Tahiti. Gerstäcker Friedrich
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Eine Hauptfrage des kleinen unermüdlichen Mannes war aber zuletzt nach des Fremden Religion und Vaterland, und René hätte sich selber keinen schlimmeren Namen machen können, als daß er sich ohne Weiteres für einen Franzosen ausgab.
„Wi-wi?" sagte der kleine Mann etwas erstaunt, zog die Augenbrauen in die Höhe und spitzte den Mund - „Wi - wi?6 - hm -"
„Wi-wi?" sagte René, der diesen Ausdruck noch nicht kannte, erstaunt - „was Wi-wi? - nicht Wi-wi - frenchman - Francais – ferani - " denn diesen Ausdruck hatte ihn schon Adolph gelehrt.
„Es.es," nickte der Kleine schmunzelnd – „Fe-ra-ni – Wi-wi"-
„Was zum Henker will er denn mit dem Wi-wi?" dachte René - „das muß ein besonderer Dialekt für den Namen sein.
„Viel - viel Wi-wis in Tahiti," - sagte der kleine Missionär wieder - „keine Christen, Wi-wis!"
„Keine Christen?" rief René lachend - „nun ich weiß doch nicht - einige sind sicher darunter, die sich wenigstens so nennen -" /48/
„Es, Christen," nickte der unverwüstliche Kleine - „aber keine guten - aita matai –“
Jetzt begriff René erst, worauf der kleine protestantische Missionär oder Prediger eigentlich abziele, denn dieser mußte natürlich glauben, was ihm die protestantischen Geistlichen über die Religion der anderen Weißen, die sich ebenfalls Christen nannten und doch, in ihren äußeren Gebräuchen besonders, so bedeutend von diesen abwichen, gesagt hatte, Er hütete sich aber wohl, auf irgend einen religiösen Streit einzugehen und beschränkte sich nur darauf, ihm zu erklären, er wisse nicht was es in Tahiti für Christen gäbe, er sei noch nie dort gewesen, in seinem eigenen Vaterland – was er in aller Unschuld jetzt selber Wi-wi, und zwar sehr zum Ergötzen des kleines Mannes nannte - gäbe es aber sehr gute, fromme Christen.
René hätte vielleicht noch eine Masse ihm gerade nicht gelegener Fragen beantworten müssen, wäre in diesem Augenblick nicht draußen vor der Thür eine kleine Glocke geläutet worden und zu gleicher Zeit Sadie wieder in der Thür des Gemaches erschienen. René sprang fast mit einem Fremdenruf empor.
Das junge Mädchen sah aber auch wunderlieblich in der Kleidung aus, die sie der Sonntagsfeier zu Ehren angelegt hatte. Diese bestand in einem langen faltigen Gewand, das ihr oben von den Schultern bis auf die Knöchel niederfiel, im Gürtel aber von einer leichten rothseidenen Schärpe zusammengchalten wurde; die Haare hatte sie wieder frisch mit wohlriechendem Oel getränkt und die langen, vollen Locken glatt niedergekämmt, daß sie ihr bis auf die Schultern herabfielen. - Aber keine Blume schmückte sie jetzt, wo sie zu Gottes Altar treten wollte, nur eine dünne Schnur, aus den Erhöhungen der reifen Ananas geschnitten, zog sich ihr um das Haar und die Stirn, den wilden Lockenschatz in etwas zu bändigen. In der Hand hielt sie ein kleines Buch mit goldenem Schnitt - ein englisches Neues Testament, und das erst so wilde, muthige Kind sah jetzt so mädchenhaft fromm , und schüchtern aus, das dunkle Auge ruhte mit einem so milden, sanften Blick auf ihm, daß er sie kaum wieder erkannt /49/ hätte. Und doch war sie jetzt fast noch schöner als damals, wie sie, den nackten Arm um den Baum geschlungen, von dem Felsen herab auf die verrätherischen Landsleute niederzürnte.
„Wie schön Du bist, Sadie!" rief René fast unwillkürlich aus und streckte ihr seine Hand entgegen.
„Nicht Sadie jetzt," sagte aber das junge Mädchen und schüttelte leise mit dem Kopf - „Prudentia heiß' ich, denn ich gehe jetzt zu meinem Gott, durch dessen heiliges Wasser ich den Namen bekommen habe. Aber hier, mein Freund," setzte sie mit bittendem Ton hinzu, indem sie die ihr gebotene Hand ergriff und dabei dem jungen Mann zugleich das kleine Buch entgegenhielt - „nimm das hier und lies darin, während wir in der Kirche für Dich und Dein Wohl beten wollen - es ist ein gutes Buch und wird Dich trösten."
