Triaden-Liebchen. Edith Seo

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Triaden-Liebchen - Edith Seo

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Wir verließen einen Schneidersalon im Partnerlook, einem nachthimmelblauen Qipao. Im Spiegel hätte ich sehen können, dass ich Tingting von der Körperform kaum unterlegen war, aber ich bewegte mich weniger erhaben. Wenn Tingting einen Raum betrat, dann tat sie das erhobenen Hauptes und in Erwartung ihrer Verehrung. Mit der Zeit fiel mir auf, dass es gar nicht so war, dass jeder ihr zu Füßen lag. Ihr Hofstaat war klein und bestand aus schrulligen Gestalten, aber über ihn war sie die alleinige Herrscherin. Mühelos, wie mir schien.

      Tingting war 25. Sie würde bald heiraten. Ebenfalls den Sohn eines Bekannten, diesmal eines Geschäftspartners ihres Vaters. Es wurde nicht viel dem Zufall überlassen.

      „Wenn mein Bruder in Shanghai wäre, ich würde wollen, dass ihr heiratet.“ sagte sie einmal zu mir mit ihrem lieblichsten Lächeln. Ich glaube, das war sogar noch an dem Tag, an dem wir beide den blauen Qipao trugen und ich ahnte gar nicht, was für ein Kompliment das gewesen war. Tingtings Bruder war ich noch nie begegnet. Er sei nur selten in der Stadt, er lebe in San Francisco, sagte Tingting.

      Ich dachte wieder an meinen Ausbruch, damals an der Promenade von Nizza. Tingting würde so etwas nicht passieren. Sie war eingebettet in ein System, in dem es letztlich darum ging, immer alle Lebensschritte zum richtigen Zeitpunkt zu machen und sich geschmeidig in die Gruppe einzufügen. Marseille oder nicht Marseille wäre hier nie die Frage gewesen. Tingting wäre gefolgt, in Seide gewandet und mit einem Sklaven, aber sie wäre gefolgt. Insofern, war sie zu beneiden? Ich überlegte. Tingting wusste was sie wollte, sie war kein Spielball chinesischer Anstandsregeln. Sie hätte sich zunächst einmal gar keinen Mann wie Bill ausgesucht. Sie hätte im Zweifel mit den Wimpern geklimpert, Migräne simuliert oder hätte auf den Topf gemusst. Sie hätte eine Reifenpanne inszeniert. Sie wäre nicht hilflos abgerauscht. Sie war anders als ich. Und ich wollte werden wie sie.

      Saturday Night hat in China nicht die gleiche Bedeutung wie sonst auf der Welt. Die Reichen feiern dann, wenn es für den Geschäftsabschluss notwendig ist, wenn der Schnee in dicken Flocken rieselt oder es eine neue Konkubine zu zelebrieren gibt. Geliebte zu sein, kommt hier einem klar geregelten rechtlichen Verhältnis gleich. Tingting war reich geboren, sie hatte dergleichen nicht nötig. Wir saßen in einem Spiegelsaal über den Dächern der Stadt mit Blick auf den Huangpu.

      Xiao Li, der Gastgeber mit der herben Lache und der unverkennbaren Triaden-Aura, begrüßte uns mit einer Zigarre zwischen den Lippen. Er war groß und breit und hatte kleine schnelle Augen, denen nichts entging. Ich hatte Angst vor ihm.

      „Nihao, Hi, welcome to my place.“ sagte er heiser. Seine Stimme war etwas zu hoch, um maskulin zu wirken. Genau das war es, was mich irritierte. Bei ihm passte so einiges nicht zum anderen.

      „Hi“ sagte Tingting und schritt voran in den Raum.

      „Wooo, was zum Teufel ist denn hier passiert?” flötete sie.

      Ich stand hinter ihr und sah in eine riesige ovale Halle, in der überall antike Kronleuchter aufgestellt waren. Tingting ging zu einer der Kerzen hin und zündete sich eine Zigarette an.

      „Ich war letzte Woche in Tallinn.“ raunte Xiao Li neben mir. „ Natürliche Beleuchtung wird der neue Trend von Shanghai.“ Ich fand, es sah aus wie in einem alten französischen Puff. Obgleich ich nie an einem solchen Ort gewesen war, stellte ich mir es so vor. Ein bisschen düster, ein bisschen syphilitisch und absolut Halbwelt. Eindeutig 18. Jahrhundert. Obwohl alles dennoch zu geleckt aussah um wirklich „alt“ zu wirken, hatte Xiao Li es doch geschafft, eine behagliche Atmosphäre hier reinzuholen.

      Ich nickte ihm anerkennend zu. Ich hatte ihn zuvor nur einmal gesehen. Das war auf einer Party in Puxi gewesen. Er hatte Tingting am Arm festgehalten und eindringlich auf sie eingeredet. Das war das einzige Mal gewesen, dass ich sie unsicher gesehen hatte, ja fast verstört. Als ich hinzugetreten war, hatte er sie losgelassen.

