Tahiti. Gerstäcker Friedrich
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Читать онлайн книгу Tahiti - Gerstäcker Friedrich страница 14
„Ich gehöre allerdings zu jenen Entsetzlichen," sagte René fast scherzend; als er aber den schmerzlichen Zug um des lieben Kindes Mund gewahrte, setzte er rasch hinzu - „aber fürchte nicht für mich, Du treues Herz - ich selber hänge nicht an jenen Gebräuchen, obgleich sie unsere Kirche verlangt, wenn ich sie auch nicht für so gefährlich halte, als Deine Priester Dich gelehrt haben."
„Ach, das beruhigt mich recht, René," sagte die Maid und preßte die Hand auf das Herz, als ob sie da Alles niederdrücken wolle, was ihr jetzt Gram und Kummer machen wolle - „und Vater Osborne sagt ja auch, daß Gott so gut - so unendlich gut sei und die Menschen alle wie seine Kinder liebe - würde er dann so hart und grausam strafen können? - Lieber Gott," setzte sie mit recht treuherziger bewegter Stimme hinzu - „ich möchte ja nicht einmal ein fremdes armes Kind für ein wenig Muthwillen hart strafen - viel weniger denn mein eigenes."
„Und glaubst Du, Sadie, daß Euch Gott ein Paradies zum Aufenthalt gegeben und Eure Wohnungen weit, weit von dem Verkehr habgieriger, schlechter Menschen gelegt hatte, Ihr Jahrhunderte lang die Einfachheit Eurer Sitten bewahrtet, wenn er auf Euch zürnte und Euch für einen falschen Glauben strafen wolle? - Nein, mein Herz; solchen traurigen und selbst ungerechten Gedanken gieb in Deiner Seele keinen Raum. Doch fort mit diesen trüben Gedanken, laß uns von uns selber reden, Sadie; von Dir, von mir, von unserem künftigen Leben - mir wenigstens ist es zu Muthe, als ob mit dem letzten tollkühnen Schritt, den ich gewagt, ein neues, herrliches Dasein für mich erschlossen wäre. /60/ - Und nicht dieser sonnige Himmel, diese blaue See, diese wehenden Palmen sind es, die mir dies selige Gefühl in's Herz gelegt - Deine Nähe ist es, Mädchen, die mich mit einer Ahnung künftigen seligen Glücks umfängt. Rastlos und von einem innern Drang getrieben, dem ich keinen Namen zu geben wußte, jagte es mich in der Welt umher - die afrikanischen Wüsten und kanadischen Wälder konnten die Sehnsucht nicht befriedigen, die mich weiter und weiter drängte. Als Soldat zog ich in die Raubstaaten der Algierer - umsonst; als Jäger in die Felsengebirge Amerikas - umsonst; selbst die See versuchte ich, und in den Eismeeren des Nordens glaubte ich vielleicht den Punkt zu finden, der mir nicht Rast noch Ruhe ließ. Aber wie Spott klang es mir überall entgegen, und das rohe, widerliche Wesen meiner letzten Umgebung zwang mich endlich auch zu dem letzten entscheidenden Schritt, die mir unerträglich gewordenen Fesseln abzuschütteln - oder darüber zu Grunde zu gehen. Da fand ich Dich, Sadie - und ich fühle nun - oh mit jubelnder Stimme hallt es in meinem Herzen wieder, daß Du bis jetzt, Sadie, das nur geahnte, aber so heiß ersehnte Ziel gewesen, dem meine Seele entgegenstrebte. Werde mein Weib - laß uns auf dieser freundlichen Insel, fern von den Sorgen, dem gefühllosen Treiben der Welt, unsere Heimath gründen. - Tief im Laub dieser Palmen versteckt, von diesem lachenden Himmel überspannt, von diesen blauen Wogen umspült, an Deiner Seite, Sadie, und die Welt, die mir bis jetzt nur eine kalte, freudlose Straße gewesen, meinen Wanderstab darauf zu setzen, würde mir zum Himmel."
Er hatte ihre rechte Hand, die sie ihm willenlos überließ, leidenschaftlich in seine beiden Hände gefaßt, und schaute mit leuchtenden Blicken und hochgerötheten Wangen dem jungen schönen Mädchen bittend in's Angesicht.
Sadie saß mit klopfendem Herzen und niedergeschlagenen Augen neben ihm - sie war recht ernst, ja fast traurig geworden, und schaute lange sinnend vor sich nieder. - Endlich blickte sie wieder zu ihm auf, sah ihn mit den treuen, in einer Thräne schwimmenden Augen an und sagte mit leiser, kaum hörbarer, wie furchtsamer Stimme: /61/
„Und wenn Du wieder fortgingst von mir?"
„Nie - nie - Sadie!" rief René leidenschaftlich und preßte, sie an sich ziehend, einen heißen, glühenden, Kuß auf ihre Lippen. Sie duldete den Kuß, ohne ihn zu erwiedern, dann aber sich langsam seinem Arm entziehend, sagte sie leise:
„Willst Du mir etwas versprechen, -René?"
