Seefahrt 1956-58 – Asienreisen vor dem Mast – Nautischer Wachoffizier. Klaus Perschke
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Erst herrschte noch eine frische kühle Brise, immerhin war es Anfang Februar, also auch für die Länder in diesen levantinischen Breiten noch Winterzeit.
Warten im Großen Bittersee
Der große Bittersee war unser erstes Ziel, denn dort musste der südfahrende Konvoy erst einmal ein paar Stunden ankern, um den nordfahrenden Konvoy vorbeifahren zu lassen. In Ismaelia, kurz vor Erreichen des Großen Bittersees, war Lotsenwechsel. Der nächste britische Pilot brachte uns dann weiter bis nach Suez. Während wir noch im Großen Bittersee ankerten, gab es einige Kadetten, die in ihrer Freiwache ihre Angelrute herausholten und auf Petris Gnade hofften. Doch es kam kein Fisch auf den Teller. Wahrscheinlich hatten sie uns durchschaut. Manche Kollegen wollten bei einer Kiste Bier wetten, dass es Haie im Großen Bittersee gebe. Aber auch sie hatten keinen Hai beziehungsweise eine Rückenflosse gesehen, die ihre Kreise um das Schiff gezogen hätten. Dagegen sahen wir den nordwärts fahrenden Konvoy vorbeikommen. Es dauerte nicht lange, da hieß es wieder „Anken hieven!“, und, als dieser an der Wasseroberfläche auftauchte, ließ der Pilot den Maschinentelegrafen wieder auf „Langsam voraus“ legen. Die BAYERNSTEIN setzte sich wieder langsam in Bewegung, immer in gebührendem Abstand vom Vordermann. Wieder vergingen etliche Stunden, bis aus dem Wüstensand Suez auftauchte. Jedes Schiff lief in die Bucht von Suez ein, stoppte die Fahrt und wartete, bis ein Schlepper der Kanalbehörde auftauchte und das Bedienungspersonal die Mietdoppelscheinwerfer von der Back auf das Deck des Schleppers herabgefiert hatte. Erst danach verabschiedete sich der Pilot und kletterte mit dem Bedienungspersonal auf das wartende Pilot Boat.
Freie Fahrt bis Aden, Maschine voll voraus. Zunächst stürmten wir durch den Golf von Suez, danach durch das Rote Meer, an Steuerbordseite an Port Sudan, an Backbordseite an Jiddah vorbei, bis wir die Durchfahrt von Bab el Mandeb passierten und voraus an Backbord Aden ansteuerten. Mit jeder Seemeile, die wir vom Suezkanal in Richtung Aden stürmten, wurde das Wetter auch immer freundlicher, und jetzt sah man auf dem Promenadendeck die hübschesten Bienen sich in den Liegestühlen rekeln. Diese Damen waren britische Militärangehörige oder die Ehefrauen britischer Militärs, die aus dem Urlaub in Great Britian zurück zu ihren Standorten fuhren. Und sie geizten nicht mit ihren Reizen. Harald Beck kam ganz schön ins Schwitzen, denn auf ihn hatten die meisten ein Auge geworfen. Doch auch unser Übervater Kurt Tietjen hatte eine Ahnung, und er trieb sich öfters in Haralds Nähe herum. Die rolligen Damen hatten keine Chance, sich mit Harald zu verabreden. Den Ladies blieb nur der Barsteward hinter seinem Tresen, aber der wollte hauptsächlich seinen Doornkaat als Gin an die britischen Maiden verkaufen. Auch hatte er schon etliche Jährchen auf dem Buckel, er konnte mit dem knackigen Harald nicht konkurrieren.
So sah das Panorama am 11.02.1956 beim Einlaufen von Aden aus
Am 11.02.1956, dem Tag, an dem ich 21 Jahre alt geworden war, steuerten wir Aden an. Nur Felsen, Felsen, Felsen empfingen uns. Dort in den Hintergrund des Bildes an der Küste brachte uns der britische Harbour Pilot. In Aden hatten wir einen Haufen Postsäcke zu löschen, und einige Militärangehörige wurden ausgeschifft. Hier brüllte noch der britische Löwe und überwachte den Eingang zum Golf von Aden und zum Indischen Ozean, - noch! Keiner ahnte damals, dass auch hier für die Royal Armee die Stunden gezählt waren und der Countdown bereits lief. Das Bunkern war hier für den NDL noch relativ billig. Ein Bunkerboot kam längsseits, und während die ersten Postsäcke an Land fuhren, floss das Fueloel durch einen Schlauch an Bord in die Bunkertanks. Aden war ein riesiger Hitzekessel. Ich habe mich gewundert und gefragt, wie die dort lebenden Europäer diese Hitze überhaupt vertragen konnten? Das war nun „Her Majesty own property“. Hier wollte ich wirklich nicht „tot über dem Zaun hängen“. Trotzdem, in Aden hatte ich ohne große Feierlichkeit meinen 21. Geburtstag begangen. Ich war jetzt volljährig und voll verantwortlich für meine Taten und Untaten, die ich mir in Zukunft noch abkneifen sollte. Auf jeden Fall waren wir froh, als wir Stunden später wieder „Anker-auf“ gehen und auslaufen konnten.
