Blut für Gold. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Blut für Gold - Billy Remie страница 32
Sie durften sich im Haus umsehen, Elmer war es gleich. Darcar erklomm mit Veland die Stufen, während der Regen so hart und schwer auf das Dach einschlug, dass es beinahe wie Hagel klang. Das Prasseln übertönte sogar die knarzenden Stufen der Treppe.
Oben war es sehr staubig und verlassen, Elmer war wirklich nicht oft in diesen Räumen. Es gab eine winzige Kammer, in der noch ein Keramiktopf für die Notdurft stand, und zwei Schlafzimmer, dort fanden sie eingebrochene Betten ohne Matratzen vor, einen zerbrochenen Stuhl, über den sich mehr von Staubis Artgenossen hergemacht hatten. Dicke, weiße Spinnenweben zogen sich über alles und eine fette Staubschicht lag auf den Kommoden. Das meiste war ausgeräumt, geplündert. Doch in einem der Zimmer endeckten sie ein paar von Elmers Kisten. Veland machte sich sofort neugierig darüber her, seine Augen leuchteten, als er einen Blick hineinwarf.
»Darc! Schau nur!«
Darcar leuchtete in die Kiste, verstaubte Bücher stapelten sich darin. Märchensammlungen, wie Veland sie in der Bibliothek gefunden hatte.
»Oh die kenne ich noch nicht!« Begeistert hob er ein Buch nach dem anderen heraus und las sich über die verschiedenen Titel.
»Sie sehen sehr alt aus«, bemerkte Darcar, »glaube, sie stammen aus Zeiten, lange bevor Vater – sogar bevor Großvater geboren war.«
Das brachte Velands Augen nur umso mehr zum Leuchten. Wie einen Schatz drückte er ein paar der heraus genommenen Bände an sich und sah hoffnungsvoll zu Darcar auf. »Meinst du, ich darf sie lesen?«
Bestimmt, Elmer schlug Veland überhaupt nichts ab, ließ sich ständig um den Finger wickeln. »Fragen wir ihn.« Darcar lächelte mutmachend, dann gab er Veland die Laterne, um die Kiste aufzuheben und nach unten zu tragen.
»Habt ihr was gefunden?« Elmer kam gerade durch die Tür, lüftete seinen triefendnassen Umhang, als sie die Treppe wieder hinabstiegen.
»Bücher«, erklärte Darcar knapp.
»Darf ich sie lesen, Elmer? Ich bin auch ganz vorsichtig, versprochen! « Veland sprang die letzten Stufen aufgeregt hinunter und blickte mit großen Augen zu Elmer auf, der ihm lächelnd die nasse Hand auf den Kopf legte. »Natürlich. Sie gehören dir, wenn du willst. Ich hab sie ohnehin ganz vergessen, nachdem ich sie hundertmal durchgelesen habe.« Er lachte auf.
Darcar stellte die Kiste an die Kellertreppe, er würde sie später runtertragen. Veland konnte sein Glück kaum fassen und kniete sich neben seine neue Errungenschaft, aufgeregt kramte er darin herum und suchte, als könnte er sich nicht entscheiden, welches er zuerst lesen wollte.
Darcar ging unsicher und mit stockendem Gang hinüber zu Elmer, der seinen Umhang auszog und an den Haken neben der Tür hing. Freundlich sah er Darcar entgegen.
»V… V liebt Märchen.« Darcar wusste nicht, was er sonst sagen sollte, er zuckte mit den Achseln und stellte sich neben Elmer, sie beobachteten Veland, der sie auszublenden schien, in seiner eigenen Welt war. Ihnen gab er einen Grund, sich nicht ansehen zu müssen.
»Haben wir die nicht alle geliebt?« Elmer schmunzelte auf eine freundliche Art, die Darcar ganz besonders intensiv in eine andere Richtung blicken ließ.
»Ja, nein, aber er…« Darcar seufzte leise. »Er liebt sie wirklich, nicht wie andere Kinder, er könnte stundenlang lesen und lesen, ohne müde zu werden. Ich glaube, er wird sie auch noch lieben, wenn er alt und faltig ist.« Er verstummte, als ihm klar wurde, dass sie vermutlich niemals so alt werden würden. Alter war plötzlich etwas, das nicht mehr selbstverständlich schien, sondern Luxus war.
