Die Hoffnung aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Die Hoffnung aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen

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und ich bereute sofort, ihr überhaupt von diesen Träumen erzählt zu haben. Aber ich konnte das nicht ungeschehen machen, und so hatte ich nur resigniert den Schwanz eingezogen. „Du glaubst mir nicht! Genauso wie meine Mutter früher oder meine Oma. Alle meinen, ich sei vollkommen verrückt. Aber ich hatte immer wieder diesen Traum und ich weiß, dass etwas geschehen wird, wenn ich nicht handele.“

      „Was glaubst du, soll das sein, dass du zerstören musst?“ wollte sie wissen.

      „Das weiß ich erst, wenn du mir sagst, wo dieser Keller ist.“

      Ich muss sie damit wirklich auf die Palme gebracht haben. Sie giftete, warum ich glauben würde, dass sie davon eine Ahnung hätte.

      Heute weiß ich, dass diese Ablehnung ihrerseits, was das Thema anging, sie lange Zeit geschützt hat. Hätte sie mir an dem Nachmittag gestanden, dass sie mehr weiß oder sogar den Standort des Labors preisgegeben, dann hätte das für sie schon sehr schlecht enden können. Denn der Feind hörte da wahrscheinlich schon mit. Denn als ich ihr erklärte, dass ich den Jungen suchen muss, von dem ich geträumt hatte und dass er das fehlende Puzzelteil sei, dass uns gefährlich werden konnte, unterbrach mich ein Klatschen.

      Was sich mir da offenbarte, haute mich um. Der junge Mann aus meinen Träumen stand leibhaftig vor uns und grinste mich hämisch an. „Schön, schön!“, rief er herablassend und sein Blick aus seinen dunkelbraunen Augen durchbohrte mich regelrecht vor Wut. „Aber meinst du nicht, dass du in eine Klapsmühle gehörst?“

      Ich konnte nur in dieses mir so vertraute Gesicht starren und in meinem Kopf liefen viele Filme gleichzeitig ab. Mir wurde klar, ich sah in meinen Träumen weder Kurt Gräbler noch meinen Vater, sondern eine jüngere Ausgabe meines Vaters. Mir schoss augenblicklich, dass ich das erste Kind meines Vaters vor mir hatte. Meinen großen Bruder. Und der baute sich vor Carolin auf und knurrte wütend: „Nah, Schwesterlein, ist das dein neuer Verehrer? Der hat ganz schön einen Sprung in der Schüssel.“ Dann wandte er sich mir zu und zischte aggressiv: „Was willst du noch hier, Spinner?“, und schlug mir vor die Brust.

      „Lass ihn, Julian!“, hatte Carolin ihn noch aufhalten wollen, während ich kaum reagieren konnte.

      „Lass ihn, Julian“, äfft er Carolin nach und knurrte wütend: „Spinner haben hier nichts zu suchen! Los, verpiss dich endlich und lass meine Schwester in Ruhe.“

      Er hatte sich damals dicht vor mir aufgebaut und mich so wütend und ablehnend angestarrt, dass es mir alle Kraft genommen hatte.

      Dann war alles sehr schnell gegangen.

      Carolin hatte mich noch gebeten: „Geh jetzt lieber. Wir sehen uns ein anderes Mal“, und mir damit gezeigt, auf welcher Seite sie stand. Vielleicht, wenn sie mich verteidigt hätte … mit mir gegen Julian gestanden hätte …

      Das der Typ aus meinem Traum ihr Bruder war, der mit ihr anstellen konnte, was er wollte und das Labor direkt vor der Nase hatte, machte mich damals zusätzlich fassungslos. Ich glaubte in diesem Augenblick keine Chance zu haben und floh.

      Völlig verzweifelt verbarrikadierte ich mich in meinem Hotelzimmer in Alfhausen und wusste nicht, was ich von all dem halten sollte. Da gab es Kurt und diese Träume, die mich seit meiner Kindheit heimsuchten und die Erkenntnis, dass es bei meinem Vorfahren einen Alchemisten gegeben hatte, den die Angst vor dem Tod Unglaubliches tun ließ. Er hatte nicht mal vor Inzest zurückgescheut, weil zu seiner Zeit die Alchemisten glaubten, durch ein Kind mit dem eigenen Kind eine Lebensverlängerung erwirken zu können. Aber er starb, bevor er die dadurch gezeugte Tochter für seinen Lebenserhalt töten konnte und somit war mein Vater Markus entstanden, und der zeugte mich … und davor Julian.