Es lag etwas so rührend Herzliches in dem Ton, mit dem das holde Kind diese Worte sprach, daß René das Buch nahm, ihr leise die gereichte Hand drückte und sagte:
„Ich danke Dir, Sadie - Du mußt mir nun schon erlauben, Dich so zu nennen - das andere Wort will mir gar nicht über die Lippen - aber Du bleibst doch nicht lange?"
„Vielleicht nur zu kurze Zeit für so schwere Sünder, als wir sind," sagte das Mädchen ernst und fast traurig - „aber lebe wohl und fürchte nichts für Deine Sicherheit. Von der andern Seite der Insel sind eben Männer zur Kirche herüber gekommen, und sie berichten, daß Dein Schiff nirgends mehr zu sehen sei - es ist weit nach Westen gegangen und müßte lange Zeit brauchen, wollte es gegen den Wind wieder nach uns aufkreuzen. - Bleibe aber hier im Hause und zeige Dich nicht den Leuten draußen; doch davon sprechen wir nachher, jetzt darf ich nicht an weltliche Sachen denken - ich dachte aber auch nur Deinetwegen daran" - setzte sie leiser hinzu, und eine tiefe Röthe breitete sich über ihre schönen, so engelsanften Züge.
Auf den kleinen Mitonare hatte der Ton der Glocke aber ebenfalls eine fast zauberhafte Wirkung ausgeübt. - Noch im Lachen über den Fremden hörte er den ersten Ton dersel-/50/ben, und wie ein in seiner Lust von dem strengen Blick des Lehrers ertappter Schulknabe, zog sich sein Gesicht nicht, nein zuckte es förmlich in die alten ehrbaren Falten hinein, die ihm dabei fast noch komischer standen, als das Lachen vorher. Er erhob sich hastig, ergriff seine Bücher - alle in die ta hitische Sprache durch die Missionäre übersetzt, - und Sadie einige Worte sagend, verließ er mit dieser langsamen Schrittes das Haus.
René blieb allein zurück; Sadie hatte ihn heute absichtlich nicht aufgefordert, sie in die Kirche zu begleiten, was sie sonst gewiß nicht versäumt haben würde. Es waren aber viele Insulaner, die gestern Theil an den Vorfällen gehabt, von der andern Seite herübergekommen, und sie wollte beide Parteien nicht jetzt schon wieder zusammenbringen. Der Aufenthalt des Fremden konnte übrigens, wie sie recht gut wußte, nicht lange geheim bleiben, wenn er das überhaupt nur bis jetzt noch geblieben war. Den Frieden des Missionsgebäudes störten aber selbst die Verhärtesten ihres Stammes nicht so leicht, und sie glaubte den armen, von allen Uebrigen verlassenen Fremden wenigstens hier sicher.
René warf sich auf eine der überall in dem hohen, luftigen Gebäude ausgebreiteten Matten und lag lange in tiefem Brüten über die letzten für ihn so verhängnißvoll gewesenen Stunden. Er war einer sehr dringenden Gefahr für den Augenblick entgangen, aber kam das Schiff zurück - und er zweifelte kaum daran, daß der Capitain wenigstens noch einen Versuch machen würde, ihn wieder zu bekommen - wie sollte er dann sich retten? - Er durfte auch kaum hoffen, von einem englischen und protestantischen Missionär beschützt zu werden, und das Beste blieb immer, daß er weder Schiff noch Missionär abwartete und so rasch als möglich die Insel zu verlassen suchte. - Aber Sadie? - würde sie ihn begleiten? - Er erschrak ordentlich vor dem Gedanken sie zurückzulassen, und mochte sich selber kaum gestehen, wie gewaltig dies holde Kind des Waldes sein Herz schon gefesselt habe und halte.
„Das ist Thorheit," murmelte er vor sich hin - „Wahnsinn, jetzt an Liebe zu denken, wo Du selber noch nicht einmal eine Stätte hast, Dein Haupt hinzulegen. Sei vernünf-/51/tig, René- hier an die Inseln geworfen, hat das erste hübsche Gesicht, was Dir in den Weg kam, Dein überhaupt etwas leicht entzündliches