Elmer sah Darcar an, während er gesprochen und dann geschwiegen hatte, betrachtete ihn seltsam intensiv, als wollte er ihn beschwören, dass er ihn ansah.
»Mutter hat ihm immer vorgelesen. Uns beiden.« Darcar senkte den Blick auf seine Fußspitzen, schluckte vernehmbar einen Kloß im Hals runter.
»Ist sie tot?«, fragte Elmer geradeheraus.
Darcar nickte. »Sie starb im Bett, vor ein paar Jahren, am Fieber, ist nicht mehr aufgewacht.« Warum er das erzählte, wusste er nicht, es war seine Art, sich zu entschuldigen.
Sie schwiegen einen Moment, beobachteten beide Veland, während sie selbst nur untätig im Raum standen. Keiner traute sich, sich zu rühren.
Bis Elmer sich schließlich mit einem Einatmen rührte und sie locker fragte: »Was haltet ihr davon, heute endlich mal zu baden?«
Veland hielt mit zwei Büchern in den Händen inne und blickte Elmer über die Schulter an. Auch Darcar fuhr zu ihrem Gastgeber herum.
»Ich hab den Regen aufgefangen, das Wetter ist echt ein Traum!«, Elmer deutete nach draußen, »Und es sind schon genug Fässer voll, um eine Wanne zu füllen. Was haltet ihr davon?« Er sah Darcar an. »Besonders du könntest ein heißes Bad gut vertragen, der feuchtwarme Dampf wird deiner Lunge guttun.«
Tatsächlich hielt sich der Husten vor allem nachts hartnäckig. Darcar sah zu V und hob die Augenbrauen hoch. »Was meinst du?«
Veland nickte eifrig, doch dabei sah er zwischen ihnen argwöhnend hin und her, als wollte er sich lieber nicht von seinen Büchern lösen.
Elmer bemerkte seinen Blick und lachte. »Keine Sorge, schau du ruhig weiter die Kiste durch, ich bereite das Bad vor, ja? Darcar?«
»Hm?« Er drehte sich wieder zu Elmer um.
»Kannst du in der Küche Holz in den Ofen legen? Mach ihn richtig schön heiß, ja?« Elmer öffnete wieder die Tür, sofort wurde es feuchter im Inneren. »Ich hole die Wanne, dann das Wasser, um es zu erhitzen.«
Darcar nickte und ging in die Küche, froh darüber, etwas zu tun zu haben. Er hatte schon unzählige Male für Magda den Ofen angeheizt, er konnte das beinahe blind. Und für eine Weile war er abgelenkt von all seinen Gedanken und inneren Plänen.
*~*~*
Nachdem er sich um das Feuer gekümmert hatte, saß er mit einem Becher Kräutertee auf der Treppe und lauschte dem Regen. Das Geräusch entspannte ihn, wirkte irgendwie tröstend. Die Tür stand offen, Wasser tropfte wie ein Vorhang vom Vordach, sodass er sich im Haus eingeschlossen aber nicht eingesperrt vorkam. Im Laden standen überall Kerzen, die warmes Licht spendeten, Veland saß in einem alten Sessel hinter dem Tresen und hatte sich die Laterne geschnappt, um in deren kräftigem Schein lesen zu können. Er war völlig versunken. Elmer ging ein paar Mal raus und rein, um einen großen Suppenkessel mit Wasser zu füllen. Wenn er das schwere Gefäß wieder hereintrug, waren seine Arme enorm angespannt, seine Muskeln beinahe bis auf das Doppelte gewachsen. Darcar nippte an seinem Tee und betrachtete immer wieder besonders intensiv Elmers Arme. Dessen ganzer Leib war schlank, aber stark, das fand Darcar ziemlich toll.
Gleichwohl wusste er, dass er mal wieder mit dem Feuer spielte. Er versuchte, nicht zu offensichtlich hinzusehen, senkte immer wieder mit mahlenden Kiefern den Blick. Dass er manchmal zu deutlich andere Jungen anstarrte hatte ihm in der Schule ständig Probleme