Tahiti. Gerstäcker Friedrich

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Tahiti - Gerstäcker Friedrich

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den Kopf in die Hand und schlug das Buch auf, das noch immer vor ihm lag; aber die Buchstaben tanzten ihm vor den Augen; zwischen jeder Zeile lachten die holden schelmischen, und doch so sanften Züge des lieben Kindes heraus, und weder St. Lukas noch die Korinther vermochten den Zauber zu lösen, der seine Seele mit der wilden Gluth plötzlicher, aber gewaltig erwachter Liebe entzündet hatte.

      Der Tag verging ihm langsam - Sadie kehrte mit dem kleinen Missionär wohl um die Mittagszeit zurück, aber es war Sonntag - kein Lächeln stahl sich über ihre Züge. - Selten oder nie begegnete ihr Blick dem seinen, und die Stunden flossen ihm träge unter Gebeten und Hymnen dahin.

      Schon vor Tag am nächsten Morgen war er auf, badete in dem krystallhellen Wasser der Korallenbänke, und harrte dann mit wirklicher Sehnsucht des schönen Kindes, das aber heute lange, lange ausblieb und sich ihm gar nicht wieder zeigen wollte. Vergebens erfrug er sie bei dem Mitonare.

      „Pu-de-ni-a?" sagte dieser kopfschüttelnd und mit seinem rätselhaften Englisch - „der Herr weiß, wo man das Mädchen suchen soll, wenn man sie haben will – Pu-de-ni-a ataetai - wie kleine Eidechse, hier im Laub und da im Laub - kann sie nicht fassen - ist weg unter den Augen."

      Der Kleine schien heut übrigens besonders zu einer Unterhaltung aufgelegt, lehnte sich auf seine Matte zurück, faltete die kurzen dicken Finger auf dem runden Magen und begann wieder auf das herablassendste eine ganze Reihe von Fragen an den jungen Mann zu stellen, die ihm oft kaum Zeit ließen, nur den Sinn zu verstehen, ehe sie wieder, ohne die Beantwortung der ersten abzuwarten, von anderen verdrängt wurden. Er trug aber heute weder den schwarzen Frack, noch die hellgelbe Weste mit den blanken Knöpfen. Selbst das weiße Halstuch lag, sorgfältig in ein Stück gelbes englisches Packpapier eingewickelt auf einem kleinen Bücherbrett, neben seinem geistlichen Schatz. Seine Bewegungen waren /52/ aber dadurch auch freier geworden, und er schien mit dem Frack auch den ganzen Mitonare ausgezogen zu haben. Er war, wie er jetzt selber René aus freien Stücken erzählte, noch vor zehn Jahren ein entsetzlicher Heide gewesen, der glaubte, daß das höchste Wesen Taaroa und nicht Gott hieß, der sogar seinen Götzen Früchte und Schweinefleisch zum Opfer brachte und Gefallen an den sündhaften Tänzen der eingeborenen Mädchen fand, Mitnorae o-no-so-no, Gott weiß, wie der Mann in wirklichem Englisch hieß, hatte ihn jedoch gerettet, sein Vater aber und sein Großvater, und seinem Großvater sein Großvater waren alle in der Hölle - konnten aber nichts dafür - waren aus Versehen hinuntergekommen. - Er hatte sich sogar tätowiren lassen, und als er sah, daß René, wahrscheinlich unbewußt, ein erstauntes Gesicht dabei machte, was er vielleicht für Unglauben nahm, lüftete er mit einer halben Wendung den Kattun, fiel aber erschrocken wieder in seine alte Stellung zurück und sah sich nach allen Seiten um, als René der sich nicht helfen konnte, bei der Bewegung plötzlich in ein schallendes Gelächter ausbrach. Das hätte der kleine Mann aber bald übel genommen, René wußte ihn jedoch wieder zu beruhigen, und er begnügte sich von da an ihm seine Lebensgeschichte ohne Illustrationen zu geben. Das Mitonaresein war seiner Meinung nach ein sehr schweres Geschäft - weniger des Predigens, als des Frackes wegen - und der viele Aerger mit den Mädchen - so viel junges, leichtsinniges Volk - denken immer, können in den Himmel kommen, wenn sie lustig sind - bah - wissen's nicht besser. - Da in dem Buch steht Alles drin - sehr gutes Buch - ein bischen dick - aber sehr gutes Buch, und viele schwere Worte drin. Jetzt kam aber bald eine böse Zeit - weiße Mitonares - vier, fünf, sechs kamen hier herüber - sahen zu, ob Mitonare rother Mann viel weiß und kleine Kanakas iti-iti gut unterrichtet hat - viele schwere Worte auswendig lernen und viel Aerger mit iti-iti. Pu-de-ni-a gutes Kind," setzte er dann hinzu - ,,aber ein bischen wild - ein bischen sehr wild für /53/ waihini - Mitonare O-no-so-no Tochter - aber nicht Tochter - nur so Tochter -" und er bemühte sich dann in langer Rede und mit großer Anstrengung dem jungen Mann begreiflich zu machen, daß Pu-de-ni-a O-no-so-no's Pflegetochter sei.

