Tahiti. Gerstäcker Friedrich
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„Bah!" lachte das wilde Kind und warf sich mit rascher Kopfbewegung die Locken um die Schläfe, daß die losgeschüttelten Blüthen auf ihre Schultern niederfielen - „ist das der Rede werth? - schon als kleines Mädchen von vier Jahren hab' ich den Weg allein gemacht, und jetzt bin ich fünfzehn. - Aber gestern durft' ich ja doch nicht gehen," setzte sie ernster hinzu - „gestern war Sabbath, und - ich wollte doch auch nicht, daß Du wie ein Gefangener im Hause sitzen bleiben solltest. - Doch wir wollen ja hier nicht stehen bleiben, ich bin müde und will mich setzen - komm," sagte sie und zog ihn nach sich, der Gartenpforte zu, durch die sie gingen und links davon einen kleinen Hügel emporstiegen, wohinaus ein ordentlicher Pfad ausgehauen und geebnet war.
Es ließ sich kaum ein lieblicheres Plätzchen auf der weiten Gotteswelt denken als das, wohin das schöne Mädchen jetzt den jungen Mann führte. - Drei niedere Palmen, in ihren Kronen fast gleich, überhingen die kleine Stelle, und zwar so, daß die schattigen Blätter, weil nach vorn überneigend, die Sonne auffingen, wenn sie nur wenige Stunden hoch am Himmel stand. - Der Boden war mit einem feinen wohlriechenden Farrn bedeckt; der duftende anei, wie reich mit Blumen geschmückte Büsche bildeten die Rückwand, und mehrere mit Blüthen überstreute und zu gleicher Zeit von /56/ goldenen Früchten fast niedergebeugte Orangenbüsche die Seitenwände, während ein breiter niederer Sitz, mit feingeflochtenen Matten doppelt und dreifach weich überlegt, mit einer von Bambus gezogenen Rücklehne, die weite, freie Aussicht
auf das blaue Meer und die schäumende Brandung der Riffe gewährte.
René stand lange in schweigender Bewunderung der reizenden Scene, mit dem schönen Mädchen, das ihn lächelnd betrachtete, an seiner Seite.
„Nicht wahr, das ist ein lieblicher Platz hier auf der kleinen freundlichen Insel?" - sagte sie endlich leise, als ob sie fürchtete das, was sein Herz in diesem Augenblick fühlte, zu unterbrechen.
„Oh wunder - wunderschön!" rief René begeistert, ihre Hand ergreifend - „ein Paradies, dem selbst die Engel nicht fehlen."
„Pfui, Fremder," sagte aber das Mädchen ernst und fast traurig - „Du mußt nicht lästern, während der liebe Gott das Licht seiner Sonne auf Dich niedergießt und die Wunder seiner Welt um Dich her ausgebreitet hat - und Du thust mir auch weh damit, und ich habe Dir doch nichts zu Leide gethan."
„Sadie!" bat der junge Mann, tief ergriffen non der einfachen, rührenden Natürlichkeit des holden Kindes.
„Laß nur gut sein," sagte sie aber wieder etwas freundlicher, „und setze Dich hierher - nein, nicht so nahe zu mir - da in die Ecke - so, und nun sollst Du mir eine Frage beantworten."
Sie sah ihm dabei treuherzig in die Augen, und wenn sie auch nicht duldete, daß er den Arm um sie legte, ließ sie doch ihre Hand in der seinen ruhen.
„Und was willst Du fragen, Du holdes Lieb?"
„Zuerst heiß' ich Prudentia, höchstens Sadie, aber nicht anders - doch wie heißt Du eigentlich?"
„René!"
„René - das ist ein hübscher kurzer Name und klingt nicht so schwerfällig wie die anderen englischen Worte, René; - das könnte auch der Mitonare im Haus behalten," setzte sie /57/ leise hinzu, und ein schelmisches Lächeln blitzte ihr durch die Augen; es war aber auch im Moment wieder verschwunden.
„Und was wolltest Du mich fragen, Sadie?"
Das junge Mädchen wurde in diesem Augenblick recht still und ernsthaft, und sah ihm erst eine ganze Weile forschend, schweigend in die Augen, als ob sie dort lesen wolle, wie es selbst in seinem innersten Herzen beschaffen sei. Dann aber schüttelte sie mit dem Kopf - hatte sie nicht gefunden, was sie suchte, oder war sie über sich selbst böse? - und sagte jetzt, aber noch immer keinen Blick dabei von ihm verwendend:
„Ist es wahr, René daß Du ein Ferani bist?"
