Götzendämmerung I. Jörg Werner
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Die Majorin hielt nichts von Prophetie, zu vage, zu ungenau, zu beliebig. Darüber hinaus mangelte es ihrer Erfahrung nach der Zunft der Prognostiker vor allen Dingen an Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Anstand und der Fähigkeit zur Selbstreflexion.
„Was besagt diese Ankündigung?“
„Dass eines Tages von der Erde aus ein neuer Glaube ins Universum gelangt und das Imperium Angelinas bedroht und in eine Periode von Chaos und Aufständen stürzen wird. Die Details erspare ich Ihnen, einiges finden sie in der Akte.“
„Sie glauben, die Steuerchips könnten das Imperium destabilisieren?“
„Ja, unterschätzen sie die Macht dieser Chips nicht, wenn sie erst mal an einen menschlichen Geist angedockt haben. Ein Witzbold aus dem Umfeld dieser Forschungen hat die Dinger Gottesmodule getauft. Das trifft es wahrscheinlich besser, als wir es uns wünschen sollten.“
„Gottesmodule klingt vielversprechend, hinter denen könnten noch ganz andere kosmische Kräfte her sein“, bemerkte Majorin Zack vorsichtig.
„Naheliegend“, erwiderte der Erzengel widerwillig.
„Eine Frage noch, äh, Michael, wieso haben Sie mich geholt und überlassen die Ermittlungen nicht dem Sicherheitsdienst ihres Ministeriums?“
„Weil in dieser Angelegenheit niemandem zu trauen ist …“, nach kurzem Zögern fügte er noch hinzu: „und weil Sie ausgewiesene Expertin für die Wüste Zone sind. Ich vermute, die Chips kommen von da, Sie sollten mit ihren Nachforschungen dort beginnen. Informieren sie mich, und nur mich, über den Stand der Ermittlungen, am besten am Rand des großen Golfturniers in ein paar Standardwochen Sternenzeit. Also gute Jagd und Halleluja, Major.“
Die fluchte lautlos in sich hinein.
Das Golfturnier war eine der berüchtigtsten Veranstaltungen in der Galaxis. Alle paar Jahre trafen dort die sieben Erzengel des Wohlfahrtsausschusses, die den wichtigsten Institutionen des Imperiums vorstanden, aufeinander. Kein Festival der Harmonie und Freude. Üblicherweise gingen sich die Sieben sorgfältig aus dem Weg, um sich nicht in einem unkontrollierten Moment der Leidenschaft gegenseitig zu teeren und zu federn, wie Spötter behaupteten.
Die Erzengel des Ausschusses waren sich in aufrichtigem Hass und Neid so zugetan, wie Sandvipern auf einer Eisscholle. Der Fluch der Macht.
Die Espressomaschine zischte und ruckelte, als wolle sie gleich abheben. Der Cyborg riss an einem Notventil. Erzengel Michael verschwand so unauffällig wie ein flüchtiger Gedanke, nur die Golftaschen schepperten bedrohlich hinter ihm her.
Die Faltblattanzeigetafel tat laut quietschend kund, dass sie eine neue Seite aufgeblättert hatte: „Besuchen Sie den Planeten Nirgendwo im Irgendwo-System, dort finden sie Entspannung, Ruhe und Harmonie. Keine Macht den Drogen.“
Reflexartig orderte die Majorin im besonderen Einsatz aus der Innenrevision der Erschaffung und zentralen Verwaltung der Welten noch einen galaktischen Hirnfeger.
Nachdenklich musterte sie der Cyborg, wedelte mit einem Geschirrtuch herum und scheuchte dabei Massen von fetten Glühwürmchen auf, die anfingen, über der Espressomaschine zu tanzen.
„Was machen Sie denn da?“, fragte die Majorin.
„Verscheuche schlechtes Karma, Mam’.“
Nebenan lobpreiste der Prediger wechselweise irgendeine Gottheit oder schrie nach einem Klempner, während er tiefer in den Trümmern des Getränkeautomaten versank wie in Treibsand. Die Kinder jauchzten und warfen ihm Süßigkeiten zu.
