Lebensweisheiten eines ordentlichen Trinkers. Helge Hanerth

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Lebensweisheiten eines ordentlichen Trinkers - Helge Hanerth

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Der Sport hat mich gelehrt, dass alles geht, wofür ich mich <reinhänge>. Und wenn etwas nicht ging, dann konnte ich nicht enttäuscht sein. Ich hatte mir nichts vorzuwerfen. Ich hatte alles gegeben. So bin ich bis heute immer schnell motiviert, ein neues Ziel noch kompromissloser anzugehen.

      Meine Idole als Jugendlicher waren Polarforscher. Sie hatten Visionen und den unbedingten Willen sie zu erreichen. Das Alfred Wegener (Vgl. Rohrbach, Klaus: „Abenteuer in Schnee und Eis – Alfred Wegener“, Freies Geistesleben 2008) bei einer Expedition auf Grönland ums Leben kam, habe ich als Kind nicht mit Bedauern aufgenommen. Ich habe nur gedacht: ‚Was für ein heldenhaftes Ende, in Ausübung einer bahnbrechenden Aufgabe zur Klimaforschung, zu sterben‘. Das war ein bisschen wie mit den Cowboys, die in ihren Stiefeln starben.

      Am meisten beeindruckte mich Ernest Shackleton (Vgl. Shackleton, Ernest: „Mit der Endurance ins ewige Eis: Meine Antarktisexpedition von 1914-17“, Piper Verlag 2006)

      Er hatte bei seinen Expeditionen in die Antarktis sehr viel Pech. Aber er gab nie auf. Als sein Schiff im Packeis zerbarst, überwinterte er auf einer Eisscholle, um danach mit Beibooten seines Expeditionsschiffes zur Elephanteninsel aufzubrechen. Von dort ging es mit wenigen Leuten weiter durch stürmische See zum 1.500 km entfernten Südgeorgien. Dann überquerte er mit seinen Seeleuten und einem einzigen Seil das Hochgebirge der Insel, um zur rettenden Walfangstation auf die Nordseite zu gelangen. Erst dann konnte die restliche Mannschaft von der Elephanteninsel gerettet werden. Seine Entbehrungen retteten der kompletten Mannschaft das Leben.

      An solche Männer musste ich bei meinem kleinen Abenteuer denken, als ich nach meinem Studium in den Chilenischen Anden Bergwanderungen auf über 6.000 m machte. Dieses Abenteuer strickte ganz selbstverständlich auf etwas andere Weise meinen Kindheitstraum von Polarforschern weiter. Mir ist es ein Beispiel für pubertäre Prägung. Eines hatte sich dabei wieder bestätigt. Entbehrungen machen Spaß.

      Im Musikunterricht habe ich vor allem gelernt, mich auch in Stresssituationen wie z.B. Konzerten zu entspannen und konzentriert zu bleiben. So konnte ich bei einem Jazz-Solo noch die Muße finden, was Neues zu probieren. Mein musikalisches Talent war eher bescheiden. Große Erfolge gab es nicht. Also entdeckte ich andere Ziele. Allein das Fühlen der Musik, das eben anders ist, wenn man nicht nur passiv hört, ist so intensiv. Mir reichte das Musikmachen um der Musik willen. Öffentliche Erfolge überließ ich lieber den anderen. Man kann sich auch am Erfolg der Freunde freuen. So rang ich schon bald nicht mehr nach Preisen, sondern nach dem Applaus unserer Band auf Feten, Hochzeiten und Pfingstlagern. Meine Nebenrolle am Bass war meine Idealbesetzung. Als Basstyp durfte man auch gehemmt und wortkarg sein. Die Harmonien der Musik füllten die Harmonie in mir und mit den anderen Musikern. Dieses Fließen in der Musik war ganz anders als meine Sporterfahrungen, aber genauso schön. Das war der perfekte Kontrast.

      Intensiveres Erleben als durch Sport und Musik kenne ich nicht. Beide toppen jeden Alkoholrausch und jeden Orgasmus. Die Erinnerung an einzelne Erlebnisse sind noch Jahrzehnte später so wach, dass ich in der Erinnerung an sie manchmal den Tränen nahe komme.

      Ist das für andere nachvollziehbar, speziell für Gutachter? Ich glaube, man muss erst mal an körperliche Grenzen gekommen sein und diese zu übertreten versucht haben, um eine Ahnung zu bekommen was es heißt beim Sport alles gegeben zu haben. Erst wenn nichts mehr geht und alle Reserven mobilisiert wurden bekommt man ein Verständnis von Ehrgeiz und Leidensfähigkeit. Von solchen Erfahrungen waren meine Gutachter meilenweit entfernt. So wie ich schon als zwölfjähriger nach dem Kadertraining gegen 22 Uhr auf dem Fahrrad schwankend den Heimweg antrat, wäre eigentlich ne Verkehrskontrolle fällig gewesen. Aber Endorphine sind ja legale weil körpereigene Drogen. Alkohol kann das zu simulieren versuchen, kicken kann Alkohol es nicht.