„Wenn Du, wie ich glaube, Franzose darunter verstehst - ja," erwiderte René, offen, aber auch halb erstaunt über den tiefen Ernst dieser doch gewiß höchst gleichgültigen Frage.
„Und bist Du ein Christ?" frug das Mädchen ängstlich.
René konnte ein Lächeln kaum verbergen, er erinnerte sich aber auch zugleich der Fragen des kleinen Mitonares und sagte kopfschüttelnd:
„Liebes Kind, wer hat Euch solch' tolle Grillen hier in den Kopf gesetzt, daß die Franzosen keine Christen wären? - gewiß sind wir Christen, wenn Dich das beruhigen kann."
„Aber habt Ihr nicht heidnische Gebräuche bei Eurer Religion?" frug ihn das Mädchen jetzt dringender.
„Aber, Du gutes Kind," bat sie René, „sage mir nur -"
„Oh bitte, bitte, beantworte mir meine Frage treu und wahr," unterbrach ihn aber in fast ängstlicher Hast das schöne Mädchen - „ich will Dir dann auch mit Freuden jeder Frage Rede stehen."
„Nun gut denn, Sadie, Dich zu beruhigen, will ich Dir jeden Aufschluß geben, der nur in meinen Kräften steht. Du weißt gewiß von Deinem Pflegevater, daß es viele, viele Weiße in anderen Welttheilen giebt. Diese glauben wohl Alle an einen Gott, aber sie haben verschiedene Namen für ihn - sie beobachten verschiedene Formen, ihn anzubeten."
„Und Alle beten wirklich zu dem einen Gott!" sagte Sadie staunend - „nicht andere Götter sind es, die Ihr verehrt?" /58/
„Sie haben sich große Mühe gegeben, Sadie," sagte René, „Dir den Glauben so vieler Tausende von der schlimmsten Seite zu schildern - und schon das allein wäre nicht christlich."
„Aber Eure Sünden werden Euch für Geld vergeben," sagte Sadie, während ihr Auge angstvoll an dem des Fremden hing.
„Um Geld nicht, mein Herz," erwiderte aber René - „und wo es geschieht, ist es eben ein Mißbrauch der Geistlichen, die Manches in den Formen unserer Gottesverehrung zu verantworten haben. - Aber sollen wir etwa glauben, daß Gott dem schwachen Menschen, der da einmal gesündigt, auf immer zürnt? ist es nicht wahrscheinlicher, daß er in seiner unendlichen väterlichen Huld uns, wenn wir wirklich Reue fühlen, verzeiht? Dürfen wir uns denn Gott, den Allbarmherzigen, als einen ewig zürnenden Richter denken, der sogar ungerecht bis hinab in's dritte, vierte, ja zehnte Glied straft und richtet? - Nein, Sadie - dieser Glaube mag oft durch böswillige oder eigennützige Geistliche gemißbraucht sein, ich will das nicht leugnen, aber es ist immer kein G ö tz e n dienst, und wer Dir das gesagt hat, mag es vielleicht recht gut gemeint haben, aber er übertrieb die Sache. - War es Dein Pflegevater, Sadie?"
„Nein," sagte das junge Mädchen, leise und nachdenklich mit dem Kopf schüttelnd - „mein Pflegevater ist nicht so streng und ernst. Er hat mir oft gesagt, daß unter den Franzosen auch gewiß recht viel brave und gute Menschen wären, vielleicht eben so viel wie unter den Engländern - nur daß ihre Religion nicht die rechte sei und daß sie noch viele Mißbräuche duldeten."
„Und wer hat Dir sonst so Böses von uns erzählt, mein Lieb?" lächelte -René - „in Deinem eigenen Köpfchen ist es doch Wahrlich nicht entsprungen."
„Nein," sagte das Mädchen treuherzig - „aber auf Tahiti wohnt ein frommer, ernster, strenger Mann - der kommt des Jahres wohl ein- oder zweimal auf unsere Insel herüber und predigt hier. - Wir fürchten uns aber Alle vor ihm, denn wir dürfen dann keine Blumen in den Haaren tragen
/59/ und nicht lachen und fröhlich sein, und er macht uns