Die Hoffnung aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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Sie wollte mir sofort suchen helfen und bot mir ihre Hilfe an. Aber es ging mir an diesem Abend nicht um meinen Vater oder um meine Mutter oder sonst was. Es ging nur um sie und mich. Darum versuchte ich das Thema auch zu beenden, weil sie sich auch noch darüber lustig machte, dass ich am falschen Ort wäre, wenn mein Vater in Osnabrück wohnt. Es war so unglaublich schwer ihr mein wirkliches Anliegen klarzumachen. So gestand ich ihr, dass ich eigentlich etwas aus meiner Vergangenheit und der meiner Familie suchen würde.
Ich hatte ihr damals zum ersten Mal erklärt, was meine Motive waren. „Manche Menschen tragen ein Vermächtnis in sich, das aus einer anderen Zeit stammt und ihnen von ihren Vorfahren auferlegt wird. Ich muss etwas tun! Ich weiß nur nicht was!“, hatte ich ihr erklärt. „Und ich muss jemanden, außer meinem Vater, finden. Meine Träume werfen mir Brocken vor, denen ich nachgehe. Darum bin ich hier.“
Ich weiß nicht, was ich erhofft hatte, aber sie sagte nichts dazu und starrte nur auf die Flammen des Lagerfeuers.
„Du fragst gar nicht, von was für einem Vermächtnis ich spreche, wen ich suche oder was ich zum Beispiel in eurem Garten gemacht habe“, wollte ich sie zu einer Äußerung bewegen. Aber ihr Blick war pure Ablehnung und daher war es nicht verwunderlich, dass sie nur eine Frage herausgepickt hatte, die sie wohl am unverfänglichsten hielt. „Was wolltest du in unserem Garten?“
Ich denke, ich wusste, dass ich einlenken musste, wenn ich sie nicht ganz verschrecken wollte. „Sag ich nicht“, hatte ich deshalb nur spielerisch hingeworfen, weil mich auch mein Mut verlassen hatte. Ich hatte schlicht und ergreifend Angst, ihr von meinen Träumen und von dem Alchemisten und seinem Labor zu erzählen. Und sie schien seltsamerweise froh darüber zu sein, dass ich es nicht tat. Jeder andere hätte mich gelöchert, was ich meinen würde. Aber sie nicht. Sie rief ein gespielt entrüstetes: „Sooo!“ Dabei schenkte sie mir ein erleichtertes Lächeln, was mich dazu bewegte, ihr alles zu erzählen, was nicht mit meinem Leben in Wolfsburg, meiner Familiengeschichte oder dem Alchemisten in mir zu tun hatte. Es gefiel mir, wie ihre Augen in dem Schein des Lagerfeuers zu leuchten begannen, während ich ihr Anekdoten von der zwar netten, aber etwas aufdringlichen und überbesorgten Hotelbesitzerin erzählte und ihr Lachen darüber stimmte mich glücklich. Bei ihr fühlte ich mich wohl und seltsam ruhig. Der Druck, ihr alles von meinen Träumen und dem Alchemisten erzählen zu müssen, hatte sich damals wie von Zauberhand gelegt. Etwas an ihr schien mich das alles vergessen zu lassen. Ich war da, wo ich mein Leben lang sein wollte. Das spürte ich an diesem Abend mit aller Macht. Bei ihr war ich ein anderer Mensch … oder der, der ich wirklich war.
Irgendwann hatte sich mir dann aber doch wieder die Geschichte mit diesem Timothie aufgedrängt und ich hatte sie gefragt: „Stehst du auf blond und blauäugig?“
Mit einem Blick, der bis tief in mich hineingereicht hatte und etwas darin zum Klingen brachte, hatte sie erwidert: „Eigentlich nicht. Ich weiß auch nicht, was mich da geritten hat.“
„Das ist gut!“, war mir daraufhin herausgerutscht und sie hatte gefragt: „Warum?“ Dabei hatte ihre Stimme wie das Flüstern des Windes geklungen und ich hatte ihr genauso erwidert: „Weil ich nicht blond und blauäugig bin.“
Was wäre wohl geschehen, wenn in diesem Moment nicht eine von ihren Freundinnen aufgetaucht wäre und lauthals ihren Namen über den Platz gerufen hätte?
Carolin war daraufhin aufgesprungen und unsere gemeinsame Zeit war beendet. Aber ich wollte es nicht dabei belassen. „Können wir uns noch einmal treffen?“
„Wieder in unserem Garten? Dann helfe ich dir suchen, was immer du zu finden beabsichtigst.“
Das war ihr Versprechen an mich an diesem Abend. Aber mir blieb keine Zeit, ihr zu sagen, dass ich zwei Wochen nicht erreichbar sein würde. Ich hatte damals ein Engagement in einem Orchester angenommen. Das sollte sich noch rächen.
