Götzendämmerung I. Jörg Werner

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Götzendämmerung I - Jörg Werner Götzendämmerung I

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acta gelegt, fingen seriösere Blätter an, Fragen zu stellen und Rechercheanstrengungen zu unternehmen, um den geheimnisvollen Engel des Untergrundes, Das Phantom der U-Bahn zu finden. Ein seriöses Wochenmagazin brachte den Aufmacher „Schutzengel kontra Banker, greift die himmlische Verwaltung ein?“ Was ausgesprochen reißerisch klang.

      Engel waren total en vogue und Banker im freien Fall, was mediale Zuneigung betraf. Eleonore von Sternberg fand sich plötzlich dort, wo nur Narzissten, Egomanen oder Casting-Teilnehmer hinwollten - im Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit.

      Also hatte Frau von Sternberg die Kanzlei Imenhoff und Partner damit beauftragt, die rechtlichen Unannehmlichkeiten mit der Staatsanwaltschaft und den vier beschädigten Bankern zu regeln. Ein Auftrag, den Anwalt Imenhoff mit einer delikaten Mischung aus scheinbarer Kooperation mit der Justiz, Zuckerbrot und Peitsche gegenüber den Bankern, sowie zielgerichteter Korruption brillant und unauffällig zu erledigen vermochte.

      Ihm war die brisante Aufgabe zugefallen, die Öffentlichkeit abzulenken und von Eleonore fernzuhalten. Sie hatte ihn zu ihrem Schwert im Kreuzzug gegen die Mediengeier erkoren.

      Als Subunternehmer oder Mann für besondere Aufgaben erledigte er für die Kanzlei diverse, oft delikate Dienstleistungen. Wobei Imenhoff als Freund und Auftraggeber Wert darauf legte, offiziell keinerlei Geschäftsbeziehung mit Herrn Taschke zu unterhalten. Die Vorsicht der Juristen!

      Sein Wohnbüro in einer etwas zwiespältig beleumdeten Gegend der Stadt zierte ein schönes, von der Größe eher bescheiden gehaltenes Messingschild mit der schlichten Aufschrift „Sicherheitsmanagement Max Taschke“. Im Internet war er nicht vertreten.

      Im Gegensatz zu Anwalt Imenhoffs kompetenter Problemlösung versagte er auf ganzer Linie: Der Pressehype ging weiter. Infolgedessen schäumte Eleonore vor Wut. Das Interesse an ihrer Person riss nicht ab und immer absurdere Spekulationen fanden den Weg in die Öffentlichkeit. Als sie dann noch von einem obskuren religiösen Verein zum Ehrenengel gekürt wurde, verlor sie endgültig die Contenance. Sie stürmte in Herrn Taschkes Wohnbüro, wo sie ihm an die Gurgel zu gehen drohte. Nur von dem hinfälligen Schreibtisch aufgehalten, hinter dem er sich in Deckung begeben hatte, feuerte sie eine schwere Salve wüster Beschimpfungen ab: „Blender, Versager, Trottel, Feigling!“, tobte sie so anmutig.

      Da musste es passiert sein.

      Er erinnerte sich nur äußerst widerwillig an die folgenden Minuten. Ja, genaugenommen wusste er immer noch nicht, wie es zu dem anschließenden Debakel kommen konnte. Jedenfalls hatte er sich aus seiner Deckung erhoben, sich mit beiden Fäusten auf der Schreibtischkante aufgestützt und völlig ruhig und gelassen gesagt: „Frau von Sternberg, ich glaube, ich verliebe mich gerade in sie.“

      Für den Bruchteil einer Sekunde hatte Eleonore völlig verblüfft geschwiegen wie jemand, den ein Königspinguin nach der Formel für die Lichtgeschwindigkeit fragt. Dann schien es, als hätte sich etwas Rauch aus ihrer Nase und den Ohren gekräuselt. Eine Wahrnehmung, die er später auf seine überhitzten Sinne schob. Dann hatte Frau von Sternberg ihre Haltung gestrafft, den Kopf in den Nacken geworfen, das hübsche Kinn energisch nach vorne geschoben, Herrn Taschke kalt gemustert und „Sie sind ja so was von krank“ erwidert. Im Anschluss hatte sie sich umgedreht und war gegangen, elegant und wortlos, ohne die Türen zu schließen. Zurück war nur der Hauch ihres Parfüms geblieben.

      Seitdem war Eleonore verschwunden. Selbst Paul Imenhoff vermochte sie nicht zu erreichen.