„Alles, Sadie, was in meinen Kräften steht," rief René, die Hand nicht lassend, die er noch in der seinen hielt.
„Dann versprich mir," flüsterte das schöne, jetzt tief erröthende Mädchen, „daß Du davon nicht wieder mit mir reden willst, bis mein Vater, der Missionär, zurückgekehrt ist, und -" ihre Stimme war so leise geworden, daß er die Worte kaum verstehen konnte - „und mich auch bis dahin nicht wieder küssen willst."
„Sadie!"
„Versprich mir das - nicht wahr, Du sagst es mir zu?" bat sie dann, und schaute ihm dabei so lieb und unschuldsvoll in die Augen, daß er ein Heiligenbild zu erblicken glaubte.
„Wie könnte ich Dir die erste Bitte abschlagen, Sadie," sagte er mit tiefem Gefühl.
Da schwand der fast traurige Ernst von den Zügen des Mädchens. Wie die Sonne aus trüben Wolken plötzlich über grüne wogende Saatfelder bricht, so überflog ein frohes Lächeln die engelschönen Züge.
„Das ist gut von Dir," sagte sie mit inniger Herzlichkeit - „das ist recht gut von Dir. Nun können wir ja auch zusammen durch unsere Berge wandeln und Abends auf dem stillen blauen Wasser fahren, wo unten die tausend kleinen bunten Fischchen zwischen den Korallenbüschen spielen und sich haschen - sonst hätte ich mich ja vor Dir verstecken müssen" - setzte sie treuherzig hinzu. „Und nun komm, mein Freund - Mitonare steht schon da unten vor seiner Thür und schaut sich überall nach uns um. Er hat Dein Mahl bereitet, was Du nicht im Stich lassen darfst, und gegen Abend komm' ich und hole Dich ab."
„Und jetzt willst Du mich verlassen, Sadie?" bat René.
„Du mußt Dich jetzt schon ein bischen mit Mitonare /62/ unterhalten," lächelte das junge Mädchen neckisch, „ich kann Dir nicht helfen - wir sind aber dann den ganzen Abend zusammen," setzte sie tröstend hinzu, und als ob sie trotz dem Versprechen einen vielleicht zu zärtlichen Abschied fürchte, glitt sie wie ein Reh durch die Seitenbüsche dieser natürlichen Laube und war im nächsten Moment im Dickicht verschwunden.
René, das Herz voll und überglücklich, saß noch eine lange Zeit an diesem wunderlichen Platz, der ihm durch das neue und so gewaltig in seinem Herzen ausgekeimte Gefühl förmlich heilig geworden war - er hatte ganz vergessen, daß der kleine Missionär mit dem Essen auf ihn warte. Desto mehr dachte dieser aber daran, und als der fremde Wi-wi, wie er ihn jetzt immer schmunzelnd nannte, gar nicht kommen wollte, schickte er seine ganze Schule nach allen Richtungen auf Kundschaft aus, und René fand sich bald von drei oder vier jungen nackten Burschen aufgetrieben, die ihm lachend und schreiend eine Masse Zeug vorplauderten, von dem er keine Silbe verstand. Nur das dann und wann wiederkehrende Wort Mitonare rief ihn seinen kleinen freundlichen Wirth in's Gedächtniß zurück, und er folgte der muntern Schaar, die, rasch zutraulich geworden, ihn umsprang und umjubelte. Dem kleinen Mitonare schien übrigens ein Stein vom Herzen zu fallen, als er seinen so heiß ersehnten Gast erblickte, und er versicherte ihm, er habe schon eine volle Stunde mit Schmerzen auf ihn gewartet, indeß das Essen wahrscheinlich kalt geworden und verdorben wäre. Mitonare war aber viel zu gutmüthig, um böse zu werden, und als René nun tüchtig zulangte und erst mit ihm scherzte und lachte, hatte er an ihm seinen Mann gefunden. Er nannte René den besten Wi-wi, den er je gesehen habe, und das wolle viel sagen, denn er sei schon einmal auf Tahiti gewesen, wo sie wild umherlaufen. Dann erzählte er ihm die tollsten Geschichten aus der alten fröhlichen Heidenzeit - wie sie's hier gehalten und getrieben hätten - natürlich damals, wie er nie vergaß hinzuzusetzen, als wir noch entsetzliche Sünder waren. - Auch auf religiöse Gegenstände kam er ein paar Mal wieder zu sprechen, obgleich die René, so gut das eben gehen wollte, abzulenken suchte. Am meisten schmerzte es ihn, daß sein /63/ Vater in der Hölle sein mußte, denn der war, obgleich ihm die Missionäre damals sehr zugesetzt, ein hartnäckiger Heide geblieben. Aus seinem Großvater schien er sich wenig zu machen.
René