      Genauso erging es mir beim Fallschirmspringen, beim doppelten Gipfelglück auf dem Ojos (6680 m) in den Anden oder beim Surfen in Herbststürmen auf der deutschen Nordsee zu letzt am Campingplatz von Hörnum. Solche Erfahrungen haben ihr eigenes Craving. Da gegen ist Alkohol ein <Schiss>. Die dabei trainierten Eigenschaften sind auch in anderen Situationen eine starke Waffe. Für außenstehende Fernsehgucker in warmen Wohnzimmern reduzieren sich spektakuläre Erfahrungen leider auf schöne Bilder. Das intuitive Nachvollziehen zeigt nur einen Teil von der Kraft solcher Ereignisse.

      Mein Weg war weit und dornenreich. Gerade in der frühen Kindheit habe ich gedacht, ich kann nichts. Ich sah mich als Totalversager. Es war die Unzufriedenheit mit mir, die mich hat Träumen lassen. Träume ließen mich das Hier und Jetzt akzeptieren, weil die Zukunft mich entschädigen sollte. Das Vertrauen in eine bessere Zukunft machte mir gute Laune. Das war, wie ich festgestellt habe, sogar wissenschaftlich von Neurowissenschaftlern aus Hamburg untersucht worden (Vgl. Peters, Jan/ Büchel, Christian: “Episodic Future Thinking Reduces Reward Delay Discounting through an Enhancement of Prefrontal-Mediotemporal Interaction“, Neuron 66(1) (2010) pp. 138-48).

      Das Vertrauen in eine bessere Zukunft braucht aber Gründe. Diese musste ich erst schaffen. Nur wenn ich erste Schritte tat auf ein Ziel, konnte ich dieses Vertrauen in mir wachsen spüren. Dieses Gefühl ist so präsent in mir, dass die Sehnsucht danach, mich auch heute immer noch motiviert. Ich kann nicht meine Hände in den Schoß legen, wenn ich die Chance sehe, ein Ziel zu erreichen. Ich muss jedem Ziel und erst recht jedem Traum Beine machen, sonst bleiben sie Seifenblasen, die der Wind verweht.

      In meinen Träumen suche ich nach Sinn. Der ist geprägt von einer Nützlichkeit, die ich ausfüllen will. Untrennbar verbunden damit ist immer die Nützlichkeit in und mit meiner Umwelt. Meine Vorstellungen vom Sinn des Lebens decken sich sehr mit den logotherapeutischen Prinzipien von Victor Frankl (Vgl. Frankl, Viktor: „Mans’s Search For Meaning“, Pocket Books 2009). Der hat in seinem Werk umfassend erforscht, wonach auch ich Zeit meines Lebens suche.

      Alkohol und andere Drogen schaffen keinen Sinn. Sie trösten nur über mangelnden Sinn hinweg. Kurzfristig kann das angenehm sein. Aber spätestens mit dem Kater ist es vorbei mit solchem Trost. Langfristig trete ich mit Alkohol auf der Stelle. Ich entwickle mich nicht. Es gibt keine Zukunft im Alkohol. Gerade von der Zukunft aber, träume ich gerne, wieder und wieder. Es bleibt nie beim bloßen Träumen. Ich stutze meine Träume so weit zu recht, dass ich sie als Ziel auch konkret planen kann. Diesen realen Zukunftstraum male ich mir in den schönsten Farben aus, bis der bloße Gedanke daran mir Flügel verleiht. Solche Träume machen Spaß, weil sie erreichbar sind. Ihr Erreichen ist eigentlich selbstverständlich, wenn ich mich an die Umsetzung meiner Strategie konsequent halte.

      Ich habe mein Abitur nicht gefeiert. Ich sah das Erreichen der Hochschulreife eben nicht als Glücksfall an, sondern als logische Konsequenz von Fleiß und Ausdauer. Die Erreichbarkeit eines Zieles weckt Energien, die Hindernisse aus dem Weg räumt. Die Wehmut der Erinnerung an meine Oberstufenzeit macht eh deutlich, dass die Schulzeit schöner war, als ihr Abschluss. Manchmal dient ein Ziel wie das Abitur eben nur der Erfolgskontrolle und dem Ausmachen neuer Ziele. Es war mir eine Etappe auf dem Weg zum Diplom. Die Schulzeit selbst war der größere Spaß.

      Als eigenbrötlerischer Einzelgänger war ich sowieso nicht der Partytyp dem feiern lag. Ich meide gerne Menschenansammlungen. Deshalb mochte ich es auch nicht, als Psychologen mir unterstellten, ich würde in Gesellschaft trinken. Meine Allianzen mit den anderen folgen immer einem produktiven Interesse. So konnte ich dann auch meine Rolle als Bassist in einer Band finden oder als Band auf einer Fete. Oberflächlichkeit unter Menschen und pures Gelaber ohne Sinn machen mich krank. Cliquen und allgemeine Freundschaften sind mir ein Leben lang fremd.

      Als Kind führte mein Glaube unfähig zu sein, zu einem starken Minderwertigkeitsgefühl. Die anderen schienen mir alles besser zu machen. Meine negative Selbsteinschätzung änderte sich auch nicht, als ich besser wurde. Egal wie gut ich wurde, es gab immer einen Besseren. Mit meiner Unfähigkeit wollte ich mich aber nie abfinden, denn dafür waren meine Träume zu schön. Dabei wollte ich nicht Mal besser sein als die anderen. Ich wollte nur mithalten können. Aus meinem Kampf gegen das Schicksal des Versagens wurde

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