      Irgendetwas faszinierte mich an ihm. Als ich ihn so von der Seite sah, im Licht der Kerzen, wurde mir klar, was es war. Xiao Li, warum er so hieß, vermochte ich nicht zu sagen, „der kleine Li“, das passte gar nicht zu ihm. Wenn er der „kleine Li“ war, wer war dann der „große Li“? Xiao Li trug eine große Fleischnarbe unter dem linken Auge, keinen feinen Mensur-Strich, sondern etwas, dass nach mehr aussah und durch dass er sich Respekt verschafft haben mochte. Meinen Respekt hatte er, denn er war der Einzige, der Tingting ängstigen konnte.

      Sie stand immer noch im Raum, zwischen den Kronleuchtern.

      Sie war schön und sie war kalt, sicher wären die Funken gesprüht, wenn man sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt hätte, dachte ich im Licht der tausend Kerzen.

      Xiao Li sah mir jetzt in die Augen, so als wüsste er, was ich dachte. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Das hier war keine gute Gesellschaft und ich fühlte mich wieder gewarnt, von meiner Oma, die einst gesagt hatte: „Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt.“ Andererseits, was wollte ich ihm Himmel? Hier war ich über den Dächern von Shanghai, im Dunst einer anderen, einer ungewöhnlichen Welt. Ich legte meinen von Tingting geliehenen Zobel ab und bemühte mich, mich so elegant wie möglich in dem maßgeschneiderten Qipao zu bewegen. Tingting lächelte mich an. Scheinbar schien sie mein Bemühen gut zu heißen.

      Sie nannte mich Meimei, kleine Schwester, und schenkte mir einen 200 Jahre alten Rotwein ein. Sie behandelte mich häufig wie Luft, aber manchmal, meist, wenn Männer dabei waren, wobei Han nicht als Mann zählte, schien sie sich doch mit mir zu schmücken. Wir tranken viel in dieser Nacht. Ein blinder belgischer Pianist saß am Bösendorfer Flügel und spielte. Ich versuchte, mich zu entspannen, der Alkohol half mir dabei. Für einen Moment dachte ich an meine alten Freunde in Deutschland. Im Vergleich zu ihnen war ich jetzt die Tingting. Ich war es, die alles hatte und hier einen Luxus genoß, den sie sich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorstellen konnten. Ich trank sündhaft teuren Rotwein, der eigentlich eines der Lebenshighlights erfahrener Sommeliers sein sollte und schüttete ihn runter wie billigen Wodka. Was auch immer morgen war. Hier war die Nacht, hier war Shanghai und hier wollte ich dekadent sein, koste es, was es wolle. An Regeln konnten sich doch die anderen halten. Ich lächelte versonnen und sah einer Nebelschwade nach. Tingting war verschwunden.

      „Wo ist Tingting?“ fragte ich Xiao Li.

      „Sich frisch machen. Wir gehen gleich noch woanders hin.“ Er sah auf die Uhr.

      „Ich sehe mal nach ihr.“

      Er ging aus dem Raum. Ich saß zwischen barocken Leuchtern und fühlte mich plötzlich schlecht. Vielleicht war der alte Rotwein doch nicht mehr so rein, wie man dachte, vielleicht waren da irgendwelche Viren drin oder Säure, die meinem ohnehin strapazierten Magen nicht bekamen. Ich sah Tingtings Handtasche auf einem mit lila Samt bezogenen Stuhl liegen, beugte mich hinüber, ohne aufzustehen und öffnete sie.

      Zerknüllte Geldscheine streckten sich mir entgegen, dazwischen Lippenstift und Zigaretten. Mich erinnerte das an eine Geburtstagsparty. Damals war ich ungefähr zehn gewesen und musste in einer riesigen Schachtel erst durch Styroporknubbel tauchen, bis die Geschenke ans Licht kamen. Ich tastete weiter. Etwas Metallenes bekam ich ganz unten zu fassen. Ich berührte es und zog es heraus. Eine kleine Pistole lag in meiner Hand, zierlich wie Tingting und sie wirkte genauso unecht. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich hatte noch nie eine Schusswaffe in der Hand gehalten. Ich ließ sie los und stellte die Tasche wieder zurück. Goss mir neuen Wein ein.

      Der Pianist spielte unbeeindruckt weiter. Ich dachte nach. Wenn Tingting eine Waffe hatte, würde sie sie benutzen? Wer war sie? Kannte ich Tingting überhaupt? Und wenn sie die Waffe benutzt, dann wären da jetzt meine Fingerabdrücke drauf. Obwohl, war es nicht so, dass man Pulverspuren an den Fingern haben musste, um überführt zu werden? Und die bildeten sich doch erst, wenn man abdrückte. Oder war es eine Gaspistole.

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