Der Übersegler von „Africa and the Middleeast“, worauf unsere Segelroute vom Golf of Aden durch den Idian Ocean nach Colombo zu ersehen ist.
Quelle: Lloyds Maritime Atlas of World ports and shipping places, Twenty-First-Edition, 2001
Wie bereits erwähnt, war das Wetter inzwischen fantastisch geworden. Da es im Indischen Ozean fast keine Rollbewegungen durch irgendwelche Dünung gab, das Schiff lag fast ruhig, war auch die Zeit gekommen, das Schwimmbad klar zu machen und zu fluten. Das war wieder Harald Becks Job. Und diesen führte er auch gewissenhaft aus. Uns’ Harald, jetzt nur mit Badehose bekleidet, schrubbte die Kacheln des Bodens und der vier Wände gründlich mit P3-Wasser und spülte es mit Seewasser anschließend genau so gründlich aus. Und bei seinem athletischen Körper, den er zur Schau stellte, hielten es die Ladies in den Liegestühlen nicht mehr aus. Sie drängelten sich – im Bikini natürlich – an der Promenadendecksbar herum, die jetzt zum Schwimmbad hin geöffnet war, und schlürften eiskalte Drinks in sich hinein. Dabei begutachteten sie Haralds Körper und sein Werk mit fachfraulichen Blicken. Aber Bootsmann Kurt Tietjen stand nie weit entfernt und verhinderte mit diversen dienstlichen Anweisungen das Zustandekommen irgendwelcher Konversationen zum anderen Geschlecht. Denn Kurt Tietjen, Haralds Schutzengel, wollte unter allen Umständen verhindern, dass der 1. Offizier auch noch auftauchte und Harald irgendwelche nichtigen Aufträge erteilte. Herr Vetter war der eigentliche Platzhirsch auf dem Promenadendeck. Das war sein Revier, das er energisch gegen jeden Eindringling verteidigte. Vermutlich sah er in Harald einen Eindringling in sein Revier, denn die Damen hatten mehr Interesse an Harald als an ihm in seiner gebügelten weißen Uniform.
Unsere Reise führte zunächst nach Colombo auf Ceylon, heute Sri Lanka. Der Anmarschweg von Aden nach Colombo führte zunächst vom Golf von Aden bis zu den Inseln Abd al Kuri und Socotra, die wir an unserer Steuerbordseite passierten, von dort südlich des Arabischen Meers auf fast ostsüdöstlichem Kurs bis zum Eight Degree Channel, also der Durchfahrt nördlich der Malediven bis zur Südspitze von Indien, in den Golf von Manar. Tja, und GPS, also das „Global Positioning System“, bzw. das heute, seit den 1980er Jahren am gängigsten benutzte Navigationsmittel ECDIS, eine Kombination aus elektronischer Seekarte, GPS und Radar mit seinen metergenauen absoluten Positionsbestimmungen, war damals noch ein Fremdwort an den Seefahrtsschulen der norddeutschen Küsten, und diese Navigationsgeräte waren in der Christlichen Seefahrt – wie bereits an anderer Stelle erwähnt - noch absolut unbekannt. Die wahre Kunst der Navigation war noch gefordert, auf offenem Meer die astronomische Ortsbestimmung, also der Umgang mit Sextant und den astronomischen Tabellen, und wenn man unter der Küste fuhr, waren die terrestrische Navigation, die Funkpeilerei und Radarpeilungen gefordert. Die heutigen Navigationsexperten würden die Nase rümpfen. Für die damaligen Kollegen auf der Brücke war schon die Ausrüstung mit einer Radaranlage ein enormer Fortschritt. Immerhin schrieben wir das Jahr 1956 und nicht 2007. Trotzdem, alle Nautiker der damaligen großen Fahrt, die sich weltweit mit ihren Schiffen bewegten, kannten die markanten Sterne ihrer Sternbilder, die sie morgens und abends in der Dämmerung zur Beobachtung benutzten, fast auswendig. Sie wussten auf Anhieb, wo welches Sternbild mit welchem Beobachtungsstern auftauchen würde. Ich frage mich, was machen die heutigen jungen Kollegen, wenn ihr heißgeliebtes ECDIS-Gerät an Bord für einen oder zwei Tage ausfallen würde. Wissen sie noch, wo die alte Kiste mit dem Sextanten auf der Brücke steht? Ich bin mir da gar nicht so sicher, weil ich in den 1980er Jahren später als 1. Offizier in genau so eine Situation geraten war.
Auch Ceylon gehörte zur britischen Krone und wurde von einem ansehnlichen Beamtenapparat Ihrer Majestät aus London geführt. Das britische Militär sorgte dafür, dass aufkeimende Unruhen sofort im Keim erstickt wurden. Also, es war damals noch ruhig