Götzendämmerung I. Jörg Werner
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An dieser Stelle blendete ein Lauflicht am unteren Bildschirmrand den Namen des religiösen Zombies ein und bat um Spenden, während der merkwürdige Heilige mit Namen Elias Matzerat, ein Sprachrohr des Herrn, wie das Lauflicht weiter verkündete, ein Loblied anstimmte. Sogleich stürzten einige üppige Damen mit umgeschnallten Engelsflügelchen auf die Bühne und fielen in die Lobpreisung ein. Licht flutete über die verzückten Gestalten. Herr Taschke fühlte sich an eine absurde Oper erinnert, wo Musik, Gesang und Protagonisten sich zu einem Gesamtkunstwerk vermischten, welches das Publikum in kollektiver Panik aus dem Opernhaus trieb. Das Lauflicht verkündete unterdessen: Dienen statt denken, denn wer denkt, der sträubt sich.
Er fegte vor Schreck das Whiskyglas vom Tisch und beschloss, der Engelsparanoia die Stirn zu bieten. Er entschied sich, dem Gefieder auf ihrem Terrain entgegenzutreten und, trotz heraufziehenden Schneesturms, einen Christmarkt aufzusuchen.
Ein Weihnachtsmarkt stellte seit je her einen Ort für folkloristisch getarnten Alkoholismus, Gefühlsduselei und falsche Besinnlichkeit dar. Genau das Richtige für Herrn Taschkes momentane desolate Verfassung.
Erste Schneeflocken mischten sich unter den fester werdenden Regen.
Ein monströser, geflügelter Engel aus Luft und Plastik hieß ihn willkommen und zerrte in den Windböen an dem Stand, an dem er zu Reklamezwecken festgebunden war. Einen kurzen Moment schien es so, als wollte dieser mystische Luftballon die ganze Verkaufsbude, mit ihren Legionen von musizierenden, tanzenden und fliegenden Holzengeln, in die Höhe reißen. Aus etlichen Lautsprechern dudelte ‚Vom Himmel hoch, da komm ich her‘ und ähnlicher unverwüstlicher Weihnachtsschmalz.
Verdammte Engel, schoss es ihm durch den Kopf.
Er hatte sich vor den Unbilden des Wetters unter einen gigantischen Schirm geflüchtet, der einen Stehtisch bedachte. 100% wasserdicht, Vertrauen hält trocken. Frohe Weihnacht, ihre Parkwelten. Erleben sie die wunderbaren Zyklen des Parkens - Ihr Cityparkhaus, stand darauf zu lesen. Wer dachte sich so was aus, Außerirdische auf der Durchreise oder Praktikanten auf Drogenentzug? Es roch nach heißem Apfelwein, Mandeln, Bratwurst und verstopften Toilettenwagen.
Herr Taschke trank Glühwein, kein Getränk der ersten Wahl.
Eine Gruppe junger dynamischer Menschen, drei Jungs und eine junge Dame, hatten sich ebenfalls unter dem Parkweltenschirm eingefunden, nippten an hochprozentigen Getränken und lauschten einem dazugehörigen älteren Herrn mit aristokratischer Miene.
Eine Art Guru oder Professor vielleicht, dachte Taschke.
„Engel sind schwer im Trend“, referierte der Alte.
„Sympathieträger, mit positiven Assoziationen besetzt, Glaubwürdigkeit, Liebe und so.“, warf einer der Dynamischen ein.
„Wir müssen das nur richtig rausstellen.“
„Blödsinn …“, blaffte der Alte, „… wir müssen gar nichts, und wenn wir doch was müssen, um erfolgreich zu sein, dann ist es gegen den Strom schwimmen. Aufmerksamkeit durch das Unerwartete herstellen, provozieren, auffallen.“
Werbeleute, diagnostizierte er entsetzt, ich bin in ein verdammtes Engels-Brainstorming von Werbefuzzies geraten.
„Wir haben ein Produkt zu vermarkten, was war das doch gleich?“ Der Alte spielte mit den jungen Wilden.
„Ein Spiel mit Engeln, Dämonen und dem anderen üblichen, mystischen Personal. Es geht um Gut und Böse und die Herrschaft im Universum.“
„Welches Universum?“
„Irgendein Universum, soll ja inzwischen verdammt viele geben. Parallelwelten, Milchstraßen, Galaxien, Universen wie Sand am Meer, deshalb sprechen die meisten Physiker inzwischen vom Multiversum. Wieso, ist das wichtig?“
„Nur wenn die Erde in dem Spiel vorkommt.“
„Wenn Engel im Spiel sind, auf jeden Fall, sind hier schließlich quasi zu Hause, die Biester.“ Dabei warf der Sprecher, ein durchtrainierter Typ mit kreisrundem Kopf und getigertem Brillengestell, lachend eine Hand in die Runde.
„Mega out, der Scheiß von wegen Gut und Böse, total analog“, erwiderte ein weiterer Jungkreativer gelangweilt und drückte wie besessen auf einem undefinierbaren, ultraflachen Superdesignmultimediateil herum. Herrn Taschke kam es so vor, als versuchte der Kerl, auf einem digitalen Brotbrett eine Bombe zu entschärfen.
„Quatsch, Gut und Böse sind Kategorien für Kinder, in echten Konflikten geht es um Sex, Macht, Geld.“
„Und Gott.“
„Ja, aber der hält sich raus und schickt seine Beamten.“
„Womit wir wieder bei den Engeln wären“, lachte der Alte süffisant.
Er stöhnte verhalten auf.
„Ein scheiß Spiel mit Engeln. Bescheuerter geht’s kaum.“
„Hört sich echt krank an, die Idee.“
„Fassen wir zusammen: Ein Spiel, Kampf um die Macht, bei dem Engel mitspielen, das Universum, die Erde, Dämonen und der ganze Rest“, fuhr der Alte fort.
„Was für ein Rest?“
„Na, alles eben, Existenz, Freiheit, Liebe, Erlösung, Weihnachtsrummel.“ Der Sprecher beschrieb einen weiten Halbkreis mit seinem ausgestreckten Arm, während der Alte ihn
amüsiert musterte. Er durchlitt eine Realitätsabstoßung, eine Form spontaner geistiger Selbstverteidigung. Die Werber machten weiter.
„Ja, sind richtig schießwütig in dem Spiel und wunderschön, die Engel.“
„Na, dann macht was daraus, einen Slogan, der unter die Gürtellinie geht, irgendwas, das das Publikum vor wohligem Entsetzen aufheulen lässt und Käufer vor Neugier sabbernd in die Läden treibt. Marketing ist Krieg und kein Ringelreihen.“
Für einen kurzen Moment machte sich Schweigen in der Werbetruppe breit. Er schlürfte an seinem Glühwein. Jeder kluge Gedanke machte einen weiten Bogen um den Tisch der Denker. Diese gingen dazu über, ihr Kreativpotenzial zu testen.
Der Alte hingegen hatte etwas Sympathisches, wie er den Advokat Diaboli gab, um die digitalen Scheißerchen zum Selberdenken zu bewegen.
„Unsere Engel sind nicht niedlich.“
„Manche Engel können auch anders.“
„Diese Engel schreddern Dämonen.“
„Hat alles noch keinen Biss. Außerdem, wie soll ich mir als Kunde einen Engel vorstellen, der einen Dämonen schreddert, schiebt der einen Gartenhäcksler vor sich her?“
„Motorsäge wäre machbar“, warf einer ein. Ein Vordenker, vermutete Herr Taschke, ihn schauderte.
„Haben