      Das war etwa der Inhalt seiner Unterhaltung, bei der er ziemlich allein das Wort führte und René allerdings nur nothdürftig den Sinn des Ganzen verstand, indem der Alte oft mehr tahitische als englische Worte gebrauchte, und selbst diese wenigen noch auf wahrhaft grausame Art verstümmelte. René konnte es zuletzt nicht länger aushalten - die Sehnsucht, die ihn auf der einen Seite quälte, Sadie wieder zu sehen, und die peinlich scharfe Aufmerksamkeit, die er auf der andern genöthigt war, dem Kauderwelsch des Kleinen zu schenken, wenn er nur überhaupt den ungefähren Sinn der Rede fassen wollte, machten ihm die Unterhaltung zu einer wahren Folter, und er benutzte die erste nur einigermaßen passende Gelegenheit, aufzustehen und in den Garten zu gehen. - Aber Sadie war nirgends, weder zu hören noch zu sehen. Die Sonne stieg indessen schon ziemlich hoch, und er warf sich endlich, als er die Gänge unzählige Male auf- und abgelaufen, ermüdet in dem Schatten eines Orangen- und Citronendickichts nieder, von wo aus er, da der Platz erhöht lag, das ruhige Binnenwasser, das die Insel umgab, und die weiter draußen von der Brandung hoch beschäumtcn Riffe deutlich übersehen konnte. Dicht hinter dem kleinen Orangenhain lief die Einfriedigung des Gartens hin, und gleich von diesem ab begannen ziemlich steil die nächsten, mit Guiaven- und Citronenbüschcn bedeckten Hügel emporzusteigen.

      Wohl eine halbe Stunde hatte er so so gelegen, und wilde wunderliche Luftschlösser gebaut mit träumenden Gedanken. - Oh wie reizend lag seine künftige Heimath unter den wehenden Palmen und duftigen Orangenblüthen dieser Wälder - wie schaukelte sein Canoe so still und friedlich auf der klaren herrlichen Fluth, wenn er Abends vom Fischfang heimkehrte - und welch' holdes Bild stand in der niedern Thür der Bambushütte und winkte ihm mit dem wehenden Tuch das fröhliche, herzliche Joranna entgegen - Halt! - das waren /54/ Schritte - dicht hinter den Orangenbäumen den Hügel herab - ein leichter Sprung über den Zaun - er fuhr

      empor, und an ihm vorüber schoß mit flüchtigen Schritten die holde Wirklichkeit seiner schönsten Träume.

      „Ha!" sagte das Mädchen und warf halb scheu, halb erschreckt den Kopf zurück, den die vollen dunkeln Locken heut wild umflatterten. Als sie aber ihren Schützling erblickte, färbte wieder jenes dunkle Roth, das ihrem Antlitz einen so unendlichen Zauber verlieh, die lieblichen Züge der Maid. Rasch auf ihn zutretend, reichte sie ihm freundlich und zutraulich die Hand, die er fest in der seinen hielt, während seine Blicke mit inniger Lust an den ihrigen hingen.

      Es war aber heute ganz wieder das wilde Kind wie an jenem Tage, wo sie wie ein zürnender Geist zwischen Verfolger und Verfolgten getreten. Das lange Gewand von gestern hatte sie abgeworfen, und das Schultertuch verrieth mehr von den üppigen Formen des wunderschönen Mädchens, als es verdeckte. Auch durch die Locken wand sich wieder ein dichter Kranz duftender Blumen mit einem hochgefärbten Farn durchflochten, während zwei große weiße Sternblumen über ihren Ohren staken und die feine Bronzefarbe der Haut nur noch mehr und reizender hervorhoben.

      „Wo bist Du aber nur so lange geblieben, Sadie!" sagte jetzt René mit leisem, fast zärtlichem Vorwurf.

      „Lange geblieben?" lachte das wilde Mädchen - „lange geblieben? hab' ich denn überhaupt kommen wollen? - wunderlicher Mann, wie weißt Du nur, wo ich überall heute Morgen schon gewesen bin - und Deinetwegen noch dazu" - setzte sie mit leichtem Erröthen und halb abgewandtem Gesicht hinzu - „doch komm," fuhr sie rasch fort, als sie mehr fühlte wie sah, daß er etwas darauf erwiedern wolle - „komm, ich habe gute Nachrichten für Dich, und wir wollen indessen ein wenig zu meinem Lieblingsplätzchen auf jenem Hügel gehen."

      „Aber ich habe meine Waffen im Haus gelassen," sagte der junge Mann.

      „Du brauchst sie nicht mehr, wenigstens für den Augen /55/blick nicht," hielt ihn das Mädchen zurück - „unser Häuptling selber hat mir sein Wort gegeben, daß Du unbelästigt auf der Insel bleiben sollst, bis das Schiff wiederkommt und Dich noch einmal zurückfordert - und selbst dann wird er nicht streng mit Dir sein, - wenn sie ihn nicht dazu treiben. Er ist ein guter Mann, und nur erst seit Ihr Weißen uns so viel Sachen herübergebracht habt, ohne die wir nun einmal nicht mehr glauben leben zu können, ist seine Habgier geweckt, und er thut Manches, was er sonst nicht gethan haben würde."

      „Und bist Du

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