft, auf dessen Autorität das Evangelium sich beruft.) Sind die Evangelien Pseudepigraphen, d.h. im Namen einer Lehrautorität verfasst, wie es für die Pastoralbriefe 1–2Tim und Tit wahrscheinlich ist, die im Namen des Paulus verfasst sind, oder bei den nichtkanonischen Schriften wie dem Philippusevangelium, dem Evangelium der Maria, dem Dritten Korintherbrief und den Thomasakten?

      Keines der kanonischen Evangelien nennt ausdrücklich ein Abfassungsdatum. Paulus, der wahrscheinlich während der Christenverfolgung durch Nero im Jahr 64 u.Z. in Rom starb, zitiert die Evangelien nirgends, und die Fachwissenschaft ist sich größtenteils einig, dass die kanonischen Evangelien nach den Lebzeiten des Paulus entstanden sind. Obwohl mündliche Berichte über das Leben und die Lehren Jesu schon vor Jesu Tod existiert haben müssen und vermutlich einige dieser Berichte in schriftlicher Form überführt wurden (vielleicht eine Liste der „Zeichen“ Jesu, auf der das Johannesevangelium aufbaut; vielleicht eine Liste von Worten Jesu, die Matthäus und Lukas kannten), besitzen wir keine vollständige Erzählung des Lebens Jesu zur Zeit des Paulus; möglicherweise hat es einfach keine gegeben. So zeigen die Paulusbriefe zwar eine gewisse Kenntnis dessen, was Jesus gesagt hat, auch hatte Paulus Kontakt mit einigen von Jesu engsten Jüngern wie Petrus und Johannes (s. Gal 2), er scheint aber die Evangelien nicht gekannt zu haben.

      Im Lauf der Zeit wuchs der Bedarf an Erzählungen über Jesus. Die ersten Jünger starben, verschiedene Gruppen diskutierten über Fragen der Christologie (Wie sollte man Jesus verstehen: als vollkommen menschlich, vollkommen göttlich, beides, oder keines von beiden? – S. „Grundfragen der Christologie“), der Eschatologie (Wird das Gottesreich früher oder eher später hereinbrechen?), rechtliche Fragen (Konnte man sich scheiden lassen oder nicht? Wie sollte man, wenn überhaupt, die Sabbatruhe einhalten?), die Beziehungen zu Juden und Nichtjuden vor Ort usw. Die Evangelien bildeten in diesem Zusammenhang eine Art Verfassung für die Christenheit des späten 1. und frühen 2. Jahrhunderts: Sie waren unterschiedlich genug, um verschiedene Schichten zu repräsentieren und für sie attraktiv zu sein, und zugleich ähnlich genug, um häretische Diskussionen zu verhindern.

      Traditionell wird das Markusevangelium, das man zumeist für das älteste Evangelium hält, auf die Zeit kurz nach 70 u.Z. datiert, da Mk 13,1–2 nahelegt, dass der Evangelist um die Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die Römer im Jahr 70 u.Z. wusste. Falls aber Jesus in der Tat diese Ungeheuerlichkeit vorhergesagt haben sollte (s.a. Mt 24,1–2; Lk 19,41–44; 21,20), wie auch Jeremia die Zerstörung des Ersten Tempels durch die Babylonier im Jahr 586 v.u.Z. vorhergesagt hatte, könnte das Markusevangelium auch vor 70 u.Z. entstanden sein.

      Die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten das Markusevangelium für eine Quelle des Matthäus- und des Lukasevangeliums; daher müssen auch diese Evangelien später geschrieben worden sein als 70 u.Z.; zumeist werden Daten in den 80er und 90er Jahren vorgeschlagen. Das Johannesevangelium wird normalerweise in die 90er Jahre datiert, da es eine Zeit widerspiegelt, in der die jüdischen Anhängerinnen und Anhänger Jesu sich zunehmend als von der sie umgebenden jüdischen Gemeinschaft getrennt sahen. Das älteste erhaltene Fragment eines Evangeliums, das wir besitzen, ist der P52 (P steht für „Papyrus“). Dieses Papyrusstückchen, das 8,9 × 5,8 cm misst und Teile von Joh 18,31–33.37–38 enthält, befindet sich in der Ausstellung der John Rylands University Library in Manchester, England. Die Datierungen des P52 aufgrund der Handschriftenanalyse (Paläographie) reichen von ca. 120 bis ins frühe 3. Jahrhundert u.Z. Aber selbst wenn wir das Datum dieser frühesten erhaltenen Evangelien-Handschrift kennten, würde uns dies keinen Aufschluss darüber geben, welcher der älteste Text innerhalb des Neuen Testaments ist. Das Datum der Abschrift eines Textes ist eben nicht sein Entstehungsdatum.

