Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin. M.E. Lee Jonas
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Seitdem J.J. das Internat fluchtartig verlassen hat, schleppt sie sich quer über die Nordinsel Neuseelands. Das Mädchen will zur Fähre, die sie zurück nach Havelock bringt.
Stundenlang ist sie durchgelaufen. Ohnmächtig vor Angst und ohne Ahnung, wie es jetzt für sie weitergehen soll.
»Was ist das für eine bescheuerte Welt? Ich war ein ganz normales Mädchen, das vielleicht irgendwann mal davon träumte, eine verwunschene Prinzessin zu sein. Das ist nichts Schlimmes!
Aber eine schwarze Prinzessin im dunklen Zauberreich? Das ist doch lächerlich! Sie haben mich alle belogen! Sie haben mir erzählt, dass ich frei entscheiden könne, wo ich mein Leben verbringen möchte. Und ich hatte mich entschieden! Ich wollte bei meinen Freunden in Marton bleiben!
Ich gehöre nicht in diese andere Welt, zu diesen abscheulichen Kreaturen! Auch wenn Vauns Prophezeiung eintausend Mal etwas anderes behauptet! Ich will das nicht! Ich will wieder normal sein! Schlicht, ohne Magie und Prinzessinnenstatus. Ohne dieses ekelhafte schwarze Blut!«
Mit voller Wucht schlägt sie einen Ast zur Seite, der ihr die Sicht versperrt. Besser das, als unkontrollierte dunkle Magie in der realen Welt. Es kostet sie viel Kraft, ihr Blut unter Kontrolle zu halten. Der innere Druck ist stark. Das Verlangen, ihrer Wut Luft zu machen, steigt mit jedem Meter, den sie zurücklegt. Es ist ihr kaum noch möglich, es zu verdrängen. Noch mehr Probleme kann sie sich allerdings nicht leisten.
»Was soll ich jetzt tun? Hat mich irgendjemand gefragt, ob ich das alles will? Genau! NIEMAND!
Zauber aus Eigennutz?! Ich hatte doch gar keine andere Wahl! Das ist ein gewaltiger Unterschied, meine liebe Darania! Er wollte mich verfluchen, mich töten, weil ihr ihn manipuliert habt! Hätte ich es nicht getan, wäre er innerhalb einer Stunde zu Stein geworden! Das ist also Eigennutz?
Ihr dämonischen Weiber habt mir alles geraubt! Meine Träume, mein Leben, ihn. Und jetzt wollt ihr mich auch noch? NEIN! NIEMALS!«, schreit sie den Baumstamm mit hasserfüllter Miene an. Mit kräftigen Tritten bestätigt sie ihre Entschlossenheit und hört erst auf, als die Rinde birst. Überall, in jeder Wolke, jedem Baum und Busch sieht sie das Gesicht Daranias. Das triumphierende Lachen der Oberhexe, die sie schon ihr Leben lang jagt, verfolgt sie bis in ihre Träume.
»Ich hasse dich! Du wirst mich niemals kriegen! Du widerliche, alte Fratze! Ich bin nicht wie du! Ich gehöre ins Licht, nicht in die ewige Dämmerung, mit ihrer verkorksten Moral.
Wie naiv die Menschen doch denken. Sie glauben, dass Zauberei ihre Probleme lösen könnte. Sie einfach ins Nichts auflöst, ohne rückwirkende Konsequenz. Tut mir leid, meine sehr verehrten Herrschaften, das ist leider ein törichter, tödlicher Irrtum! Ein vollendeter Zauber bleibt unwiderruflich, selbst wenn man ihn rückgängig machen würde! Das Essentielle ist nämlich, dass man es getan hat! Auch wenn man die Zeit zurückdrehen und den Zauber nicht aussprechen würde, bliebe es letztlich nur ein »Rückgängig machen« mithilfe eines weiteren Zaubers. Es ist also eine Endlosschleife! Dunkle Magie ist gefährlich und böse. Ich will das nicht!«
Ein verzweifelter Weinkrampf schüttelt sie durch und zwingt sie in die Knie. Diese extremen Phasen wechseln sich mittlerweile im Minutentakt ab.
Aber bis zur Fähre sind es nur noch ein paar Hundert Meter. Das ist gut, denn das Mädchen ist inzwischen mental und körperlich vollkommen erschöpft. Ihre Fußgelenke sind dick angeschwollen und drücken sich bereits schmerzhaft aus dem Schuh. Zu allem Überfluss ist sie vom Dauerregen durchnässt.
»Oh Gott! Ich habe ihn verflucht! Ich habe sein Leben verpfuscht. Ich habe ihn nicht gerettet! Egal, was die anderen sagen. Ich bin schuldig! Ich werde ihn nie wiedersehen! Wie soll ich damit leben? Das ist grausam! Ich bin so schrecklich einsam«, schluchzt sie hoffnungslos.