Der Auftrag des Erzengels ließ sie schaudern. Wenn ein Erzengel ins Spiel kam, waren seine intriganten Kollegen nicht weit, von Luzifer mal ganz abgesehen, und kamen noch andere, Putten, Menschen und Gottesmodule dazu, ergab das definitiv eine kosmische Mischung für praktizierten Irrsinn.
Die Anzeigetafel verkündete eine weitere Botschaft: Gäbe es Gott nicht, würden wir ihn erfinden. (KAZ Kommission für Aufsicht und Zulassung)
Da wurde ein Flug zum Planeten Pandora, dem legendären Tor zur Wüsten Zone, aufgerufen.
Den würde sie nehmen.
Es hatte begonnen.
Engelskonklave
Ja, es hatte alles an jenem düsteren Dezembertag im Hier und Jetzt zur Weihnachtszeit begonnen.
Von Westen her zog ein schmutzig graues Atlantiktief über den Horizont, saugte den letzten Rest von Farbe aus den Straßen der Stadt und brachte den Winter. Lichterketten schwankten im aufkommenden Sturm und Christengel belästigten von überall her das wachsame Gemüt.
Nicht dass Max Taschkes Zustand besondere Wachsamkeit zugelassen hätte.
Im Gegenteil, seit Eleonore vor einigen Tagen spurlos verschwunden war, bekämpfte er eine aufkommende Engelphobie mit Bier, Whisky, zunehmendem Fernsehkonsum und nutzlosen Internetrecherchen. Eleonore blieb verschwunden.
Die Phobie bereitete ihm Sorgen, besonders jetzt zur Weihnachtszeit.
Als er am späten Nachmittag auf der durchgelegenen Couch in seinem Wohnbüro erwachte, stellte er ohne allzu großes Erstaunen fest, dass er, zur Hilflosigkeit verdammt, letzte Nacht Zuflucht im Glauben gesucht hatte. Ein verfluchter Fehler, wie er sofort vermutete, als sein Blick auf ein Papier fiel, das vor ihm auf dem Tisch zwischen leeren Bierflaschen und einer Whiskypfütze lag.
Eine verschnörkelte Urkunde mit dem Bild eines bewaffneten Engels in der unteren Hälfte bestätigte Herrn Max Taschke seine Ordinierung zum Priester der Church of the Latter-Day-Dude, der am langsamsten wachsenden Religion der Welt. Erst als er nach einem Panikanfall im Internet die zentrale Botschaft seiner neuen Religion erfasste, beruhigte er sich. Das Glaubenscredo „Maximale Entspanntheit und Predigen durch Nichtpredigen“ erschien ihm außergewöhnlich vernünftig.
Er selbst hätte sich wohl als einen notorischer Skeptiker mit einer Vorliebe fürs Nichtstun beschrieben.
Der Engel auf der Urkunde erinnerte Herrn Taschke wieder an Eleonore.
Auf der Suche nach Ablenkung griff er zur Fernbedienung. Die Nachmittagssendungen versprachen im Allgemeinen einen hohen Unterhaltungswert aufgrund der hirnzersetzenden Schwachköpfe, die sich dort tummelten und den gesunden Menschenverstand attackierten.
Er stieß auf eine Gerichtsverhandlung. Eine Doko-Fiktion mit echten Darstellern, wie eine Einblendung verriet. Das klang hinreichend beknackt. Soweit er von der juristischen Seite des Falls mitbekam, hatten einige Kreuzfahrttouristen den Reiseveranstalter verklagt, weil die Prospekte für die Seereise nicht ausreichend darauf hingewiesen hatten, dass das Mitternachtsmenü erst um vierundzwanzig Uhr gereicht wurde, dass das Tontaubenschießen im Freien stattfand und die Mannschaft auf dem gleichen Schiff nächtigte wie die Gäste. Herr Taschke genehmigte sich daraufhin einen kleinen Whisky und wechselte den Sender.
Volltreffer.
Auf einem der Bibelkanäle tobte ein fundamentalistischer Evangelikaler, ein Werkzeug des Herrn, ein außergewöhnlich schöner Mann im Priestergewand, mit graumelierten Schläfen und kalten Zombieaugen. Er wetterte