      Die Evangelien, die man nicht im Kanon findet, sind sicher jünger als die kanonischen Schriften und wesentlich von ihnen abhängig. Die „apokryphen Evangelien“ umfassen Erzählungen über die Kindheit Jesu (z.B. das Kindheitsevangelium des Thomas), über das Leben Marias vor der Geburt Jesu (das Protevangelium des Jakobus) und über Wunder, die die Kreuzigung und Auferstehung begleiteten (das Petrusevangelium). Diese Schriften könnte man auch als christliche Midraschim verstehen: Ebenso wie rabbinische Quellen die Erzählungen des Tanach über die Kindheit Abrahams und Moses ausmalten, so erzählen diese apokryphen Evangelien die Geschichten Jesu und seiner Anhänger in phantasievoller Weise fort. Andere Schriften, die gewöhnlich unter dem schwer zu bestimmenden Begriff „gnostische Evangelien“ firmieren, wie die Evangelien, die Thomas, Philippus, Judas und Maria zugeschrieben werden, bestehen vorwiegend aus Sprüchen, oftmals esoterischer Natur, und weniger aus erzählenden Materialien. Diese Evangelien, die überwiegend in einem Versteck von Schriften in Nag Hammadi erhalten und in koptischer Sprache (einer späten Form des Ägyptischen) geschrieben sind, obwohl sie vermutlich ursprünglich auf Griechisch verfasst worden waren, könnten Spuren von Material enthalten, das auf Jesus selbst zurückgeht. Mit Ausnahme von Teilen des Thomasevangeliums sind sie jedoch eher jung und den Jüngern Jesu pseudonym zugeschrieben.

      Das literarische Verhältnis der kanonischen Evangelien zueinander

      Angesichts der Tatsache, dass die vier Evangelien erzählerische, thematische und in einigen Fällen auch sprachliche Ähnlichkeiten aufweisen, ist es wahrscheinlich, dass sie voneinander abhängig sind. Das genaue Verhältnis der vier Evangelien untereinander wird von der Fachwelt indes kontrovers diskutiert. Die ersten drei Evangelien, die die gleiche Geschichte in ungefähr der gleichen Reihenfolge erzählen, sind als die „synoptischen“ (gr. für „zusammen-schauen“) Evangelien bekannt. Versuche, das literarische Verhältnis dieser synoptischen Evangelien untereinander zu erklären, beschäftigen sich mit dem in der Fachsprache so genannten „synoptischen Problem“: Wer benutzte welchen Text als Vorlage?

      Das Markusevangelium wird gewöhnlich als das zuerst entstandene Evangelium betrachtet und gilt als Quelle für Matthäus, Lukas und vielleicht auch Johannes. Als kürzestes der vier Evangelien enthält das Markusevangelium keine Geburtsgeschichte und ursprünglich auch keine Auferstehungsberichte; es konzentriert sich auf Jesus als den leidenden Gottesknecht, der als Lösegeld für die Menschheit stirbt (Mk 10,45; vgl. Mt 20,28). Einige frühe Kirchenväter sowie einige moderne Bibelwissenschaftler sehen in Markus einen Erben der paulinischen Kritik an der Befolgung der Tora (z.B. Mk 7,19).

      Matthäus, der vermutlich Markus als Quelle benutzt hat, setzt einen anderen Schwerpunkt: Das Matthäusevangelium betont die Rolle Jesu als Lehrer und seine Kontroversen mit den Pharisäern über die angemessene Interpretation der Tora. Zu den Inhalten des Markusevangeliums fügt Matthäus eine Geburtstagsgeschichte hinzu. Darin enthalten ist die Erzählung von Josefs Traum, ein Zitat aus der griechischen Übersetzung des Jesajabuches, mit dem er die jungfräuliche Empfängnis Jesu erläutert (Mt 1,18–25, vgl. Jes 7,14), dazu den Besuch der Weisen sowie den Kindermord (Mt 2). Markus‘ Geschichte vom leeren Grab ergänzt er durch die Erscheinung Jesu gegenüber einigen Jüngerinnen (Mt 28,1–11) sowie durch den Missionsbefehl (Mt 28,16–20) an die verbleibenden elf Jünger.

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