Während sie zu ihrer Freundin ging, verschanzte ich mich hinter einem Baum und blickte auf den beleuchteten Platz zurück. Ich sah Carolin zwischen ihren Freundinnen zu den Fahrrädern gehen und ihr Blick glitt wieder zu dem Lagerfeuer zurück, als suche sie mich dort. Dann stieg sie auf ihr Fahrrad und fuhr, flankiert von ihren Freundinnen, in die Nacht hinaus.
Ich hatte ihr an diesem Abend mit unserem letzten Wortspiel ein wenig meiner Gefühle offenbart und sie mir ein Versprechen gegeben, mich wiedersehen zu wollen.
Aber sie hatte mir auch gesagt, dass sie nicht auf blond und blauäugig steht …
Heute weiß ich, sie hat mich belogen. Vielleicht ist die Augenfarbe egal. Aber die blonden Haare zogen sich durch ihr Liebesleben und ließen mich immer wieder außen vor.
Ich werfe mich in dem erschreckend ruhigen Hotelzimmerbett von einer Seite auf die andere. Vielleicht hätte ich besser ein Hotel mitten in der geschäftigen Innenstadt von Köln wählen sollen. Aber ich war in diesem gelandet und nehme erneut die Bilder von Carolin in die Hand, die ich in dem seichten Licht der kleinen Nachtischlampe anstarre. Wenn alles gut gelaufen wäre, würde sie jetzt auf mich in meiner Wohnung in Alfhausen warten. Ich hatte sie schon so weit. Aber genau das hat erneut ein blonder Arsch zunichte gemacht. Genauso wie Marcel vorher immer wieder.
Ich weiß gar nicht, wann Marcel in ihr Leben geschliddert war. Das hatte ich nie ganz herausfinden können. Er stand auf sie … schon eine ganze Zeit, und sie erhörte ihn irgendwann. So hatte er es mir zumindest mal geschildert, als ich so tat, als könnte ich sein Freund sein. Es war bei einem weiteren Versuch gewesen, Carolin wieder an meine Seite zu zwingen. Alles mit ihm lief irgendwie zur gleichen Zeit, in der auch ich in ihr Leben getreten war.
Er war der Mannschaftführer der einheimischen Fußballmannschaft, in der auch unser Bruder Julian mitspielte. Der brachte dann wohl ihn und Carolin zusammen.
Julian, ihr Bruder - und auch meiner. Ich ahnte, als ich ihm das erste Mal auf der Terrasse ihres Gartens begegnet war, dass er dieses Kind von meinem Vater sein musste, von dem meine Großmutter gesprochen hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon an der Tür meines biologischen Vaters geklingelt und ihm erzählt, wer ich bin. Und Julian sah genauso aus wie er - dunkelbraune Haare, dunkelbraune Augen und dasselbe fein geschnittene, gutaussehende Gesicht.
Ich bin wohl mehr nach meiner Mutter geraten. Darum haute es meinen Vater auch völlig aus den Socken, als ich vor seiner Tür stand. Erst wurde er blass, dann rot und dann stammelte er eine Menge dummes Zeug von wegen, er hätte immer mal an mich und meine Mutter gedacht und so.
Ich lernte an diesem Tag auch seine Frau kennen und den fünfzehnjährigen Philip, sowie den zehnjährigen Tom und Agnes, das fünfjährige Nesthäkchen. Tom und Agnes waren ziemlich aus dem Häuschen, als mein Vater ihnen erklärte, dass ich ihr großer Bruder bin. Und Philip? Der fand das Ganze echt uncool.
Dafür war die Frau meines Vaters sofort unglaublich nett zu mir. Aber mir war schnell klar, ich werde bei ihnen niemals wirklich dazugehören. Sie sind eine eigenständige Einheit, der ich niemals angehören werde.
Aber für mich war damals sowieso nur Carolin wichtig. Sie war die einzige, zu der ich gehören wollte. Wir hatten uns auf der Jugendveranstaltung gut verstanden und ich brannte darauf, sie wiederzusehen. Ich wollte ihr alles erzählen - von meinen Träumen, dem Alchemisten Kurt Gräbler in mir, von dem Labor, von dem ich geträumt hatte, und das tatsächlich auf ihrem Grundstück liegt, wie sich später herausstellte, und natürlich, dass sie zu mir gehört und sie mein Herz in ihren Händen hält.
Aber mir kam damals ein zweiwöchiges Engagement in einem kleinen Theater in Hannover