      Julian, sein Name hatte sich von dem Tag an tief in meine Eingeweide gebrannt. Ich hatte meinen älteren Bruder gefunden und denjenigen aus meinen Träumen, der Carolin und mich töten wollte. Damals war ich verunsichert, ob ich richtig lag. Heute weiß ich, dass sich alles so ereignet hatte, wie ich es geträumt hatte.

      Ich beschloss damals, wieder zu gehen. Ich fühlte mich dem Ganzen gar nicht gewachsen.

      So floh ich nach Wolfsburg und zu meiner Mutter, die mich nicht vergaß an den Pranger zu stellen, weil ich nicht auf sie gehört hatte. Sie dachte, mein Zustand konnte nur mit dem Zusammentreffen mit meinem Vater zusammenhängen.

      Ich war froh, als ich wenige Tage später erneut ein Engagement hatte und dem allen noch ein wenig entfliehen konnte. Aber es nützte nichts. Ich musste mich letztendlich doch wieder der Sache stellen, denn ich bekam Carolin und die Gefahr, in der sie schwebte, nicht mehr aus dem Kopf.

      Ich begann zu recherchieren, ob es noch andere Fälle gab, die unseren glichen. Aber ich fand nichts, außer die wilden Geschichten um Satanskulte und Blutinjizierende, die wie Kurt Gräbler glaubten, sich damit jung und ewig lebend erhalten zu können.

      Ich war von diesen Geschichten entsetzt und wollte mit Carolin darüber sprechen. Darum versuchte ich erneut eine Verbindung zu ihr herzustellen und schickte ihr die Hefte von Kurt Gräbler, die vom Dachboden meiner Oma stammten. Mir war zu der Zeit nicht klar, was ich wirklich damit bezweckte. Wahrscheinlich wollte ich, dass Carolin erkannte, dass ich mit allem recht hatte.

      Mit den Büchern des Alchemisten bat ich sie, sich bei mir zu melden. Es sollte durch eine geheime Botschaft an einem Aushang eines Lebensmittelladens sein, damit ich nicht Gefahr lief, erneut von ihrem Bruder heimgesucht zu werden.

      Ich sah täglich nach, ob sie mir eine Nachricht hinterlassen hatte und sie tat es tatsächlich.

      So trafen wir uns wieder.

      Um uns ungestört unterhalten zu können, fuhren wir zu einer Waldhütte.

      Carolin sah an diesem Tag so blass aus und wirkte so verletzlich. Sie sackte auf der Bank in sich zusammen und weinte bitterlich.

      Ich war mit der ganzen Situation ziemlich überfordert und vor allem mit dem, was dann geschah. Carolin erzählte mir zum ersten Mal von sich.

      „Es ist alles so verwirrend“, hatte sie gesagt. „Ich habe ständig diese schrecklichen Träume. Sie spielen mir ein Leben vor, das nicht meins ist. Und sie sind so schrecklich. Und Julian geht es nicht anders und deshalb dreht er ständig durch, und unsere Eltern sind in den Urlaub gefahren und haben mich mit ihm allein gelassen. Ich weiß gar nicht, wie ich mit dem Ganzen klarkommen soll. Es geht mir auch gar nicht mehr gut. Ich glaube langsam, ich werde verrückt. Und dann immer wieder diese Träume …“ Sie war damals ziemlich fertig.

      Und dann sagte sie mir, dass sie genauso mit dem Alchemisten verwandt ist, wie ich.

      Da ging mir zum ersten Mal wirklich ein Licht auf. Das Gelesene aus den Büchern von Kurt Gräbler drängte in mir hoch. Er hatte eine Tochter, die er mit seiner großen Liebe Sonja gezeugt hatte, bevor er seine Heimat verließ und in die Welt zog. Als er einige Jahre später zurückkehrte, zeugte er mit seiner Tochter eine weitere Tochter, die meine Oma ist. Aber natürlich gab es von Kurt Gräblers ersten Tochter auch einen Familienzweig. Auch sie hatte weitere Kinder, und von denen stammt Carolin ab.

      Ich verstand zum ersten Mal das Ausmaß dieser ganzen Familiengeschichte, die Carolin und mich verband … und natürlich auch Julian mit einbezog.

      Ich war mir wahrscheinlich in diesem Moment zum ersten Mal sicher, dass Julian mein Halbbruder ist.

      Was ich an diesem Tag aber nicht weiter bedachte, war der Umstand, dass Julian somit auch für Carolin nur ein Halbbruder ist. Erst später wurde dieser Aspekt noch zu einem wirklichen Problem.

      Ich

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