Blut für Gold. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Blut für Gold - Billy Remie страница 23
Sein kleiner Bruder war in Sicherheit, das sagte er sich immer wieder vor. Es war am heutigen Tage so viel Grausames geschehen, dass es einfach so sein musste. Wenn nun auch noch Veland etwas geschehen wäre…
Nein, so grausam konnte das Schicksal nicht sein. Nicht einmal zu ihm, obwohl es in den letzten Tagen wirklich übel mit ihm gespielt hatte. Aber Veland ging es gut! Es musste einfach so sein.
Und er würde ihn wiederfinden!
Das Wasser schmeckte erstaunlich normal, solange er den Geruch nicht einatmete, nur der darin schwimmende Dreck war gewöhnungsbedürftig. Er rann kratzend seine Kehle hinunter. Aus dem einem Schluck wurden zwei, dann drei. Er konnte nicht aufhören, sein Durst war gerade erst entfacht. Immer wieder schöpfte er die eiskalte Flüssigkeit, bis ihn ein Tritt in den Rücken geradewegs in den Kanal katapultierte.
Er brach durch die Oberfläche und versank komplett, wusste im ersten Moment nicht, was geschehen war, kam sich unwirklich vor. Der Schmerz war kaum zu beschreiben, das Wasser war zu kalt. Als wäre er in eine Wanne voll Glasscherben gestoßen worden, die durch seine Haut bis zu seinen Knochen schnitten. Unwillkürlich schnappte er nach Luft, doch die schwarzen Wassermassen waren längst über ihm zusammengeschlagen, verschluckten ihn ganz. Er atmete Wasser, es brannte fürchterlich. Blind strampelte er in der schwerelosen Eiseskälte, strampelte, ruderte mit dem Armen, um an die Oberfläche zu gelangen. Sein Mantel wollte ihn nach unten zerren. Panik erfasste ihn, er konnte nichts sehen, nichts hören, spürte etwas an sich vorbei schwimmen. Ratten? Fische? Etwas streifte ihn und er zuckte heftig zusammen.
Mit zwei starken Armzügen, die sich durch die Kälte anfühlten, als wollte er sich einen Berg hinaufzerren, brach er wieder durch die Wasseroberfläche und holte laut Atem, saugte die Luft tief in seine Lungen. Doch die Kälte raubte ihm den Atem sofort wieder.
Dann hörte er das Gelächter und drehte sich um, blinzelte die Tropfen fort, die von seinen nassen, schwarzen Haaren über sein Gesicht perlten. Der Rattenkönig hielt sich vor Gelächter den flachen Bauch, seine verbliebenen Kameraden ebenso. Sie wirkten nicht außerordentlich in Trauer über den Verlust ihres Freundes, aber sie hatten große Freude daran, Darcar weiter zu quälen.
»Ich bring dich um!«, brüllte Darcar wutentbrannt und – an Ermangelung anderer Möglichkeiten – spritzte er ihm eine Fontäne Wasser entgegen, die ihn nicht erreichte.
Darcar schwamm an den Rand, es waren nur zwei Züge. Er zitterte so stark am ganzen Leib, dass er sich kaum bewegen konnte, sein Körper wurde steifer und steifer, als ob er langsam zufror. Genauso fühlte es sich an, er erfror. Wenn er nicht sofort aus dem Wasser stieg und sich in eine trockene, warme Decke hüllte, würde niemand mehr nach Veland suchen. Zumindest niemand, der Gutes im Schilde führte.
Doch als Darcar den Rand packte, sprang der Rattenkönig heran und trat ihm auf die Finger. Darcar brüllte auf, zerrte seine Hand unter dem Fuß hervor, dabei schürfte er sich die Haut über den Knöcheln auf.
»Hurensohn!«, spie er aus. Dieses Wort hatte er noch nie in seinen Mund genommen, aber es fühlte sich gut an. »Lass mich raus!«
Der Rattenkönig lachte wieder, dann wurden seine dunklen Augen ernst. »Ich denke nicht im Traum daran, Mistgeburt!«
Der Wichser betrachtete ihn seelenruhig und sah dabei zu, wie Darcar langsam erfror. In seinen Augen konnte man lesen, dass er Freude und tiefste Genugtuung dabei verspürte.
Darcar sah ihn hasserfüllt an, dann versuchte er, an eine Stelle Kanal aufwärts zu schwimmen, selbstverständlich waren die Handlanger des Rattenkönigs schneller dort und wollten ihm wieder auf die Hände treten. Einer von ihnen hob ein paar Kieselsteine auf und bewarf Darcar damit, der einen Arm hochriss, um sein Gesicht zu schützen.