      Zweifel und Selbstvorwürfe nagten seither an seinem robusten Selbstwertgefühl. Er fragte sich, ob der Zeitpunkt für sein Geständnis vielleicht falsch gewählt war oder die Formulierung „ich glaube“ zu viel Spielraum für Zweifel signalisiert hatte. Ein „Ich liebe Sie“ wäre sicherlich eindeutiger gewesen. Andererseits hätte er das distanzierte „Sie“ in diesem Fall besser durch ein „Dich“ ersetzen sollen, „Ich liebe Dich“. Doch dieser Satz war ihm in Anbetracht der Umstände zu intim erschienen. Und außerdem wusste er zu dem Zeitpunkt noch nicht genau, ob er sie wirklich liebte oder nur dabei war, sich zu verlieben, was er in dem Verb „glauben“ zum Ausdruck gebracht hatte. Sein ganzes Geständnis war letztlich ein Triumph der Logik, überlegte Herr Taschke, wahrscheinlich war Eleonore einfach zu erregt gewesen, um auf seine wohlgemeinte Avance vernünftig zu reagieren.

      „Krawumm!“

      Er schrak aus seinen Gedanken, die Werber fuhren herum. Mit Wucht hatte sich unter lautem Knall der luftige Weihnachtsengel von der Bude gegenüber losgerissen und taumelte im Schneetreiben der Freiheit entgegen. Viele Weihnachtsmarktbesucher winkten ihm nach, bis ein Sicherheitsbeamter im Weihnachtsmannkostüm eine großkalibrige Pistole zog und das Feuer eröffnete.

      Ein kleiner Junge jubelte: „Treffer!“, ein paar putzige Mädchen kreischten: „Feuer frei auf fette Engel.“ Auf einer kleinen Bühne sang ein Chor „Friede auf Erden, den Menschen ein Wohlgefallen.“

      „Eine Gefährdung des Luftraumes“, erklärte der Weihnachtsmann verlegen und kippte an einer der Buden, noch zittrig von dem einseitigen Feuergefecht, einen Jägermeister.

      „Peng, peng“, skandierten die Werber, winkten dem Schützen zu und tranken eine weitere Lage Kräuterschnaps.

      „Hier, sehr interessant, ich hab doch noch was gefunden“, meldete sich der Werber mit dem medialen Brotbrett zu Wort. Er begann zu nuscheln.

      „Was denn?“, fragte jemand aus der Runde und schlürfte an einer winzigen Schnapsflasche. Die Expertenrunde an Herrn Taschkes Tisch löste sich allmählich in Chaos auf.

      „Eine Pressenotiz, hört mal: Eine Vertreterin des Vereins Engelswächter erklärte gestern gegenüber dieser Zeitung, dass …“

      „Moment mal bitte, könnten sie den Namen dieses Vereins noch einmal vorlesen?“, unterbrach der Werbeguru den jungen Wilden.

      „Engelswächter.“

      Der Alte kramte in seiner Manteltasche, förderte eine Visitenkarte zutage und reichte sie an die junge Dame zu seiner Linken weiter. Die las laut vor:

      „Engelwächter. e.V. Jede Tugend braucht ihre Wächter, noch eine Telefonnummer und das ist alles, mehr steht da nicht.“

      Herr Taschke hätte vor Schreck beinahe sein Glas fallen lassen.

      „Komischer Zufall …“, erklärte der Alte, „… diese Engelswächter sind auch unsere Auftraggeber.“

      „Ist das nicht irre?“, kicherte die Quotenfrau unter den wilden Denkern.

      „Echt irre, ja. Darauf trinken wir. Salut, auf die Wacht.“

      In seinem Strom der Gedanken kam es zu weiteren Turbulenzen und er verschüttete etwas Glühwein. Die Werber waren indessen dazu übergegangen, undefinierbare kleine Schnäpse unter ihr Getränk zu mischen, wahrscheinlich um die Kreativität nicht trockenfallen zu lassen.

      Die Visitenkarte wurde herumgereicht. Wie selbstverständlich wanderte sie auch zu ihm, er musterte sie interessiert.

      Auf blütenweißem Papier mit schwerem Goldrand zeigte die Karte einen undefinierbaren Planeten, über den die zarten Schemen einiger Putten schwebten. Darüber stand der Text in schwungvollen Lettern. Die Rückseite zierten zwei gekreuzte Flammenschwerter. Herr Taschke hatte genug gesehen. Er reichte die Karte weiter.

      Der Vordenker hatte angefangen, wie rasend sein Multimediasurfbrett zu traktieren, Schweiß stand ihm auf der Stirn.

      „Nicht

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