Nun folgt ein hysterischer Schreianfall. Sie springt hoch und brüllt ihre ganze Wut, ihre tiefe Verzweiflung heraus. Ein letztes Mal, bevor sie den Anleger der Fähre erreicht. Denn sobald das Mädchen auf die öffentlichen Wege gelangt, muss sie sich so normal wie möglich verhalten. Vielleicht sucht ja bereits die Polizei nach ihr. Pippa wird dieses Mal bestimmt nicht wortlos hinnehmen, dass sie einfach fortgegangen ist.
J.J. zieht sich ihre große Kapuze tief ins Gesicht und verlässt das unwegsame Gelände.
»Es tut mir leid, Linus. Du hast dich in mir getäuscht. Ich habe keine reine Seele. Nicht mehr. Ich bin jetzt eine dunkle Hexe! Die alte Smirna aus der Fluchgasse hatte also doch recht: J.J. Smith hat eine dunkle, böse Seele! Ich hoffe, dass Gott mir irgendwann vergibt, dass ich einen Seelenwanderer verflucht habe. Ich kann es jedenfalls nicht. Ich kann mir nicht vergeben.«
Sie holt tief Luft und reiht sich mit gesenktem Kopf in eine Gruppe Touristen, die ebenfalls auf die Ankunft der Fähre wartet. Ihr Atem geht ruhiger, aber ihr Herz rast wie wild. Auch das hat sich seit den Ereignissen in Havelock geändert. Dieser ständige Zwang sich zu kontrollieren hat J.J. in einen undurchdringlichen Kreislauf aus Angst und Panikattacken geschleudert. Menschenmengen machen ihr Angst. Dunkelheit, laute Stimmen, ein falscher Blick, alles versetzt sie in Panik. Deshalb starrt das Mädchen stur zu Boden, um nicht aus Versehen einen der anderen Passagiere anzusehen. Nachdem sie eilig ihr Ticket bezahlt hat, setzt sie sich auf eine Bank an Deck, obwohl es immer noch stark regnet.
Während der Fahrt schaut J.J. stur auf das Meer. Nur nach vorn und nicht mehr zurück. Ihre Zeit in Marton ist vorbei. Nun kehrt sie zu ihren Wurzeln zurück. Blut ist eben doch dicker als Wasser.
Derweil sitzt auf der Südinsel ein ziemlich angespannter Diener in seinem Wagen und wartet auf die Ankunft der nächsten Fähre. Nachdem Zoé gestern Abend vollkommen aufgebracht ins Büro von Mrs. Rogan gestürmt ist und ihr den seltsamen Abschiedsbrief von J.J. zeigte, hat die Direktorin natürlich umgehend in Havelock angerufen. Sie war sich ganz sicher, dass J.J. auf das Anwesen ihrer Großmutter zurückkehren würde, obwohl sie weiß, dass Vettel nicht mehr dort lebt. Aber irgend jemanden musste sie ja informieren. Immerhin steht das Mädchen seit ihrem sechsten Lebensjahr unter ihrer Obhut. Damals musste sie Oma Vettel bei ihrem Leben schwören, dass sie gut auf deren Enkelin aufpassen würde. Und nun ist J.J. einfach verschwunden und deren Großmutter für sie unerreichbar.
Seit ihrem Anruf ist Broaf außer sich vor Sorge, da er nicht weiß, aus welchem Grund das Mädchen aus dem Internat geflohen ist. Er hat sich sofort in seinen Wagen gesetzt und ist zur Fährstation gefahren. Was sollte der Diener sonst tun?
Sein Bauchgefühl hat ihm gesagt, dass J.J. wieder nach Havelock zurückkommt. Also hat er direkt vor dem Anleger geparkt, damit sie ihn gleich sehen kann. Aber zwischen den Fahrgästen der letzten zwei Fähren hat er das Mädchen vergebens gesucht. Nun starrt er hoffnungsvoll auf die nächste, die gerade am Ufer andockt. Nervös steigt Broaf aus dem Wagen und hofft, J.J. endlich zu entdecken. Auch er versucht ganz normal zu wirken, als er sich zwischen die anderen Wartenden stellt. Aber der Kummer und die letzten Ereignisse haben auch bei ihm tiefe Spuren hinterlassen. Er sieht müde und ungewohnt ungepflegt aus. Sein sonst akkurat gekämmtes Haar weht störrisch im rauen Herbstwind und es scheint lange her, dass er seine Schuhe poliert hat. Für Broaf hat sich in den letzten Monaten auch sehr viel verändert. Vielleicht zu viel.
Der Diener hat eine neue Aufgabe, die sein Leben bestimmt. Er muss sich nun allein um die Bewohner, das Haus und den verzauberten Garten kümmern. Das ist nicht unbedingt aufwendiger als zuvor, aber es kostet ihn viel mehr Kraft. Die Motivation, sich ein neues, eigenes Leben aufzubauen, schwindet täglich. Obwohl er sich wirklich große Mühe gibt, diese Situation zu akzeptieren, kommt er gegen seine Gefühle einfach nicht an. Es scheint, als sei mit Vettels Auszug auch seine gesamte Lebensfreude gegangen. Die einzigen Lichtblicke sind ein paar Worte wöchentlich, die er über den Monitor