»Fickt euch!«, rief er. Etwas anderes als Beleidigungen blieb ihm nicht mehr übrig. Wenn er nicht aus dem Wasser käme, wäre es ganz schnell vorbei. Er spürte seine Füße kaum noch, sein Herzschlag wurde seltsam langsam, ruhiger. Er fühlte sich müde, vorher schon, aber plötzlich noch mehr.
Er könnte auf die andere Seite schwimmen, dort würden sie ihn nicht erreichen, nur müsste er dann wieder zurückschwimmen, um nach Veland zu suchen. Im Moment blieb ihm nichts anderes übrig, zumindest würde ihn der Kanal dann von dem Rattenkönig trennen.
»Wo willst du hin?«, riefen sie süffisant, lachten noch mehr, als er sich abwandte.
Seine Arme waren so steif, dass er kaum vorankam, die andere Seite schien eine Ewigkeit entfernt und wollte auch nicht näherkommen. Seine Beine gehorchten ihm nicht mehr, Steine prasselten regelrecht wie Regen auf ihn nieder, plumpsten ins Wasser neben ihn. Darcar war so schwach, so eingefroren, dass er immer wieder kurz untertauchte. Sein Kopf schmerzte bald darauf durch das eiskalte Wasser, als habe ihn jemand mit einem Hammer bearbeitet. Immerhin spürte er nun nicht mehr den brennenden Schnitt auf seiner Wange – oder seine schmerzende Nieren- und Magengegend. Genau genommen spürte er plötzlich gar nichts mehr.
»Schwimm ruhig rüber!«, rief ihm der Rattenkönig nach. »Und bleib da, während wir deinen Bruder aus seinem Versteck zerren. Lauf nur davon, Feigling! Nur zu! Dann nehmen wir eben erst ihn!«
Sie wollten, dass er umdrehte. »Ich bin kein Feigling«, knurrte er leise zu sich selbst. Tot würde er Veland allerdings auch nichts nützen. Er schwamm weiter, würde sich etwas einfallen lassen. Noch hatten sie Veland nicht!
Der Rattenkönig lachte ihn aus. »Seht doch wie er schwimmt! Gleich geht er unter wie ein Stein!«
»Und schwimmt dann als Eisscholle weiter«, kommentierte ein anderer.
Ihr Gelächter verstummte plötzlich, als ein seltsames Geräusch in den Straßen ertönte. Darcar nahm es selbst wahr, doch er konnte sich nicht fragen, was es zu bedeuten hatten. Er fixierte sein Ziel und musste sich konzentrieren. Nur mit Mühe und Not hielt er das Kinn über Wasser, plötzlich wurde ihm innerlich ganz seltsam warm, er wurde müde, konnte kaum die Augen aufhalten.
»Scheiße«, zischte der Rattenkönig. »Lasst uns abhauen!«
Schweres Hufgetrampel erhob sich in der Stadt, kam näher. Da rannten die anderen Jungen davon, auf denselben leisen Sohlen, auf denen sie sich an Darcar herangeschlichen hatten.
Darcar wusste nicht, was vor sich ging. Es schien auch gleich, denn als er das nächste Mal untertauchte, schaffte er es allein nicht wieder hochzukommen, er versank einfach.
Kapitel 8
Er hielt es für einen Traum. Oder das Eindringen in die Unendlichkeit des Todes. Da war etwas, das ihn packte. Waren es Hände? Klauen? Der Schlund eines Monsters? Er wusste es nicht, er war auch nicht im Stande, etwas dagegen zu unternehmen. Sein Körper wollte sich nicht bewegen und sein Verstand war wie in Öl versunken, finster, zähflüssig und träge. Ihm war kalt, so kalt, dass er an nichts anderes denken konnte. Da war nur die beißende Kälte, die sich wie Nadeln in ihm verhakt hatte.
Etwas in seinem Inneren brannte stetig, es dauerte lange, bis er verstand, dass es seine Lungen waren. Er atmete offensichtlich, doch konnte er nicht begreifen, wieso. Darcar hatte Wasser verschluckt, viel Wasser, doch er war so müde in den Kanal gesunken, dass ihn das nicht mehr gekümmert hatte. Nun war es, als erwachte er immer mal wieder aus einem sehr tiefen Schlaf. Da war nur Dunkelheit, er konnte nichts sehen, nur sehr bedingt fühlen. Manchmal hörte er Stimmen, doch sie drangen kaum zu ihm durch. Er fühlte sich,